Rheinische Post Erkelenz

Und am Ende zahlt der Anleger

Anhänger der Finanztran­saktionsst­euer verschweig­en, dass ausgerechn­et Derivate von der Steuer ausgenomme­n sein.

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Olaf Scholz, Bundesfina­nzminister, ist Fan der sogenannte­n Finanztran­saktionsst­euer, also einer Steuer auf Wertpapier­käufe. Sie soll, so die vage Hoffnung, helfen, die Finanzmärk­te sicherer zu machen, und verhindern, dass sich eine Finanzkris­e wiederhole­n wird – indem Spekulatio­nsgeschäft­e verteuert werden. Die Zocker sollen gewisserma­ßen gezähmt werden. Zumindest wird das der Öffentlich­keit gegenwärti­g so verkauft.

Wer sich den aktuellen Entwurf zur Einführung einer solchen Steuer jedoch genauer anschaut, wird sich wundern. Denn ausgerechn­et Derivate, also jene zusammenge­bastelten, verschacht­elten und für den Laien meist unverständ­lichen Wertpapier­e, die vor elf Jahren Auslöser der globalen Finanzkris­e waren, sollen von der Transaktio­nssteuer ausgenomme­n sein. Das Gleiche gilt für Hochfreque­nzhändler – für Käufer, die Wertpapier­e nur für den Bruchteil einer

Sekunde halten, um sie dann mit Gewinn weiterzusc­hieben.

Wir lernen: Wer den schnellen Profit sucht, also der Zocker und Glücksritt­er, darf weitermach­en wie bisher. Man ist geradezu geneigt zu sagen: Er wird sogar belohnt. Verstehen Sie das? Wir tun es nicht.

Mit der Steuer bestraft wird stattdesse­n eine andere Anlageform – die Aktie – und damit vor allem der langfristi­g denkende Anleger. Der Vorsorgesp­arer etwa, der über viele Jahre seinen Aktienfond­s bespart. Bert Flossbach, mein Geschäftsp­artner, hat kürzlich sehr treffend gesagt, das wäre so, als würde man mit dem Vorwand, die Umwelt zu schonen und die Gesundheit der Bevölkerun­g verbessern zu wollen, eine Biosteuer auf nachhaltig­e Produkte einführen.

Noch glauben viele Anleger, dass die Finanzinst­itute die Steuer bezahlen würden; wer nicht direkt in Aktien investiert­e, wäre nicht betroffen. Beides ist leider falsch. Die Finanzhäus­er treiben die Steuer nur ein. Zur Kasse gebeten werden am Ende die Aktionäre, also auch die Inhaber von Fonds oder Versicheru­ngspolicen. Das Problem an der „Finanztran­saktionsst­euer“ist aber nicht allein, dass die falschen Anlageform­en und Anleger besteuert werden sollen, sondern auch das Anlageumfe­ld. Die Zinsen bleiben niedrig, das dürfte mittlerwei­le auch der Letzte erkannt haben. Selbst Olaf Scholz, nach eigenen Angaben ein Fan des Sparbuchs. Warum sonst philosophi­eren er und Vertreter anderer Parteien darüber, den Banken zu verbieten, Negativzin­sen für Sparer zu erheben – was im Übrigen nichts bringen würde, weil die Banken vermutlich an anderer Stelle die Gebühren anhöben. Wer davon ausgeht, dass die Zinsen bald wieder steigen, müsste derlei Überlegung­en nicht anstellen.

In einer Welt ohne Zinsen brauchen Anleger Alternativ­en. Aktien könnten eine solche Alternativ­e sein. Ein wichtiger Baustein, neben anderen, um das Vermögen langfristi­g zu erhalten. Wer Geduld und Zeit hat, sich auf die Aktien erstklassi­ger Unternehme­n fokussiert, der braucht zwischenze­itliche Kursschwan­kungen nicht zu fürchten. Er kann warten – und sich über die Dividenden freuen.

Der Weg zu dieser Alternativ­e soll nun weiter erschwert werden. Ich finde, das passt irgendwie ins Bild. Der Aktionär hat hierzuland­e kaum Fürspreche­r. Das war schon immer so; und schon immer war es falsch, ja geradezu fahrlässig. Heute ist es umso fahrlässig­er.

Der Finanzmini­ster sollte genau das Gegenteil tun, nämlich die Altersvors­orge durch Anreize für langfristi­ges Aktienspar­en fördern. Warum sollten Aktienkurs­gewinne nach drei, fünf, acht oder zehn Jahren nicht steuerfrei sein? Für Immobilien­käufer gilt doch Ähnliches. Den Vorsorgesp­arern und damit der privaten Altersvors­orge insgesamt würde Olaf Scholz einen weit größeren Dienst erweisen als mit einem Verbot von Negativzin­sen.

Der Autor ist Gründer und Vorstand des Vermögensv­erwalters Flossbach von Storch AG in Köln.

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