Neue Auswärtsderby-Helden gesucht
Seit 2004 gab es vier Borussia-Siege in Köln. Michael Bradley, Raul Bobadilla, Mike Hanke und Lars Stindl waren daran mit ihren Toren entscheidend beteiligt. Wer übernimmt diese Rolle am Samstag?
Dass sich Borussia ausgerechnet in Köln immer sehr wohl gefühlt hat, ist kein Geheimnis. Hennes Weisweiler, der Meistertrainer, war Kölner, und Siege in „seiner“Stadt, die waren besonders süß für ihn. 24 von 55 Pflichtspielen gewannen die Gladbacher in der Domstadt, und es war auch ganz egal, welche Generation Borussen es war. Bis zum Ende der 1990er Jahre gab es in jedem Bundesliga-Jahrzehnt hübsche Siegesserien in Köln, mal wurden fünf Spiele am Stück gewonnen, mal vier. Zwischenzeitlich gab es auch im Uefa-Cup zwei Treffen, auch da blieb Gladbach in Köln unbesiegt (0:0, 3:1). Selbst wenn die Kölner nicht involviert waren, war das Müngersdorfer Stadion ein Ort der Freude für die Gladbacher, 1996 gab es im Uefa-Cup das 3:2 gegen den FC Arsenal im Heim-Auswärtsspiel dort.
Die besten Gladbacher Torschützen in Müngersdorf (oder zwischenzeitlich in der Radrennbahn) waren Günter Netzer und Uwe Rahn, die jeweils sieben Treffer erzielten im Stadion des rheinischen Rivalen. Netzer (1969 beim 4:1) und Martin Max (1993 beim 4:0) schafften Dreierpacks, Rahn fabrizierte zweimal einen Doppelpack (1984, 1987). Max traf insgesamt fünfmal bei den Auswärts-Derbys, auch Allan Simonsen war fünfmal erfolgreich. Den letzten Sieg in der platten Schüssel im Kölner Westen gab es am 19. August 2001, als Bernd Korzynietz und Arie van Lent beim 2:0-Sieg trafen.
Seit Januar 2004 ist das Müngersdorfer Stadion Geschichte, der 1. FC Köln spielt nun im RheinEnergie-Stadion. Zehnmal trafen sich die rheinischen Rivalen seither dort. Zwar gab es schon siegreichere Zeiten für Gladbach in Köln als in diesen 15 Jahren, doch immerhin viermal gewannen sie auch schon in der neuen Arena im Kölner Westen: 2009, 2010, 2011 und 2017. In jedem dieser Spiele gab es Borussen, die sich das Prädikat „Auswärtsderby-Helden“besonders verdienten.
Am 14. März 2009 machte der oft mürrische US-Amerikaner Michael Bradley eines seiner besten Spiele als Borusse. Er war der große Antreiber aus der Tiefe beim 4:2-Sieg und schoss selbst zwei Tore.
Am 13. November 2010 traf Bradley ebenfalls beim 4:0-Kantersieg, dem bis hierhin höchsten der Nach-Müngersdorf-Derby-Zeit. Jedoch „nur“einmal. Der Mann des Tages war ein anderer. Er kam erneut aus Übersee, indes aus Südamerika: Raul Bobadilla, da noch Argentinier (heute ist er Paraguayer), erlebte einen seiner schönsten Tage seiner Gladbach-Zeit. Zwei Tore schoss er und legte Bradley das Tor auf.
Der nächste Doppelpacker in der Domstadt war Mike Hanke. Der Stürmer erzielte am 25. November 2011 beim 3:0-Sieg der Gladbacher zwei Tore. Borussia spielte verblüffend herrlich an diesem Freitagabend, stürmte für eine Nacht sogar an die Tabellenspitze. Legendär ist das Schnick-Schnack-SchnuckSpiel von Hanke und Marco Reus vor einem Freistoß. Juan Arango trat in diesem Derby einen seiner legendären Freistöße direkt ins Netz – spiegelgleich verwandelte er im Rückspiel einen ruhenden Ball, diese Partie gewannen die Gladbacher ebenfalls 3:0. Der Kultfaktor dieser Szenen ist extrem hoch. Weil sie so schön sind, und weil sie im Derby passierten.
Der letzte Gladbacher Derby-Held in Köln war Lars Stindl. Beim 3:2 am 8. April 2017 führte Borussia zweimal, zweimal glich Köln aus. Doch dann besorgte Stindl den Siegtreffer nach 80 Minuten und alle Borussen versammelten sich zur Jubeltraube vor dem Borussen-Fanblock.
Jetzt ist Stindl verletzt. Tipps, wie man ein Derby-Held wird, gibt es natürlich für die Kollegen, das hat der 30-Jährige angekündigt, inklusive eines Kabinenbesuch zwecks Direkt-Motivation. Doch wer braucht in Spielen wie diesen eine Extra-Motivation? Das Prädikat „Auswärtsderby-Held“ist definitiv reizvoll genug.
Marco Rose ist keiner, der große Reden schwingt des Effektes wegen. „Man hört immer wieder dieselben Dinge: dass es wichtig ist, dass man Herz zeigt, dass man kühlen Kopf bewahrt, das sind die Klassiker“, sagt Borussias Trainer vor dem anstehenden Derby in Köln am Samstag (Anstoß um 15.30 Uhr).
Doch er stellt auch klar: „Wir spüren die grundsätzliche Stimmung schon im Vorfeld, man spricht schon länger darüber. Fakt ist, dass nach dem Anpfiff eine außergewöhnliche Stimmung sein wird und wir dem standhalten müssen.“
Rose ist in erster Linie verantwortlich für den sportlichen Erfolg seiner Mannschaft. In dieser Hinsicht ist es „ein normales Bundesliga-Spiel“, jedoch eines „mit außergewöhnlichen Rahmenbedingungen.“Die Stimmung auf den Rängen ist damit vor allem gemeint, sie wird die Spieler zusätzlich anstacheln. Um das zu erreichen benutzen eben viele die Begrifflichkeit
„Herz zeigen“, um in diesem hitzigen Ambiente die Konzentration auf die eigene Leistung zu behalten, braucht man den „kühlen Kopf“. Vor allem braucht Borussia aber drei Punkte. „Es ist zu erwarten, dass es ein sehr intensives Spiel wird und Köln zu Hause sein Revier abstecken will“, sagt Rose. „Und wir müssen dagegenhalten und wollen das Spiel gewinnen.“
Nicht nur für die eigenen Ambitionen, sondern auch für das Seelenleben der Anhänger, von denen 6000 im Stadion sein werden. „In erster Linie ist dieses Spiel etwas ganz besonderes für unsere Fans und entsprechend müssen wir dort auch auftreten. Wir stehen in Köln in der Pflicht, unser bestmögliches Spiel abzuliefern“, sagt Rose.
Personell kann Borussias Trainer womöglich sogar aus dem derzeit möglichst Vollen schöpfen. Die Langzeitverletzten Lars Stindl, Jonas Hofmann und Torben Müsel fehlen weiterhin. Ein Fragezeichen steht weiterhin hinter dem Einsatz von Abwehrchef Matthias Ginter (Rippenprellung). Rose hofft noch auf den Nationalspieler.