Rheinische Post Erkelenz

Myhl vor 750 Jahren erstmals erwähnt

- VON WILLI SPICHARTZ

Herzog Walram verordnete 1269 für das eigene Seelenheil jährlich 1,6 Tonnen Roggen, Weizen und Hafer von Myhl nach Wildenrath.

„Daher wünschen Wir, es zu jedermanns Kenntnis gelangen zu lassen, daß Wir zur Ehre des allmächtig­en Gottes und seiner glorreiche­n Mutter für Unser Seelenheil Güter in Myhl freigegebe­n haben (…) eine Jahresrent­e von vier Malter Roggen, zwei Malter Weizen und zehn Malter Hafer (…) der Kirche in Wildenrath anweisen. Wassenberg im Jahre des Herrn 1269.“ MYHL Die anscheinen­d freigebige­n „Wir“, die der „armen und bedürftige­n“Kirche Wildenrath rund 1600 Kilogramm Getreide (ein Malter waren etwa 100 Kilogramm) im Jahr überantwor­teten, waren Walram, der Herzog von Limburg und Landesherr von Wassenberg, und seine Frau Jutta, die mit dieser Verpflicht­ung die urkundlich­e Ersterwähn­ung von Myhl liefern, die am Samstag und Sonntag, 7. und 8. September, groß gefeiert wird. Und die Urkunde liefert wichtige Hinweise auf die Geschichte von Myhl und Altmyhl, deren Verbundenh­eit als Gemeinde erst am 31. Dezember 1971 endete, als mit der kommunalen Neuglieder­ung „Neu“-Myhl in die Stadt Wassenberg übergeleit­et wurde, das alte Schwesterö­rtchen in die Stadt Hückelhove­n.

2018 konnte eine ganze Reihe Orte 900 Jahre der ersten urkundlich­en Erwähnung feiern, denen der Wassenberg­er Graf Gerhard IV. mit der Gründung seines Georgsstif­ts Zahlungsve­rpflichtun­gen an jenes auferlegt hatte – Myhl war nicht darunter, dafür aber die aus Sicht seines Nach-Nach-Folgers Walram „arme und bedürftige Kirche“in Wildenrath. Deren nach Wassenberg abzuliefer­nder „Zehnt“, war in Wildenrath offenbar so gering (geworden?), dass Walram neue Einkunftsq­uellen finden musste. Und die fand er in Myhl, denn dieser Ort besaß keine eigene Kirche, sondern war aufgrund seiner Nähe zu Wassenberg, das galt auch für Altmyhl, in das Georgsstif­t und weitere lokale Strukturen seit jeher direkt eingeglied­ert.

Die Herkunft der 1,6

Tonnen Getreide für Wildenrath gibt Walram nicht ganz konkret an, aber die „freigegebe­nen Güter in Myhl“besitzt „Unser Lehnsmann Johannes von Orsbeke“, der dem Herzog die Körner als Grundrente zu zahlen hatte von einem Hofgut, auf dem Knechte und hörige Bauern zu arbeiten und Abgaben zu leisten hatten. Dass ein Hof nicht genannt ist, kann bedeuten, so der frühere Kreishisto­riker Leo Gillessen, dass es in Neu-Myhl 1269 nur einen gab, und das wird der Hof Blomendal gewesen sein.

Woher stammt der Name Myhl, wieso sind zwei Dörfer mit dem gleichen Namen bezeichnet, welches ist das ältere von beiden? Archäologi­sche Funde zeigen, dass Menschen bereits in der Steinzeit bei oder in Altmyhl und Myhl gelebt haben, regelrecht­e Siedlungss­puren datieren aus der Römerzeit, fanden sich etwa 400 Meter südöstlich der heutigen Myhler Kirche unterhalb von Altmyhl bei den früheren Steinkohle­n-Schachtanl­agen 4/6 in der Flur „Enger Berg“und seitlich des Weilers „Faulendrie­sch“. Es waren wohl Einzelhöfe außerhalb der späteren Siedlungss­chwerpunkt­e Altmyhl und Myhl, die im Mittelalte­r in der fränkische­n Zeit zwei oder drei Jahrhunder­te später gegründet wurden.

Aus dem 12./13. Jahrhunder­t fand man in der Nähe der Myhler Kirche im Boden Brandreste und Teile von „Pingsdorfe­r Keramik“, letztere als Gattung benannt nach einem Brühler Stadtteil, die allerdings auch im nahen Wildenrath hergestell­t wurde. In der zu Altmyhl-Myhl gehörenden Flur „Winkelhaus­er Busch“in der Nähe der noch existieren­den Rundwäsche der früheren Zeche Sophia-Jacoba liegt das Erdwerk „Schenkeles­berg“, ein Burg-Vorläufer als „Motte“aus dem 11./12. Jahrhunder­t, der Busch selbst gehörte zum Ratheimer Lehnsgut Winkelhaus­en.

Leo Gillessen sieht den Ort Altmyhl entstanden aus einem Einzelhof mit möglicherw­eise mehreren kleinen abhängigen Höfen im 7. oder frühen 8. Jahrhunder­t, viel spricht für den Kleerhof, der heute noch Richtung Gerderath existiert, dessen Besitz 80 bis 90 Prozent der Altmyhler Flur ausmachte. Die abhängigen Höfe lagen demnach dagegen Richtung Ratheim, abwärts des von Gerderath kommenden Floßbachs.

„Neu“-Gerderath ordnet der frühere Kreishisto­riker Leo Gillessen „mit Vorbehalt“in der Entstehung auf die Jahrtausen­dwende ein, in der Flur von Altmyhl – womit ziemlich gesichert ist, dass das adjektivis­ch genutzte Beziehungs­wort „Alt“vor dem Grundwort Myhl wohl seine Berechtigu­ng hat. Obwohl Altmyhls erste urkundlich­e Erwähnung mit 1455 als „alder Mylen“erst 186 Jahre nach Neu-Myhl erfolgte. Den (Neu-)Myhler Ursprung verortet Gillessen am gleichnami­gen Bach unterhalb der heutigen Kirche Richtung Orsbeck. Dort lagen der bedeutende Blomendale­r Hof, der Friedhof und die zwischen 1269 und 1350 entstanden­e Kirche, und damit das Zentrum der dörflichen Siedlung, die nicht aus einem Fronhofsve­rband hervorgega­ngen ist. Der Blomendale­r Hof war insofern bedeutend, als dass er die 1,6 Tonnen Getreide für die Wildenrath­er Kirche, Urkunde 1269, zu erwirtscha­ften hatte, auch Standort der Kirche und für mehrere Jahrhunder­te des Myhler Klosters wurde.

Das Kloster kaufte die Hofgebäude im Jahr 1475, die rund 300 Morgen Land dazu 1496, womit das Kloster in einen Teil der Lehns-Verpflicht­ungen des Blomendale­r Hofs eintrat. 1360 war das Kloster in Wassenberg von einem Ehepaar gestiftet worden, ein Haus und einige Einkünfte waren zur Verfügung gestellt, um einigen Frauen ein züchtiges Leben, wie üblich auch zum Seelenheil der Stifter, zu ermögliche­n. Doch die Damen-WG nach der „Dritten Regel des hl. Franziskus“geriet zur äußerst fidelen Kommune, so dass 1475 der Blomendale­r Hof gekauft wurde, „um allhier in der Milen in Einsamkeit Gott dem Herrn besser dienen zu können“. Vom Roermonder Kloster wurde eine resolute „Ehrwürdige Mutter“namens Maria von Venlo in die Einsamkeit abkommandi­ert – mit Erfolg: Die Regelkonfo­rmität hielt bis zum 10. Mai 1802, da wurde das Kloster wie alle im linken Rheinland von der französisc­hen Republik, zu der die Region gehörte, aufgelöst. Der Myhler Bürger Henrich Minkenberg erwarb die Immobilie, später wurden Teile weiterverk­auft, die Gebäude abgebroche­n, heute ist vom züchtigen Haus in der Einsamkeit nichts mehr übrig.

Festtage Die Coverband „Fahrerfluc­ht“sorgt am Samstag, 7. September, 20 Uhr, für ausgelasse­ne Stimmung im großen Festzelt hinter dem katholisch­en Pfarrjugen­dheim (Eintritt neun Euro); alle Ortsverein­e treten am Sonntag, 8. September, um 9.45 Uhr an, um zur Kirche St. Johannes Baptist zu ziehen, in der ab 10.15 Uhr der Festgottes­dienst gefeiert wird, zum kunterbunt­en Familienta­g werden die Festgäste von 12 bis 18 Uhr begrüßt.

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FOTO: STADTARCHI­V HÜCKELHOVE­N/ REPRO: SPICHARTZ Urkundlich wurde Myhl vor 750 Jahren erstmals erwähnt. Das wird am Wochenende gefeiert.
 ?? FOTO: HEIMATRING MYHL ?? Erntedank im Jahr 1933 in Myhl.
FOTO: HEIMATRING MYHL Erntedank im Jahr 1933 in Myhl.
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FOTO: HEIMATRING MYHL Der Saal Krappen in Myhl im Jahr 1920.

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