Zwischen Elektroautos und Ökoprotesten
Die Branche steckt in der Krise – und das zeigt sich auch auf der Messe IAA. Zwar werden so viele E-Autos wie noch nie vorgestellt, Renault kündigt für die Zukunft ein E-Auto für 10.000 Euro an. Umweltaktivisten machen trotzdem mobil.
FRANKFURT Wie sehr sich die Autowelt geändert hat, zeigt ab Donnerstag die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA). So viele Elektroautos wie nie zuvor präsentiert die Branche. Angefangen vom VW ID3, der mal unter 30.000 Euro kosten soll, über den Honda E für einen Preis zwischen 25.000 und 30.000 Euro, den Corsa E für knapp 30.000 Euro bis hin zum mehr 150.000 Euro teuren E-Porsche Taycan zeigen viele Anbieter auf der Messe elektrisch angetriebene Wagen. „E-Autos sind nicht mehr ein reines Minderheitenthema“, sagt der Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. „Für VW ist der ID3 beispielsweise das wichtigste Zukunftsprojekt der nächsten zehn Jahre.“
Zweitens steht die Branche so stark in der Kritik wie nie zuvor. Mit dem Dieselskandal und dessen zögerlicher Aufarbeitung, mit hohen CO2-Ausstößen und möglichen Absprachen macht sich Deutschlands wichtigste Branche zunehmend unbeliebt. Am Samstag werden 20.000 Demonstranten bei einer Kundgebung von Klimaschützern erwartet. Die Polizei in Frankfurt rüstet sich für Großeinsätze, auch auf dem Messegelände ist mit Aktionen von Aktivisten zu rechnen – immerhin werden auf der Messe Dutzende spritfressender SUVs gezeigt. Noch am Montag meldete BMW, dass jeder zweite neu verkaufte Wagen ein solcher Stadtgeländewagen ist. „Unsere neuen X-Modelle sind sehr beliebt“, sagte BMW-Vertriebschef Pieter Nota auf der IAA.
Drittens müssen die Autobauer und ihre Leitmesse mit deutlichem Gegenwind auch beim Geschäft rechnen. „Von den großen Märkten Europa, USA und China gehen keine Wachstumsimpulse aus“, erklärt der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA). Um vier Prozent wird der Weltautomarkt dieses Jahr auf rund 81 Millionen Stück schrumpfen, prognostiziert der Verband.
Als Ergebnis der Branchenschwäche haben dieses Jahr Fiat, Peugeot, Citroen, Nissan, Tesla oder auch Toyota und Volvo darauf verzichtet, überhaupt in Frankfurt präsent zu sein. BMW und Mercedes haben ihren Messeauftritt radikal gekürzt. „Die IAA ist zur Problemmesse geworden“, sagt Dudenhöffer. „Auch für die Kunden ist es immer unattraktiver, in riesige Messehallen zu strömen, wenn die ausgestellten Wagen schon über Social Media oder Videos bekannt sind.“Er fordert, dass die IAA sich mehr als offenes Forum verstehen sollte, auf dem etwa darüber diskutiert wird, wie Elektroautos den Klimawandel aufhalten können, statt nur einzelne Modelle auszustellen.
Ein massiver Umbruch steht den Autobauern und vielen ihrer Kunden jedenfalls bevor: Im Schnitt kostet ein Elektrowagen rund 5000 Euro
mehr als ein vergleichbares Auto mit Diesel- oder Benzinmotor, schätzt Christian Malorny, Autoexperte der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Diese Mehrkosten könnten bei Premium-Modellen möglicherweise noch weggesteckt werden. Doch bei Kleinwagen mit Preisen von bisher 7500 Euro bis 15.000 Euro sieht er schwarz: „Viele heutige Kleinwagenkäufer werden sich einen elektrifizierten Kleinwagen nicht mehr leisten können. Das Kleinwagen-Segment in Europa könnte bis zu 50 Prozent einbrechen.“
Nicht so pessimistisch ist RenaultChef Thierry Bollore. Er glaubt zwar auch, dass die Branche in „so etwas wie einer Krise“sei, sagte er dem „Handelsblatt“. Er hält Fusionen für notwendig, um Investitionen in die Elektromobilität und Digitalisierung bezahlen zu können. Aber bald werde es E-Autos für rund 10.000 Euro geben. „Wir arbeiten daran. Es wird weit weniger als fünf Jahre dauern, bis ein solches Auto in Europa auf den Markt kommt.“