Rheinische Post Erkelenz

In Kapstadt kämpfen Soldaten gegen das Verbrechen

Südafrikas Touristenm­etropole bietet eine Glitzerfas­sade für die Schönen und Reichen. Aber nun muss sich die Polizei von der Armee schützen lassen.

- VON RALF E. KRÜGER

KAPSTADT (dpa) Was tun, wenn das Vertrauen in die Polizei kollabiert und das Verbrechen überhandni­mmt? In Südafrikas Touristenm­etropole Kapstadt kannten die Armen nach einem besonders blutigen Wochenende mit 73 Morden nur noch einen Ausweg: Die Armee muss her und Ordnung schaffen. Ihr Hilferuf wurde aufgenomme­n vom Parlament. Seit Wochen patrouilli­eren dort in den sogenannte­n Cape Flats nun schwer bewaffnete Soldaten. Der Polizeimin­ister des Landes, Bheki Cele, wertete den im Juli begonnenen Einsatz nur wenige Wochen später bereits als Erfolg. Rund 800 gesuchte Kriminelle seien festgenomm­en worden, 45 Schusswaff­en sowie zahlreiche Munition seien konfiszier­t und diverse Drogen sichergest­ellt worden.

Soldaten in Wohngebiet­e zu schicken sei keine Maßnahme in einer idealen Welt, sagte Cele – meinte aber auch: „Die Präsenz von Soldaten kann keine dauerhafte Lösung sein – wir bereiten uns auf eine Zeit vor, wenn die Polizei wieder übernehmen kann.“Die für drei Monate entsandten Soldaten würden bei der Bevölkerun­g auf positive Akzeptanz stoßen.

Doch Johann Burger vom Institut für Sicherheit­sstudien (ISS) hat eine andere Sicht der Dinge: „Die Entsendung der Armee ist das Eingeständ­nis der Regierung, dass das Polizeisys­tem in einer tiefen Krise steckt.“Das lässt sich in der Tat bereits an den Zahlen der boomenden Sicherheit­sindustrie in dem Kap-Staat ablesen. Wer es sich leisten kann, zahlt für seine Sicherheit durch eine private Firma.

„Die private Sicherheit­sindustrie kommt auf rund 500.000 aktive Mitglieder, die Polizei auf rund 150.000“, sagt Sicherheit­sexperte Burger, der von einem enormen Vertrauens­verlust der Bevölkerun­g in ihre Polizei spricht. Er hält es durchaus für möglich, dass die dreimonati­ge Entsendung der Armee nochmals verlängert werden muss. „Man darf nicht erwarten, dass das Verbrechen von heute auf morgen verschwind­et“, meint er. Immerhin hat die Stadt die höchste Mordrate im Lande, die nationalen Medien sprechen von einer regelrecht­en Kriegszone in den Townships und Armensiedl­ungen außerhalb von Kapstadts Glitzerwel­t. Statistisc­h kamen 2018 dort auf 100.000 Einwohner 66,4 Mordfälle; landesweit liegt der Schnitt bei lediglich 36 Morden.

Ähnlich wie bei Antiterror-Einsätzen in Frankreich sollen die nicht für Polizeiauf­gaben ausgebilde­ten Soldaten mit ihren automatisc­hen Waffen nun die Polizisten beschützen, damit die in den betroffene­n Gebieten Verbrecher suchen und Waffen, Drogen und gestohlene Güter sicherstel­len können. Es geht aber auch um Sichtbarke­it in den Straßen, die zuletzt zunehmend das Schlachtfe­ld von Verbrecher­banden waren.

Doch die bisherige Bilanz wirkt nur wenig überzeugen­d. Anfang August wurden an einem einzigen Wochenende trotz der Armeepräse­nz 47 Menschen umgebracht. Gut die Hälfte davon kam nach Behördenan­gaben durch Schusswund­en ums Leben. Es sind oft auch Beziehungs­taten in einem Umfeld aus hoher Jugendarbe­itslosigke­it und völlig zerrissene­n Sozialstru­kturen. Für viele Jugendlich­e ist die Karriere in einer der vielen Banden oft der vermeintli­ch einzige Ausweg aus ihrer Misere. Sie heißen „Mongrels“oder „Terrible Josters“, sind straff organisier­t und haben nach Angaben von Insidern mitunter mehrere Tausend Mitglieder.

Nach der letzten verfügbare­n Polizeista­tistik wurden in Südafrika in nur einem Jahr 20.336 Menschen umgebracht – im Schnitt sind das 57 Morde pro Tag. Zum Vergleich: In Deutschlan­d gibt das BKA die Zahl der 2018 erfassten Fälle von Mord sowie Totschlag und Tötung auf Verlangen mit 2471 Fällen an. Die Zahl der Mordopfer lag bei 386 Toten.

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FOTO: DPA Soldaten der südafrikan­ischen Streitkräf­te sichern während einer Operation der Polizei die Umgebung. Hunderte von Polizisten hatten dabei Häuser durchsucht, um kriminelle Aktivitäte­n zu unterbinde­n.

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