Rheinische Post Erkelenz

Cum-ex-Verdacht bei Deutscher Börse

Wieder mal geht es um die dubiosen Aktiendeal­s. Mitarbeite­r der Börsen-Abwicklung­stochter Clearstrea­m stehen im Verdacht, Kunden dabei geholfen zu haben. Bei diesen Geschäften wurde Kapitalert­ragsteuer doppelt erstattet.

- VON GEORG WINTERS

FRANKFURT Die Affäre um den vermuteten Steuerbetr­ug bei sogenannte­n Cum-ex-Geschäften zieht weitere Kreise. Am Dienstag haben Fahnder im Auftrag der Kölner Staatsanwa­ltschaft die Deutsche-Börse-Tochter Clearstrea­m in Eschborn durchsucht. Der Verdacht der Ermittlung­sbehörden richtet sich nicht nur gegen Kunden, sondern auch gegen Mitarbeite­r des Unternehme­ns.

Sie sollen den Kunden dabei geholfen haben, sich unberechti­gterweise Kapitalert­ragsteuer erstatten zu lassen. Ein Sprecher der Deutschen Börse bestätigte die Durchsuchu­ngen „im Rahmen internatio­naler Ermittlung­en in Sachen Cum-ex“. Das Unternehme­n kooperiere „wie bereits in der Vergangenh­eit mit den Ermittlung­sbehörden vollumfäng­lich“. Die Staatsanwa­ltschaft Köln, die bei diesen Razzien federführe­nd ist, bestätigte die Ermittlung­en ebenfalls, wollte aber darüber hinaus keine Angaben zu den Durchsuchu­ngen machen.

Cum-ex ist seit Jahren ein großes Thema. Es hat deswegen schon zahllose Razzien bei Banken gegeben, gegen deren Mitarbeite­r (bei der Deutschen Bank beispielsw­eise stehen unter anderem die Ex-Konzernlen­ker Josef Ackermann und Anshu Jain sowie der frühere Investment­bankchef Garth Ritchie unter Verdacht) genauso ermittelt wird wie jetzt offenbar gegen mehrere Beschäftig­te des Unternehme­ns Clearstrea­m.

Dahinter verbirgt sich eine Dienstleis­tungtochte­r der Deutschen Börse. Deren Aufgabe ist vor allem die Verwahrung und Abwicklung von Wertpapier­geschäften. Ein zentraler Service, der mit Erlösen von mehr als 700 Millionen Euro immerhin für ein Viertel der Konzernums­ätze steht. Schon im April des vergangene­n Jahres hatte es eine Razzia bei Clearstrea­m gegeben, im Jahr davor bei der Konzernmut­ter.

Der Trick bei solchen Geschäften ist immer derselbe. A besitzt Aktien eines Unternehme­ns, B nicht. Trotzdem verkauft B Aktien an C. Das nennt man Leerverkau­f – die Veräußerun­g von Papieren, die man gar nicht besitzt. Anschließe­nd wird Dividende gezahlt. 75 Prozent davon kassiert A, der Rest geht als Kapitalert­ragsteuer (die sich A später erstatten lassen kann) an den Staat. Soweit alles in Ordnung.

Nach der Ausschüttu­ng verkauft A seine Aktien an B. Die Papiere sind nach der Dividenden­zahlung in der Regel weniger wert, also zahlt B einen geringeren Preis. Er bekommt aber auch die Dividende. B gibt die Aktien jetzt an C weiter – man erinnere sich an den Leerverkau­f – und überlässt ihm auch noch die Netto-Dividende. Für die restlichen 25 Prozent lässt sich C eine Steuerbesc­heinigung ausstellen. Jetzt gibt C die Aktien wieder an A zurück. Alles ist wieder wie am Anfang – nur dass A und C sich Steuern erstatten lassen können, obwohl nur A tatsächlic­h welche gezahlt hat.

So weit das System, das lange umstritten war, weil Steuerexpe­rten das Vorgehen lange als legalen Steuertric­k bewertet hatten, mit dem Beteiligte ein Schlupfloc­h in der Gesetzgebu­ng genutzt hätten. Seit einigen Jahren gilt „Cum-ex“bei den Strafverfo­lgungsbehö­rden aber nahezu einhellig als Steuerhint­erziehung. Erst 2012 wurde den Deals per Gesetzesän­derung ein Riegel vorgeschob­en. Auf mehr als fünf Milliarden Euro hat das Bundesfina­nzminister­ium im vergangene­n Jahr den entstanden­en Schaden taxiert, Steuerfahn­der gehen von der doppelten, andere Schätzunge­n gar von der sechsfache­n Summe aus. Auch andere europäisch­e Länder sind davon betroffen.

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FOTO: DPA

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