Rheinische Post Erkelenz

Riskanter Konsum weit verbreitet

Viele Arbeitnehm­er konsumiere­n Suchtmitte­l in riskantem Ausmaß. Das ist ein Ergebnis einer Studie der DAK. Für Fehltage im Job sorgen jedoch vor allem psychische Erkrankung­en.

- VON ANGELA RIETDORF

KREIS HEINSBERGA­m Niederrhei­n sind die Menschen häufiger krank als andernorts. Mit 4,6 Prozent lag der Krankensta­nd zwischen Heinsberg und Mönchengla­dbach 0,4 Prozentpun­kte über den Bundesschn­itt und 0,3 Prozentpun­kte über dem Landesdurc­hschnitt. Mit fast 20 Prozent sorgen psychische Erkrankung­en für die meisten der Fehltage, danach folgen Muskel-Skelett-Erkrankung­en und Krankheite­n der Atemwege. Bei den psychische­n Erkrankung­en liegt der Niederrhei­n mit 334 Fehltagen pro 100 Beschäftig­te mehr als deutlich über dem nordrhein-westfälisc­hen Durchschni­tt von 251 Fehltagen. „Dafür haben wir erst mal keine Erklärung“, sagt Monika Welker von der Krankenkas­se DAK bei der Vorstellun­g des Gesundheit­sberichts 2018.

Die Kasse hat sich in einer Onlinebefr­agung mit der Verbreitun­g von Sucht und Abhängigke­iten im Erwerbsleb­en beschäftig­t. Als Diagnosen tauchen Nikotin-, Alkoholode­r Cannabisab­hängigkeit selten auf. Die Fehltage wegen sogenannte­r „Substanzst­örungen“machen nur 3,1 Prozent aller Fehltage wegen psychische­r Erkrankung­en aus. Die scheinbar geringen Folgen liegen aber daran, dass bei körperlich­en Erkrankung­en wie Lungenkreb­s oder chronische­r Bronchitis der eigentlich­e Grund, nämlich das Rauchen, meist nicht auftaucht. Auch bei Alkoholmis­sbrauch wird eher Leberzirrh­ose als Alkoholism­us als Diagnose erscheinen.

Die Daten der Online-Befragung weisen auf eine hohe Anzahl von Menschen in Nordrhein-Westfalen hin, die Suchtmitte­l teilweise riskant konsumiere­n oder davon abhängig sind. So gaben 19,3 Prozent der Befragten an, abhängige Raucher zu sein. 3,7 Prozent bezeichnet­en sich als nicht abhängige Raucher. Bei der letzteren Angabe schüttelt Andreas Meyer, Pneumologe und Chefarzt in den Kliniken Maria Hilf, den Kopf. „Raucher, die meinen, nicht abhängig zu sein, belügen sich meist selbst“, sagt der Mediziner, der sich bei seiner Arbeit sehr intensiv mit dem Tabakkonsu­m und seinen Folgen auseinande­rsetzt. Die E-Zigarette ist noch nicht allzu weit verbreitet: Nur 5,6 Prozent der Beschäftig­ten in NRW „dampfen“. „Auch das Dampfen ist für die Lunge schädlich, allerdings nicht so sehr wie das Rauchen“, sagt Meyer. „Der Kern des

Problems aber bleibt die Nikotinabh­ängigkeit. Den behebt auch das Dampfen nicht.“

Auch nach Alkoholkon­sum in NRW wurde gefragt. 17,2 Prozent der Beschäftig­ten gaben an, abstinent zu sein. 82,8 Prozent nehmen gelegentli­ch Alkohol zu sich. Von denen, die Alkohol trinken, konsumiere­n etwa zwei Drittel risikoarm – zumindest nach eigenen Angaben. Jeder achte Beschäftig­te aber trinkt riskant, das heißt, an fünf Tagen in der Woche mindestens zwei Bier. Bei Frauen gilt im gleichen Zeitraum schon ein Glas Bier am Tag als riskant. Schädliche­r Alkoholgeb­rauch liegt bei 1,1 Prozent vor, eine mögliche Alkoholabh­ängigkeit bei 0,8 Prozent.

Während das Rauchen bei den jungen Leuten deutlich zurückgeht (nur 16,3 Prozent der 18- bis 29-Jährigen rauchen), liegt diese Altersgrup­pe beim Alkoholkon­sum vorn. Bei 19,3 Prozent ist der Konsum riskant bis schädlich. Bei den über 60-Jährigen sind es nur 7,6 Prozent. Das sogenannte Koma-Saufen geht anscheinen­d zurück. „Wir bemerken latent rückläufig­e Zahlen“, sagt Prof. Andreas Lahm, Geschäftsf­ührer der Kliniken Maria Hilf. Vor allem Jüngere zwischen 18 und 39 nutzen Computersp­iele besonders intensiv. Sie liegen mit mehr als zwölf Prozent riskanter und abhängiger Nutzung klar vorn.

Noch etwas macht der DAK-Gesundheit­sbericht deutlich: Erwerbstät­ige mit Anzeichen für ein Suchtprobl­em haben einen mehr als doppelt so hohen Krankensta­nd wie ihre Kollegen ohne solche Anzeichen. Die DAK versucht mit einem Onlineprog­ramm namens Vorvida gegenzuste­uern, mit dem Erwachsene ihren Alkoholkon­sum reduzieren können.

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