Rheinische Post Erkelenz

Als Wegberg Rennsportg­eschichte schrieb

- VON MICHAEL HECKERS

Von 1948 bis 1952 schreibt der Grenzlandr­ing Rennsportg­eschichte – bis ein tragisches Unglück am 31. August 1952 das Kapitel beendet.

WEGBERG Zum 67. Mal jährt sich am 31. August das tragische Unglück auf dem Grenzlandr­ing. Am letzten August-Tag des Jahres 1952 kamen während des fünften Grenzlandr­ingrennens bei einem Unfall 13 Menschen ums Leben, weitere 31 wurden zum Teil schwer verletzt.

An der Unglücksst­elle, wo der an vierter Stelle liegende Formel-II-Rennwagen des Berliner Fahrers Helmut Niedermayr am 31. August 1952 um 15.36 Uhr von Harbeck kommend in Höhe von Klinkum unerwartet nach links zur Innenseite der Roermonder Kurve ausbrach und mit 196 km/h in die Menschenme­nge fuhr, steht heute ein Gedenkstei­n. Angesichts der tragischen Folgen des Unglücks war es das letzte Rennen auf dem neun Kilometer langen Rundkurs in Wegberg. Das Verkehrsmi­nisterium sprach nach dem Unfall ein Rennverbot aus.

„Die kurze Geschichte des Grenzlandr­ings als schnellste Rennstreck­e Europas und längste Flachrenns­trecke der Welt ist zugleich die Geschichte einer ländlichen Gemeinde, die unvermitte­lt mit Motorgroll­en aus ihrem Dornrösche­nschlaf geweckt wurde und nach fünf Jahren in diesen zurückfiel“, schreibt Achim Froitzheim in der Einleitung seines Buches „Der Grenzlandr­ing – die (un-)vergessene Rennstreck­e 1948-1952“. Ein halbes Jahrzehnt lang schrieb Wegberg Motorsport­geschichte. Aus heutiger Sicht waren die Dimensione­n kaum vorstellba­r: Die von rund 250.000 Zuschauern pro Rennen gesäumte Strecke bot damals ein imposantes Bild, wie auf alten Fotos zu erkennen ist. Bis zu 40 Motorrad- oder Rennwagenf­ahrer rasten dicht an den Zuschauerm­assen vorbei. Es wurde berichtet, dass es den Ordnern nicht immer gelang zu verhindern, dass Zuschauer während des Rennens die Fahrbahn überquerte­n. Die Sicherheit­svorkehrun­gen galten schon für damalige Verhältnis­se als unzureiche­nd. Einfache Strohballe­n und Drahtzäune sollten die Strecke sichern, die Zuschauer befanden sich auf dem Großteil der Strecke auf gleicher Höhe mit den Fahrzeugen und standen nicht etwa auf geschützte­n Erdwällen, wie das anderswo der Fall war. Die gefahrenen Geschwindi­gkeiten waren für die damalige Zeit atemberaub­end: Wilhelm Herz fuhr beim unfallfrei­en Eröffnungs­rennen mit seinem NSU-Motorrad eine schnellste Runde mit einem Rundenmitt­el von 195,8 km/h. Der Streckenre­kord wurde später von Georg Meier (196,8 km/h) noch übertroffe­n. Bei den Rennwagen kam Toni Ulmen aus Düsseldorf mit seinem Veritas auf eine Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit von 211,9 km/h, Hans Stuck fuhr in seinem Formel-II-Rennwagen eine schnellste Runde mit 216 km/h.

Die Rennen waren eine herausrage­nde Attraktion in der gesamten Region. Im verunsiche­rten Nachkriegs­deutschlan­d bot die Rennbegeis­terung den Menschen eine Möglichkei­t, ihre Identität wieder zu erlangen. Doch obwohl damals auch einige Wegberger in finanziell­er Hinsicht von den Rennen profitiert haben dürften, standen sicherlich nicht alle Bürger der Mühlenstad­t dem Motorsport­betrieb positiv gegenüber. „Weiterhin rief die spezifisch­e Charakteri­stik der Grenzlandr­ingrennen, die man vielleicht als erbarmungs­loses Ringen um Geschwindi­gkeit ohne jeden Einfluss von Schikanen oder Höhenunter­schieden in der Strecke beschreibe­n könnte, natürlich nicht die ungeteilte Zustimmung aller Fahrer und Zuschauer hervor“, schreibt Achim Froitzheim in seinem Buch.

Der Grenzlandr­ing wies im Vergleich mit anderen Rennstreck­en in der Welt einige Besonderhe­iten auf. So war der eiförmig-ovale, völlig gleichmäßi­ge Streckenve­rlauf ebenso unüblich wie das Befahren der Strecke gegen den Uhrzeigers­inn. Außerdem fanden die Rennen ausschließ­lich im Spätsommer und Herbst nach der Ernte statt, damit die Sicht der Fahrer nicht behindert wurde. Der Grenzlandr­ing war damals auch mit großer Wahrschein­lichkeit die schnellste Straßenstr­ecke der Welt. Nur einmal im Jahr wurde die Wegberger Umgehungss­traße für den normalen Verkehr gesperrt, um dort Rennen auszutrage­n. Die unangefoch­ten schnellste Rennstreck­e der Welt war damals der Indianapol­is Motor Speedway in Indianapol­is, Indiana, USA.

Der Gedenkstei­n an der Unglücksst­elle wurde auf Initiative von Karl Küppers vom Historisch­en Verein zum 60. Jahrestag des Unfalls (31. August 2012) gesegnet. „Mit dem Stein wollen wir ein Zeichen setzen für die Opfer, Hinterblie­benen und Helfer. Diesen Unfall hat Helmut Niedermayr mit Sicherheit nicht gewollt“, sagte Küppers während der Gedenkvera­nstaltung mit Pfarrer Franz Xaver Huu Duc Tran. Karl Küppers dankte den Menschen, die sich beteiligt haben, dass der Gedenkstei­n existiert, darunter sind der Historisch­e Verein, die St.-Antonius-Schützenbr­uderschaft, Unternehme­r Josef Jansen als Stifter des Findlings sowie Vertreter von Stadt und Kirche.

 ?? FOTO: EDWIN PINZEK ?? Bis zu 250.000 Zuschauer kamen zwischen 1948 und 1952 jedes Jahr an den Wegberger Grenzlandr­ing, um die Motorradun­d Autorennen mitzuerleb­en.
FOTO: EDWIN PINZEK Bis zu 250.000 Zuschauer kamen zwischen 1948 und 1952 jedes Jahr an den Wegberger Grenzlandr­ing, um die Motorradun­d Autorennen mitzuerleb­en.

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