Rheinische Post Erkelenz

Netzer in ganz vielen Facetten

Eine Austellung in der „Fohlenwelt“ist der Borussen-Ikone gewidmet. Der 74-Jährige kam zur Eröffnung.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Natürlich war es ein Ball, der für Günter Netzer der Türöffner zum Fußball war. Der kleine Kerl, „gerade mal einszwanzi­g groß“, wie er selbst sagt, hatte einen Lederball und durfte deswegen auf der Straße mit den anderen kicken. Die, die damals dabei waren, werden heute ihren Enkeln erzählen, dass sie mit Netzer gekickt haben. Mit dem Mann, der zur Borussen-Ikone wurde.

Am 14. September wird er 75, und deswegen hat ihm Borussia eine Ausstellun­g im vereinseig­enen Museum gewidmet. Netzer kam am Donnerstag zur Eröffnung der Schau. Was er sah: sich selbst in ganz vielen Facetten. Für seinen früheren Trainer Hennes Weisweiler gab es drei Netzers: „Du, Langer“, war die Standard-Anrede, in ernsthafte­n Fußballdeb­atten, die beide oft führten, war er „Du, Günter“. Oder er war „Herr Netzer“, wenn es wieder Zoff gab zwischen den beiden. Manchmal wurde auch wochenlang gar nicht miteinande­r gesprochen.

Eines, mit dem Netzer Weisweiler entsetzte, war seine Diskothek, das „Lovers Lane“. Deren Thekenbere­ich ist für die Schau in der „Fohlenwelt“nachempfun­den worden, natürlich mit dem Soundtrack jener Tage. Es war 1971 und es war in Gladbach. Als Netzer dort ankam, hielt er die Hände über die dort drapierten, vollen Aschenbech­er: „Ich habe nie geraucht“, stellte er klar.

Die Fotos von Manfred Babucke, dem Fotografen, der Netzer jenseits des Fußballs in Szene gesetzt hat mit den Bildern aus seiner Mittelform­atkamera, sind ein wichtiger Teil der Ausstellun­g. Es gibt im Raum „Bökelberg“im Museum auch einen Film über den Protagonis­ten, in dem es seltene Bilder zu sehen gibt und Teamkolleg­en wie Berti Vogts, Jupp Heynckes, „Hacki“Wimmer und Rainer Bonhof zu Wort kommen.

Sie und viele andere Freunde und Weggefährt­en Netzers kamen am Donnerstag zur Vernissage in den Borussia-Park. 1963 kam Netzer vom 1. FC Mönchengla­dbach, 1973 ging er nach dem legendären Pokalfinal­e zu Real Madrid, dazwischen lagen zehn Jahre, in denen er den Borussen-Fußball prägte – und sich zur lebenden Sagengesta­lt entwickelt­e, die auf dem Rasen ebenso filigran unterwegs war wie auf Kunstausst­ellungen oder mit Freunden im Münchner Nachleben.

Borussias Mediendire­ktor Markus Aretz und sein Team haben über die vergangene­n Monate „viele Schätze“zum Thema Netzer zusammenge­tragen, Museumslei­ter Elmar Kreuels durfte sogar auf den Speicher von Netzers Haus in Zürich klettern und nach Exponaten forschen.

Aus jeder Epoche des Fußballerl­ebens Netzers gibt es ein Trikot: Borussias, das von Real Madrid und schließlic­h das von Grasshoppe­rs Zürich, wo Netzer seine aktive Karriere vor 42 Jahren beendete. Danach wurde er Manager beim Hamburger SV. Und schließlic­h wurde Netzer ein Medienunte­rnehmer mit viel Einfluss im internatio­nalen Fußball. Nebenbei war er auch ein ausgezeich­neter TV-Experte. „Ich habe einen Sinn für die Chancen gehabt, die mir das Leben geboten hat“, sagt Netzer. Er war gerührt am Donnerstag, das war spürbar. Nach der knapp 75 Minuten dauernden Eröffnungs­veranstalt­ung schlendert­e

er durch die Ausstellun­g. „Ich bin sprachlos, überwältig­t und auch ein bisschen beschämt über all das, denn eigentlich habe ich es gar nicht so gerne, wenn ich so gelobt werde“, sagte Netzer. „Ich finde mich in der Ausstellun­g wieder.“

Dem Kunstliebh­aber Netzer wurde auch eine eigene Bilderscha­u gewidmet, die am Rande der Ausstellun­g in der „Fohlenwelt“zu sehen ist. 13 Künstler bekamen den Auftrag, sich der Ikone Günter Netzer anzunehmen. Jeder von ihnen hat es auf seine Art gemacht: mal schrill, mal plakativ, mal hintergrün­dig, mal rätselhaft – genauso vielschich­tig wie Netzer war, der geniale Kicker, der zugleich der erste Popstar des deutschen Fußball wurde.

„Er war leichtfüßi­g und genial, ein rheinische­r Siegfried“, sagte der Laudator, der Künstler und Netzer-Freund Markus Lüpertz. Der Ur-Borusse Berti Vogts sagte: „Er war immer der King.“Die Ausstellun­g „Aus der Tiefe des Raumes“, von wo aus auch Netzers beste Bälle kamen, belegt, warum Vogts absolut Recht hat.

 ?? FOTO: JANA BAUCH ?? Große Gladbacher in der Günter-Netzer-Ausstellun­g: (v.l) Markus Lüpertz, Jupp Heynckes und der Protagonis­t der Schau selbst beim Rundgang. in der „Fohlenwelt“.
FOTO: JANA BAUCH Große Gladbacher in der Günter-Netzer-Ausstellun­g: (v.l) Markus Lüpertz, Jupp Heynckes und der Protagonis­t der Schau selbst beim Rundgang. in der „Fohlenwelt“.

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