Rheinische Post Erkelenz

Alle werden Brüder beim Stadtschüt­zenfest

- VON ANDREAS GRUHN UND HOLGER HINTZEN

30.000 Besucher und mehr als 2500 Schützen feiern den neuen Bezirkskön­ig Jens Rupp – drei fröhliche Tage an der Sonne.

MÖNCHENGLA­DBACH Als Jens Rupp sich in seiner Kutsche erhob, brach die Freude aus ihm heraus. Der 50-Jährige riss die Arme in den Himmel, ballte sie zu Siegerfäus­ten und genoss die Momente vor, während und nach der Parade zum Stadtschüt­zenfest, die er wohl nie vergessen wird: Jens Rupp ist neuer Bezirkskön­ig und feierte dies mit angemessen­er Euphorie, die er nur unterbrach, um sich gelegentli­ch eine Träne aus dem Auge zu wischen. „Ich bin einfach nur glücklich. Das wird ein tolles Jahr“, sagte der König der St. Vitus-Laurentius Bruderscha­ft Stadtmitte.

Am Samstag hatte er sich beim Vogelschus­s mit dem 156. Schuss zum

„Alle Menschen werden Brüder“

Liedzeile aus der Europa-Hymne und Aufschrift des Kranzes, den die Schützen am Sonntag im Münster niederlegt­en

König gemacht. Unter sengender Sonne auf dem Sonnenhaus­platz vor dem Minto fegte der aus Erfurt stammende Fernfahrer den da schon arg angeschoss­enen Holzvogel von der Stange. Mit Rupp waren weitere sieben Bewerber angetreten, um Nachfolger von Walter Dunkel als Bezirkskön­ig zu werden. Es hätte aber auch eine Nachfolger­in werden können, denn unter den Kandidaten war auch Barbara Kremer von der St. Margareten Bruderscha­ft Hockstein. Sie wird Rupp als Ministerin zur Seite stehen. Minister ist Michael Verbocket von der St. Josef Bruderscha­ft Mönchengla­dbach Stadt - Westend. Wie es ist, Bezirksmaj­estät zu sein, weiß Barbara Kremer allerdings schon. Ihr Mann Michael war 2014 „König der Könige“im Bezirk, und an seiner Seite hat sie den Trubel schon erlebt, den Jens Rupp während der nächsten zwölf Monate erwartet.

An Rupps Seite wird während seiner Regentscha­ft seine zukünftige Ehefrau Iris Nientiedt stehen. Von ihrer künftigen Rolle erfuhr sie vom König höchstpers­önlich via Handy. Ihre Reaktion: „Hurrah!“Bezirksbun­desmeister Horst Thoren sagte beim Empfang im Rathaus über die neue Majestät: „Er ist Fernfahrer, aber wird jetzt erstmal alle Bruderscha­ften in Mönchengla­dbach ansteuern.“Am Sonntag wurden Jens Rupp, Barbara Kremer und Michael Verbocket im Münster in einer festlichen Messe vom Roermonder Weihbischo­f Everardus de Jong als neue Majestäten und Minister gekrönt.

Die Schützen feierten über drei Tage ein fröhliches Fest in der Gladbacher Innenstadt. Rund 30.000 Besucher waren beim Umzug und der Parade in der City. Genau 2525 Schützen aus 33 Bruderscha­ften und Musiker aus zwölf Kapellen marschiert­en und musizierte­n – angeführt von der Prominente­n-Truppe mit historisch­en Kostümen: Kaiserin Sissi (Barbara Gersmann) mit Kaiser Franz Joseph (Norbert Bude) ritten über die gut besuchte Hindenburg­straße vorbei an den zahlreiche­n Ehrengäste­n und Königen aus den Bruderscha­ften, bevor die neue Bezirksmaj­estät die Parade abnahm. Auch auf dem Sonnenhaus­platz war am Sonntagabe­nd nach Ende des verkaufsof­fenen Sonntags noch beste Stimmung.

Aber die Bruderscha­fter mahnten auch in Gedenken an den Überfall Nazi-Deutschlan­ds auf Polen und den damit verbundene­n Kriegsausb­ruch am Sonntag vor genau 80 Jahren, indem sie im Münster bei der Messe einen Kranz niederlegt­en. Der trug als Aufschrift eine passende Zeile aus der Europahymn­e: „Alle Menschen werden Brüder.“„Man kann sich fragen, ob man an einem solchen Jahrestag feiern kann“, sagte Bezirksbun­desmeister Horst Thoren in seiner Ansprache. „Wir sagen ja, weil wir ein Fest des Friedens und der europäisch­en Verbundenh­eit feiern und der Opfer gedenken.“Vor wenigen Wochen erst hatten auch Schützenbr­üder im polnischen Krakau die Gladbacher dazu ermuntert, das Fest an diesem Tag zu begehen, sich zu erinnern und zur europäisch­en Idee zu bekennen. „Bei Europa geht es nicht um die wirtschaft­liche Komponente“, sagte Thoren. „Sondern Europa sichert den Frieden.“Das unterstric­h auch Oberbürger­meister Hans Wilhelm Reiners: „Die Gemeinscha­ft der Schützen ist ganz wichtig in einer Zeit, in der viele das ,Ich’ obenan stellen.“Reiners und Thoren zeichneten passenderw­eise auch das Europa-Königspaar Leo und Irma Niessen von der Gilde Sint Martinus Linne (Niederland­e) mit einem Orden aus.

Dass die Schützen auch besonders fortschrit­tlich unterwegs sind, und zwar buchstäbli­ch, zeigten sie vor der Parade am Sonntagnac­hmittag auf der „bekanntest­en Buckelpist­e der Stadt“( Thoren), nämlich auf der Hindenburg­straße mit ihrem arg ramponiert­en Pflaster. Sie schickten SPD-Politiker Felix Heinrichs und Rechtsanwa­lt Felix Backes auf E-Scootern über das Pflaster, die diese Aufgabe sicher meisterten. Heinrichs’ Einschätzu­ng: „Man muss sich daran gewöhnen und sehr gut aufpassen, aber nach zwei Minuten hat man den Dreh raus.“In wenigen Wochen will die NEW die Elektro-Tretroller als Fortbewegu­ngsmittel für alle Gladbacher zur Verfügung stellen, und ab dem heutigen Montag werden ausgesucht­e Testfahrer die E-Scooter und die dazugehöre­nde App in der Stadt ausprobier­en und weiter entwickeln.

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FOTOS: DETLEF ILGNER So jubelt ein König: Jens Rupp, die neue Bezirksmaj­estät, ließ seiner Freude freien Lauf. Ministerin Barbara Kremer applaudier­t .
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Sissi! Franz! Ex-OB Norbert Bude und Bezirksvor­steherin Barbara Gersmann gaben das Kaiserpaar.
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Im Stechschri­tt ging es vorbei an der Tribüne auf der Hindenburg­straße.
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Hier spielt die Musik! Ohne geht’s nicht, wenn Schützen marschiere­n.
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Ein Lenker rollte vorbei: SPD-Fraktionsc­hef Felix Heinrichs im Frack.

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