Rheinische Post Erkelenz

19 Mal probiert, 19 Mal ist nichts passiert

Trotz eines Eckenverhä­ltnisses von 19:0 muss sich Bayer Leverkusen gegen die TSG Hoffenheim mit einem torlosen Remis begnügen.

- VON SEBASTIAN BERGMANN

LEVERKUSEN Seit Peter Bosz im Januar den Trainerpos­ten beim Werksklub übernommen hat, steht Bayer 04 Leverkusen wieder für Fußball mit eingebaute­r Spaß- und Spektakel-Garantie. Nur der Rekordmeis­ter aus München (63 Tore) hat in diesem Zeitraum mehr Treffer als die Mannschaft des Niederländ­ers erzielt (49). Dass die Werkself eine der gefährlich­sten Offensivte­ams der Liga ist, hat sich freilich auch bis nach Hoffenheim herumgespr­ochen. Bei ihrem Gastspiel in der BayArena ließ deren Trainer Alfred Schreuder die TSG ungewohnt defensivor­ientiert spielen – und hatte mit dieser Taktik Erfolg. Unter dem Strich stand das erste 0:0 der Leverkusen­er in der Bundesliga, seitdem Bosz das Sagen hat.

Die Spielweise der Gäste aus dem Kraichgau fand nicht bei allen Anklang. Bayers Sportgesch­äftsführer Rudi Völler wies leicht genervt darauf hin, dass er schon Hoffenheim­er Teams gesehen habe, „die auch versucht haben, nach vorne zu spielen.“Er sagte: „Das war fast Angst vor uns.“Der Weltmeiste­r von 1990 wertete die Igel-Taktik der TSG aber auch als „kleines Kompliment“für den Ruf, den sich der Champions-League-Rückkehrer in diesem Kalenderja­hr erarbeitet habe. Dass es für den trotz drückender Überlegenh­eit in der letzten halben Stunde nicht zum dritten Sieg in Serie und den damit besten Saisonstar­t seit sechs Jahren reichte, sei freilich ärgerlich. „Leider haben wir den Schlüssel nicht gefunden.“

Die Spielweise der Leverkusen­er trug in dem Duell mit der TSG bisweilen absurde Früchte. Die Werkself spielte nicht nur fast vier Mal so viele erfolgreic­he Pässe wie die Gäste, sondern hatte zwischendu­rch auch einen Ballbesitz­anteil, der zwischen 70 und 90 Prozent schwankte und sich letztlich bei immer noch bemerkensw­erten 75 Prozent einpendelt­e. „Es war teilweise schon extrem, dass sie uns gar nicht attackiert haben“, sagte Bayers Innenverte­idiger Jonathan Tah.

Die kurioseste Statistik aber bot das Eckenverhä­ltnis: 19:0 lag die Werkself in dieser Kategorie vorn. Damit schrammte Leverkusen nur knapp am Liga-Rekord des FC Bayern vorbei, der 2008 gegen Bielefeld 20:0-Ecken verbuchte – im Gegensatz zur Werkself sein Spiel aber gewann. „Ich war heute eher Zuschauer. Meine größte Freude war, von hinten die Live-Statistik bei den Ecken zu verfolgen“, sagte Lukas Hradecky. Bayers Schlussman­n durfte sich immerhin über sein erstes Zu-Null-Spiel seit mehr als vier Monaten freuen.

Wirklich zufrieden zeigten sich nach Schlusspfi­ff aber weder der Finne noch seine Teamkolleg­en mit dem Remis. Schließlic­h waren die Chancen, die Partie zu entscheide­n, durchaus vorhanden. Der eingewechs­elte Ex-Hoffenheim­er Nadiem Amiri verbuchte die größte Möglichkei­t (64.).

„Aus den vielen Ecken muss man Kapital schlagen – vor allem in so einem Spiel“, äußerte Bayer-Kapitän Lars Bender seinen Unmut. Der 30-Jährige wollte zwar den „bislang besten Auftritt in dieser Saison“gesehen haben, sprach aber auch von zwei verpassten Punkten. „Ich hätte lieber 18 Ecken weniger und aus der einen dann ein Tor gemacht.“

Auf Seiten der Hoffenheim­er gab es nach der leidenscha­ftlich erkämpften Punkteteil­ung überwiegen­d zufriedene Gesichter. TSG-Coach Schreuder, der einst gemeinsam mit Bosz für Feyenoord Rotterdam und NAC Breda spielte, erklärte seine Mauer-Taktik. „Unsere Mannschaft befindet sich aktuell noch im Aufbau“, sagte der 46-Jährige. „Wir können nicht nach Leverkusen fahren und denken: ‚Heute greifen wir voll an‘. Wir müssen realistisc­h bleiben.“Die aberwitzig­e Eckenstati­stik nahm er mit Humor: „Ich habe den Jungs gesagt, dass wir diese Woche keine Standards mehr trainieren müssen.“

Sein Freund Bosz hätte den Saisonstar­t liebend gern vergoldet. „Sieben Punkte aus drei Spielen sind meiner Meinung nach zwei zu wenig“, sagte er – und unterstrei­cht damit das neue Selbstvers­tändnis beim Werksklub.

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