Rheinische Post Erkelenz

„Nichts Perfektes, aber viel Rebellion“

- DOROTHEE KRINGS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Der Regisseur inszeniert zur Eröffnung der Jubiläumss­pielzeit am Schauspiel­haus „Dantons Tod“von Georg Büchner.

Als vor knapp 50 Jahren das neue Haus des Düsseldorf­er Schauspiel­hauses am Gründgens-Platz eröffnet wurde, gab es draußen laute Bürger-Proteste und drinnen ein Revolution­sdrama: Büchners „Dantons Tod“. Zum Auftakt der Jubiläumss­pielzeit steht das Stück erneut auf dem Programm. Regie führt der frühere Stuttgarte­r Intendant Armin Petras. Revolution ist ja das Vorbild, das Role Model aller Revolution­en danach. Büchner analysiert in wunderschö­ner, poetischer Form die Elemente von Revolution­en. Allerdings gibt es heute neue Elemente, die bei ihm noch nicht vorkommen, die versuchen wir hinzuzufüg­en.

Was fehlt denn bei Büchner? PETRAS Zum Beispiel Themen wie Rassismus oder Feminismus, die heute für scharfe gesellscha­ftliche Auseinande­rsetzungen sorgen, bei Büchner aber noch keine Rolle spielen. Obwohl es schon zu seiner Zeit feministis­che Texte gab, etwa von Olympe de Gouges, die für ihre Gedanken hingericht­et wurde. Wir versuchen an ein paar Stellen vorsichtig die revolution­ären Bewegungen zu verbreiter­n und Spuren in das Heute zu zeigen.

Bei Büchner geht es ja auch um die Frage, wie wehrhaft Freiheitsr­echte sind. Die Figuren setzen auch auf Gewalt, weil sie das Erkämpfte nicht wieder verlieren wollen. PETRAS Ja, Büchner hat das Drama während der Flucht aus Deutschlan­d geschriebe­n. Er hatte eine revolution­äre Kampfschri­ft verfasst, den Hessischen Landboten, Freunde von ihm sind dafür ins Gefängnis gegangen, sogar in der Haft gestorben. Büchner schreibt darüber, wie lange eine revolution­äre Bewegung menschlich vertretbar ist, ab wann sie zu einem Selbstläuf­er wird. Das hat auch mit meiner Biografie zu tun. Ich bin in der DDR in einer sehr sanften Spätform des Stalinismu­s aufgewachs­en. Da wurde mir auch erzählt, dass vieles so zu sein hat, weil der Marxismus die Wahrheit ist. Parolen waren wichtiger als die Realität.

Wo ziehen Sie die Grenze zwischen legitimer und nicht mehr vertretbar­er Revolution?

PETRAS Ich möchte darauf als Privatmens­ch keine Antwort geben. Jeder muss sich jeden Morgen fragen, ob er noch auf der richtigen Seite steht. Es gibt ja Debatten, die die Welt verändern. Die Genderdeba­tte zum Beispiel. Wo steh ich da als älterer weißer Mann? Wo bin ich plötzlich nicht mehr revolution­är, sondern vielleicht konterrevo­lutionär? Das sind spannende Frage, die ich mir privat stelle und die wir bei der Arbeit an der Inszenieru­ng gestellt haben. Auch die Frage: Wie viel Angst macht mit dieser Wandel?

PETRAS Natürlich! Wir haben zum Beispiel einen älteren weißen Mann als Danton und eine junge Frau als Robespierr­e besetzt. Das allein wird Fragen aufwerfen.

Bei den Landtagswa­hlen im Osten hat die AfD gerade große Zuwächse bekommen. Hat das mit der Angst vor dem Wandel zu tun?

PETRAS Ich glaube schon. Viele Menschen fürchten um ihre kulturelle Identität. Doch diese Ängste sind viele Jahre überhört und wegerklärt worden. Das schlägt sich nun in Wahlergebn­issen nieder. Das zwingt die Gesellscha­ft, endlich auf diese Ängste zu reagieren.

Wie?

PETRAS Ich kann da keine Tipps geben, sonst wäre ich Politiker geworden und nicht zum Theater gegangen.

Was erwartet die Zuschauer ästhetisch in Ihrer Inszenieru­ng?

PETRAS Eine große Personage mit 20 Schauspiel­ern, davon zahlreiche junge Darsteller, teils noch Studenten am Mozarteum in Salzburg. Diese jungen Leute sind vielleicht als Schauspiel­er noch nicht ganz ausgereift, aber sie sind körperlich und sprachlich sehr engagiert. Man wird in meiner Inszenieru­ng nichts Perfektes sehen, aber man wird sehr viel Wollen, Drängen und Rebellion erleben.

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FOTO: THOMAS RABSCH Regisseur Armin Petras (r.) mit Wolfgang Michalek bei den Proben zu Büchners „Dantons Tod“am Düsseldorf­er Schauspiel­haus.

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