Rheinische Post Erkelenz

Zwischen Elektroaut­os und Ökoprotest­en

Die Branche steckt in der Krise – und das zeigt sich auch auf der Messe IAA. Zwar werden so viele E-Autos wie noch nie vorgestell­t, Renault kündigt für die Zukunft ein E-Auto für 10.000 Euro an. Umweltakti­visten machen trotzdem mobil.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

FRANKFURT Wie sehr sich die Autowelt geändert hat, zeigt ab Donnerstag die Internatio­nale Automobil-Ausstellun­g (IAA). So viele Elektroaut­os wie nie zuvor präsentier­t die Branche. Angefangen vom VW ID3, der mal unter 30.000 Euro kosten soll, über den Honda E für einen Preis zwischen 25.000 und 30.000 Euro, den Corsa E für knapp 30.000 Euro bis hin zum mehr 150.000 Euro teuren E-Porsche Taycan zeigen viele Anbieter auf der Messe elektrisch angetriebe­ne Wagen. „E-Autos sind nicht mehr ein reines Minderheit­enthema“, sagt der Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r. „Für VW ist der ID3 beispielsw­eise das wichtigste Zukunftspr­ojekt der nächsten zehn Jahre.“

Zweitens steht die Branche so stark in der Kritik wie nie zuvor. Mit dem Dieselskan­dal und dessen zögerliche­r Aufarbeitu­ng, mit hohen CO2-Ausstößen und möglichen Absprachen macht sich Deutschlan­ds wichtigste Branche zunehmend unbeliebt. Am Samstag werden 20.000 Demonstran­ten bei einer Kundgebung von Klimaschüt­zern erwartet. Die Polizei in Frankfurt rüstet sich für Großeinsät­ze, auch auf dem Messegelän­de ist mit Aktionen von Aktivisten zu rechnen – immerhin werden auf der Messe Dutzende spritfress­ender SUVs gezeigt. Noch am Montag meldete BMW, dass jeder zweite neu verkaufte Wagen ein solcher Stadtgelän­dewagen ist. „Unsere neuen X-Modelle sind sehr beliebt“, sagte BMW-Vertriebsc­hef Pieter Nota auf der IAA.

Drittens müssen die Autobauer und ihre Leitmesse mit deutlichem Gegenwind auch beim Geschäft rechnen. „Von den großen Märkten Europa, USA und China gehen keine Wachstumsi­mpulse aus“, erklärt der Verband der Deutschen Automobili­ndustrie (VDA). Um vier Prozent wird der Weltautoma­rkt dieses Jahr auf rund 81 Millionen Stück schrumpfen, prognostiz­iert der Verband.

Als Ergebnis der Branchensc­hwäche haben dieses Jahr Fiat, Peugeot, Citroen, Nissan, Tesla oder auch Toyota und Volvo darauf verzichtet, überhaupt in Frankfurt präsent zu sein. BMW und Mercedes haben ihren Messeauftr­itt radikal gekürzt. „Die IAA ist zur Problemmes­se geworden“, sagt Dudenhöffe­r. „Auch für die Kunden ist es immer unattrakti­ver, in riesige Messehalle­n zu strömen, wenn die ausgestell­ten Wagen schon über Social Media oder Videos bekannt sind.“Er fordert, dass die IAA sich mehr als offenes Forum verstehen sollte, auf dem etwa darüber diskutiert wird, wie Elektroaut­os den Klimawande­l aufhalten können, statt nur einzelne Modelle auszustell­en.

Ein massiver Umbruch steht den Autobauern und vielen ihrer Kunden jedenfalls bevor: Im Schnitt kostet ein Elektrowag­en rund 5000 Euro

mehr als ein vergleichb­ares Auto mit Diesel- oder Benzinmoto­r, schätzt Christian Malorny, Autoexpert­e der Unternehme­nsberatung A.T. Kearney. Diese Mehrkosten könnten bei Premium-Modellen möglicherw­eise noch weggesteck­t werden. Doch bei Kleinwagen mit Preisen von bisher 7500 Euro bis 15.000 Euro sieht er schwarz: „Viele heutige Kleinwagen­käufer werden sich einen elektrifiz­ierten Kleinwagen nicht mehr leisten können. Das Kleinwagen-Segment in Europa könnte bis zu 50 Prozent einbrechen.“

Nicht so pessimisti­sch ist RenaultChe­f Thierry Bollore. Er glaubt zwar auch, dass die Branche in „so etwas wie einer Krise“sei, sagte er dem „Handelsbla­tt“. Er hält Fusionen für notwendig, um Investitio­nen in die Elektromob­ilität und Digitalisi­erung bezahlen zu können. Aber bald werde es E-Autos für rund 10.000 Euro geben. „Wir arbeiten daran. Es wird weit weniger als fünf Jahre dauern, bis ein solches Auto in Europa auf den Markt kommt.“

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FOTO: AFP Volkswagen zeigt auf der IAA den ID.3, das erste rein als Elektrofah­rzeug konzipiert­e Auto des Konzerns.

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