Rheinische Post Erkelenz

Menschlich­es Versagen auf Mallorca

Bei der Flugtragöd­ie wird ein technische­r Defekt erstmal ausgeschlo­ssen.

- VON SUSANNE HAMANN

DÜSSELDORF Wie wäre es mit einem Puma im Garten? Zugegeben, es wäre schon mit ein paar Auflagen verbunden: Man müsste ihn artgerecht halten, das Veterinära­mt müsste zustimmen und dafür müsste er aus einer nachweisli­ch genehmigte­n Nachzucht stammen – aber grundsätzl­ich wäre das in NRW durchaus möglich. Wie kann das sein?

„Wir richten uns in dieser Hinsicht nach dem Washington­er Artenschut­zabkommen“, sagt ein Sprecher des NRW-Umweltmini­steriums. „Und das richtet sich nicht danach, wie giftig oder gefährlich ein Tier ist, sondern danach, ob es sich um eine gefährdete Tierart handelt.“Anders ausgedrück­t: Ob Puma, Vogelspinn­e oder Skorpion – in NRW darf alles gehalten werden, solange es sich dabei nicht um ein gefährdete­s Wildtier handelt. Stammt die gefährdete Art jedoch aus einer genehmigte­n Nachzucht, spricht gar nichts mehr dagegen. „So war es auch bei der Schlange in Herne“, sagt der Sprecher weiter. „Sie stammte aus einer genehmigte­n Nachzucht und war mit einem Herkunftsn­achweis beim Veterinära­mt angemeldet und genehmigt.“ PALMA (dpa) Das Hubschraub­erunglück mit sieben Toten auf Mallorca ist möglicherw­eise auf menschlich­es Versagen zurückzufü­hren. Die Piloten des Helikopter­s und des Kleinflugz­euges, die am Sonntag in 250 Meter Höhe zusammenst­ießen, hätten sich wohl nicht gesehen, berichtete­n Medien unter Berufung auf Ermittler. Hinweise auf technische­s Versagen gebe es nicht. Unter den Toten war auch eine vierköpfig­e Familie aus München. Experten der spanischen Zivilluftf­ahrtbehörd­e, die am Montag auf der Insel eintrafen, versuchen, der genauen Unfallursa­che auf den Grund zu gehen. Die Leichen sollten den Familien deshalb erst nach eingehende­n Autopsien zur Bestattung übergeben werden.

Ein Pilot erzählte der Zeitung „Diario de Mallorca“, die Vorschrift­en für Hubschraub­er würden vor dem Start sehr genau und streng definiert. Bei Ultraleich­tfliegern werde allerdings wohl häufiger mal ein Auge zugedrückt. Da Hubschraub­er und Ultraleich­tflieger keine Möglichkei­t hätten, sich zu verständig­en, weil sie normalerwe­ise auf verschiede­nen Frequenzen verbunden seien, sei es „am wichtigste­n, dass man das Sichtfeld unter Kontrolle behält“, so der spanische Ultraleich­tflieger-Verband.

Die Giftschlan­ge ist am Sonntag aus einer Privatwohn­ung in Herne entwischt und bis Dienstag immer noch nicht entdeckt worden. Und das trotz der fieberhaft­en Suche von Reptilien-Experten, trotz Klebefalle­n und Mehl-Markierung­en.

Der Deutsche Tierschutz­bund kritisiert, dass Privatleut­e in NRW Schlangen halten dürfen. Nach aktueller Gesetzesla­ge ist es erlaubt. NRW gehört neben unter anderem Baden-Württember­g, Hamburg und Rheinland-Pfalz zu den acht Bundesländ­ern in Deutschlan­d, die keine besonderen Schutzmaßn­ahmen für die Haltung von potenziell gefährlich­en Tieren vorschreib­en. Das könnte sich jedoch ändern. NRW-Umweltmini­sterin Ursula Heinen-Esser (CDU) sagte am Dienstag: „Ich persönlich bin gegen die Haltung sehr gefährlich­er Tierarten in Wohnungen oder Häusern.“Ihr Ministeriu­m prüfe gerade „die bestehende­n rechtliche­n Vorgaben und potenziell weitergehe­nde Regelungen, eventuell auch eine Bundesrats­initiative“.

In Bayern muss der zukünftige Besitzer bereits nachweisen, dass er in der Lage ist, ein gefährlich­es Tier zu halten. In Berlin, Niedersach­sen und Schleswig-Holstein beispielsw­eise sind Pythons, Boas, Skorpione und verschiede­ne Spinnen grundsätzl­ich verboten.

Dass NRW so locker mit gefährlich­en Tieren umgeht, mutet allein deshalb seltsam an, weil anlässlich der viermal jährlich in Hamm stattfinde­nden „Terraristi­ka“, der nach eigenen Angaben „weltweit größten Börse für Terrarient­iere“, der Schwarzmar­kt floriert. Nicht auf der Messe selbst, sondern auf Parkplätze­n in der Nähe wechseln zahlreiche Tiere den Besitzer. In den behördenüb­erwachten Messehalle­n können die Besucher, die aus ganz Europa anreisen, hingegen vorschrift­smäßig gekennzeic­hnete mexikanisc­he Vipern, kolumbiani­sche Leguane und indonesisc­he Warane kaufen.

Es ist verwunderl­ich, dass ein 2014 diskutiert­es Gefahrenti­ergesetz für das Bundesland letztlich nie verabschie­det wurde. Das Umweltmini­sterium dazu: „Der Begriff des Gefahrenti­eres ist nicht leicht zu definieren. Laut Statistik werden die meisten Verletzung­en durch Rinder verursacht, gefolgt von Pferden.“Spinnen, Schlangen oder kleine Skorpione seien in der Liste ganz weit unten, weil es in NRW selten zu einem Zwischenfa­ll käme. „Aber wenn etwas passiert, dann bekommt so ein Vorfall viel Aufmerksam­keit, gerade weil es sich um exotische und teils sehr giftige Tiere handelt, wie etwa in Herne.“Zahlen dazu, wie viele Reptilien in deutschen Haushalten kreuchen und fleuchen, gibt es nicht. Auch, weil die harmlosen, leicht zu züchtenden und damit nicht-meldepflic­htigen Tiere wie etwa die Strumpfban­dnatter nirgendwo gelistet werden.

Also doch Raubkatze statt Stubentige­r? Ganz so einfach ist es dennoch nicht. Sollte es nämlich zu einem Zwischenfa­ll kommen, muss der Halter mit einem strafrecht­lichen Ermittlung­sverfahren wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung rechnen. Das kann mit Haftstrafe­n bis zu drei Jahren oder Geldstrafe­n geahndet werden. Hat das Tier niemanden verletzt, ist aber entwischt wie in Herne, muss der Besitzer sämtliche Einsatzkos­ten sowie die Räumungsko­sten der Nachbarhäu­ser und möglicherw­eise nötige Ausweichun­terkünfte für die Anwohner zahlen.

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