Auftakt zur Sommermusik mit großen Gefühlen
Der Schweizer Soulstar Seven und Flo Mega sowie einen Tag später Wingenfelder und Nik Kershaw eröffneten die Sommermusik.
RHEYDT Am Anfang war Gefühl. Seven steht für Soul, doch nicht nur. Das war geklärt, als der Gast aus der Schweiz am Freitagabend beim Auftakt seiner Show zur Sommermusik Schloss Rheydt einen sanften Song wählte – begleitet von E-Piano und Cello. Zuvor hatte sein Support Flo Mega & The KBCs das zündende Warm-up geliefert, während die Besucher den Schlosshof fluteten. Mit zunehmender Dunkelheit entfaltete sich die grandiose Magie des angestrahlten Ensembles. „Alles ist perfekt. Schirme brauchen wir nicht“, kommentierte Cheforganisator Günter vom Dorp das Szenario in lauer Sommernacht. Schirmherr Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners lobte die Programmvielfalt zur 13. Auflage der Sommermusik. Er bekannte, dass Soul „genau sein Ding“sei.
Zu Sevens Auftritt brandete begeisterter Applaus auf. Der Sänger gab sich im leisen Song zunächst versonnen. Für seine Fans war der Auftakt das Zeichen zum Runterkommen, Ankommen und schlichten Zuhören. Dann aber nahm die Band Aufstellung, Schlagzeug und Percussion gaben die Kehrtwende vor zu markanten Beats und pulsierenden Rhythmen. „Wir kennen uns doch“, rief Seven in Anspielung auf seinen Auftritt vor zwei Jahren am Schloss. Ein Zeichen von ihm genügte, und die Fans hoben die Hände über die Köpfe, um im Rhythmus mitzugehen.
Seven jonglierte mit dem Nachhall und der Stimme, wechselte von hohen zu tieferen, markigen Lagen. Er spielte mit Klangfarben, rhythmischen Varianten und Wiederholungen wie auch mit dem Mikrofon. Hier und da mischte er einen Hauch Understatement und Lässigkeit hinein. Dann wieder gab er Gas, rockte den Schlosshof zu Rhythmen, die mit dem Herzschlag gingen. Wiederholt betonte Seven im auch körperlich bewegten Auftritt die Ausstrahlung seiner Band, ließ den Instrumentalisten Zeit für Soli, die er über Nähe und Gesten anfeuerte. Zwischendurch plauderte der Soulstar über die Lust an musikalischen Experimenten mit eigenen Songs und Coverbeiträgen prominenter Vorbilder sowie von Liedern, die einfach passieren. Beim neuen Song wurde der 40-Jährige beinahe zum Jungen, der etwas Neues wagt und doch um die Gewissheit weiß, ins Herz zu treffen. Er sei seit zehn Jahren verheiratet. Anstatt beim Antrag vor seiner Frau niederzuknien, habe er ihr ein Lied geschrieben, verriet der Sänger. Auch der Song war zu hören – gefühlvoll, richtig schön zum Träumen. Zum Schluss versprach er, wiederzukommen.
Beim Doppelkonzert der Band Wingenfelder und dem Rockstar der 1980er Jahre, Nik Kershaw, erwartete die Rheydter dann am Samstag ein Abend mit Musik von Rocklegenden. Das deutschsprachige Pop-Duo Wingenfelder startete den Abend überpünktlich. Hinter dem Namen stehen die Brüder Kai und Thorsten Wingenfelder, die die Band 2010 gründeten, nachdem sich zwei Jahre davor ihre inzwischen wieder formierte Rockband „Fury in the Slaughterhouse“aufgelöst hatte. Beide sind sowohl Sänger als auch Songschreiber und Gitarristen. Unterstützt werden sie von vier weiteren Musikern. Die Band gab musikalische Einblicke in ihr neues Album „Sieben Himmel hoch“mit dem Song „Mitten im Leben“. Zum lauen Sommerabend mit Leichtigkeit passend spielten sie das 2017 in Schweden entstandene Lied „Irgendwo ist immer Sommer“. Ihr zweites Album „Besser zu zweit“rissen sie mit dem Song „Revolution“an: „Wir haben nichts zu verlieren“, heißt es da im Text.
Die Band weckt mit ihrer Musik Emotionen, erreicht die Menschen und versteht es, zusätzlich mit ihren deutschen Texten Geschichten zu erzählen. Damit verlassen sie die Ebene der reinen Unterhaltung und transportieren Botschaften. „Mit einer kleinen Geschichte ohne Zeigefinger“, wie es Wingenfelder formulierte, erzählten sie von einem syrischen Brüderpaar, das sich aus dem Kriegsgebiet mit seinen Bedrohungen auf den Weg macht, dorthin wo David Bowie Musik gemacht hat. „Lass uns weitergehen bis nach Berlin“, heißt es im Text des Songs „Vom suchen und finden“.
Mit den Songs „Time to wonder“und „Every generation“ließ die Band schließlich Fury in the Slaughterhouse wiederaufleben. Mit der anerkennenden Überleitung „zu einem Konzert mit dem Held meiner Jugend“, wie Kai Wingenfelder es beschrieb, verabschiedeten sich die Brüder mit Band und gaben die Bühne frei für Nik Kershaw.
Der kleine britische Rockstar mit der großen Stimme betrat unter dem Jubel des Publikums die Bühne. Mit weißem Haar und dunkler Sonnenbrille entlockte er seiner Gitarre bekannte Hymnen der 1980er. Das unvergessene „The Riddle“erklang in dem mittlerweile nächtlichen Schlosshof, der von Lichteffekten beleuchtet wurde. Seine Erfolge „Won’t let the sun go down on me“ebenso wie „Wouldn’t it be good“ließ der Star mit seinen Musikern wieder aufleben und ging mit seinen neueren Werken zum Progressive Rock über.
Damit war der Abend voll gepackt mit Erinnerungen, ungewöhnlichen Geschichten und unvergesslichen Eindrücken.