Kirchenfenster von Richter polarisieren
THOLEY (ce/kna) Wer den Weg zur Benediktinerabtei im saarländischen Tholey einschlägt, nimmt zuerst das große Metallgerüst rund um die Abteikirche wahr. Alle 37 Fenster fehlen, die Leerstellen sind etwa mit Plastik, Pappe oder Folie provisorisch gefüllt. An der Ostseite der Kirche, an der Stelle der Chorfenster, hängen am Mittwoch für einen Tag drei große Transparente. Sie präsentieren die Entwürfe des Künstlers Gerhard Richter für drei Kirchenfenster, die zur Zeit in der Münchner Glaswerkstatt Gustav van Treeck gefertigt werden.
Die Vorlage zeigt abstrakte Muster in blau-roten und rot-gelben Tönen. Richter schenkte der Abtei die Entwürfe. Anstatt leuchtend bunter Quadrate wie in Köln zeigen die Entwürfe in Tholey orientalisch wirkende abstrakte Motive, die vertikal und horizontal gespiegelt sind. Als Vorlage gilt Richters Werk mit der Nummer 724-4. Das Gemälde wurde vom Künstler digital bearbeitet, zunächst geteilt und dann gespiegelt – und dieser Vorgang mehrfach wiederholt. Die Motive der Chorfenster stammen aus der 16 Mal gespiegelten Serie.
Im Kloster werden die Entwürfe auf ein mal zwei Meter große Milchglasscheiben gedruckt ausgestellt. Die frühgotische Abteikirche wird aktuell für etwa fünf Millionen Euro komplett renoviert und soll im Juni 2020 fertig sein. Wann die neuen Fenster eingebaut werden ist noch unklar und hängt auch davon ab, wie gut sich die Entwürfe in Glas umsetzen lassen.
Die Chorfenster sollen jeweils etwa 18 Quadratmeter groß sein – 1,95 Meter breit und 9,3 Meter hoch. Jedes Fenster ist zweigeteilt in Lanzette und zeigt gespiegelt die gleichen Motive. Die Hälften bestehen aus je sieben rechteckigen Feldern, auf die ein Spitzbogen folgt. Sie werden von einem Dreipass abgeschlossen.
Ein ausdrücklicher Wunsch der Mönche war, dass Besucher die Fenster „ohne große Hürden“verstehen können. „Die Kirche hat einen Teil ihrer Sprechfähigkeit verloren“, begründet Bauleiter Frater Wendelinus Naumann die Sicht der Benediktiner. Oft funktioniere die alte Bildsprache nicht, Besucher könnten Symbole vielfach nicht deuten. Die Richter-Fenster hingegen bauten eine Brücke in die Gesellschaft. „Kunst fordert heraus, Kunst polarisiert“, erklärt der Mönch. Auch aus theologischer Sicht sei es gut, dass die Fenster keine konkreten Motive zeigen, meint Frater Wendelinus mit Blick auf das Zweite Gebot, sich kein Bild von Gott zu machen.
Der Kontakt zu Gerhard Richter kam über den Leiter der Musikfestspiele Saar, Bernhard Leonardy zustande. Der hatte vor Jahren einen Photopainting-Zyklus Richters vertont und kam darüber mit dem Kölner Maler in Kontakt.
Tholey ist mit einer urkundlichen Erwähnung aus dem 7. Jahrhundert das älteste Kloster Deutschlands. Seit 2017 wird die Abteikirche St. Mauritius renoviert. Alle Fenster mussten ersetzt werden. Zusätzlich zu den Richter-Fenstern gestaltet die Münchner Künstlerin Mahbuba Elham Maqsoodi 34 weitere im Kirchenschiff.