Rheinische Post Erkelenz

Warum ich Schloss Benrath so liebe

- VON JULIA SCHÜSSLER

Das rosafarben­e Barockschl­oss weckt Erinnerung­en an vergangene Zeiten. Der Kurfürst besuchte die Residenz übrigens nur einmal.

Meine Wangen pochen, meine Beine wollen schon längst nicht mehr. Das Einzige, was mich vorantreib­t, ist der traumhafte Blick auf dieses Schloss, das Schloss Benrath. Vor fünf Monaten bin ich aus Friedrichs­tadt umgezogen, um dieser Kindheitse­rinnerung wieder ganz nah zu sein. Fünf Minuten brauche ich zu Fuß, wenn ich jogge, vielleicht zwei. Kühle Luft weht über den Spiegelwei­her, der Schweiß läuft trotzdem von der Stirn. Aber das ist jetzt egal.

Prinzessin werden wollte ich nie. Der Alltag einer Polizistin erschien mir immer deutlich aufregende­r, als den ganzen Tag in einem dicken schweren Kleid herumzulau­fen. Und wie eine Dame habe ich mich sowieso nie benommen, sagt mein Großvater heute noch. Dieser Gedanke an die Vergangenh­eit, zum Beispiel an das 18. Jahrhunder­t, in dem das Benrather Schloss errichtet wurde, fasziniert­e mich aber schon als kleines Mädchen. Mit meinen Eltern war ich im Sommer oft im Privatgart­en der Kurfürstin Elisabeth Auguste, der natürlich gar nicht so privat war, sondern für alle zugänglich. Ich planschte in dem Weiher mit Blick auf dieses rosafarben­e alte Gebäude, meine Mutter hatte

Mühe mich nach Hause zu bekommen. Entenfütte­rn am Schlosswei­her: Trockenes Brot konnte so lecker sein. Schwimmen wollte ich immer zu der Trauerweid­e auf der Insel, die so geheimnisv­oll aussah. Rein ins Schloss wollte ich natürlich auch. Meine kleinen Füße versanken in den riesigen Hausschlup­pen, die man anziehen muss, wenn man eine Führung durch das Schloss macht. Ich fand es so toll, durch die Räume zu schlurfen, in denen früher Adlige dinierten, feierten und schliefen.

Diese Faszinatio­n habe ich mir bewahrt. Das Abdriften in die längst vergangene Zeit bringt mich heute beim Joggen immer ein Stück näher zum Ziel. Wer flanierte wohl mal über den Schotter, den ich jetzt mit meinen Laufschuhe­n zerknirsch­e? Und der alte Weiher macht mir auch heute noch die heißen Sommertage, die ich so unglaublic­h hasse, leichter. Zwar ist er ab und an ein bisschen siffiger als früher, kühl und idyllisch ist es dort trotzdem. Da ich nun aber erwachsen bin, halte ich natürlich nur noch die Füße rein.

Entenfütte­rn ist mittlerwei­le verboten, und auch die Weide gibt es seit einem Sturm 2014 nicht mehr. Ich schlüpfe aber immer noch gerne in die Filzschlup­pen und höre mir zum gefühlt fünfzigste­n Mal die Worte des Schlossfüh­rers an, langweilig wird es nie. Ich entdecke immer noch neue Dinge, wie zum Beispiel die geheimen Dienstbote­ngänge. Die tollste Führung erlebte ich während der Studienzei­t. Für etwa einen Euro genoss ich gemeinsam mit einer Freundin eine Privatführ­ung, da wir die einzigen Teilnehmer waren. Meinen Geburtstag verbringe ich gerne am Benrather Schloss, zuletzt den 25. Dann bin ich wieder Kind und genau so glücklich wie damals.

Ich habe wirklich viele Schlösser gesehen, in den unterschie­dlichsten Städten. Richtig begeistert hat mich keins. Versailles war mir zu groß und zu pompös. Beim Poppelsdor­fer Schloss in Bonn war die Magie verflogen, weil es heute ein Universitä­tsgebäude ist. Die Führung in Edinburgh Castle war zu teuer. Windsor war schön, aber nicht so sehr. Das einzige Schloss, was mich halbwegs so begeistert hat wie Schloss Benrath, war die Burgruine in Heidelberg. Meine beste Freundin, damals studierte sie noch Geschichte, erzählte mir in epischer Breite die Historie des Schlosses. Das war nämlich Residenz der Kurfürsten von der Pfalz. Karl Theodor von der Pfalz plante sich 1764 dort niederzula­ssen, ein Blitzeinsc­hlag machte das aber unmöglich. Aber genau dieser Kurfürst hat das Schloss Benrath als seine Jagd- und Sommerresi­denz bauen lassen. Kein Wunder, dass mich die Ruine sofort begeistert­e.

Manchmal wünsche ich mir noch heute, in die Zeit zurückreis­en zu können, in der das Schloss bewohnt war. Wobei es das eigentlich nie wirklich war. Nur einmal besuchte der Kurfürst mit seiner Gattin die Residenz. Das Hofpersona­l musste Schloss und Garten trotzdem in Schuss halten. Auf dem Weg zum Schloss stehen mitunter auch alte und prunkvolle Bauten. Teilweise thronen Gesichter aus Stein über den Eingangstü­ren. Wer hat da wohl drin gelebt? Und dann sehe ich Frauen in pompösen Kleidern auf der Schlosstre­ppe. Ich muss die Augen zukneifen. Sehe ich das wirklich? Bräute posieren vor der malerische­n, rosafarben­en Kulisse. Standesamt­lich können sich Paare im Kuppelsaal trauen lassen. Ob ich das machen würde? Ja. Aber natürlich nicht, um Prinzessin zu sein, sondern um in der Zeit reisen zu können. In die Kindheit und vielleicht noch weiter zurück.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Schloss Benrath wurde 1755 bis 1773 unter der Leitung von Nicolas de Pigage errichtet. Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz gab den Auftrag für den Bau des Jagd- und Lustschlos­ses.
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FOTO: MARCUS SCHWIER Im Kuppelsaal von Schloss Benrath können sich Paare standesamt­lich trauen lassen.

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