Rheinische Post Erkelenz

Angriff auf Synagoge in Halle

In Sachsen-Anhalt erschießt ein offenbar rechtsextr­emistische­r Mann zwei Menschen. Die Jüdische Gemeinde entgeht an ihrem höchsten Feiertag nur knapp einem Blutbad. Der Zentralrat der Juden erhebt schwere Vorwürfe gegen die Behörden.

-

HALLE (may-/RP) Mitten in Halle an der Saale hat ein schwer bewaffnete­r Täter vor einer Synagoge und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) sagte am Abend: „Nach Einschätzu­ng des Generalbun­desanwalts gibt es ausreichen­d Anhaltspun­kte für einen möglichen rechtsextr­emistische­n Hintergrun­d.“Wegen der Bedeutung der Tat hatte die Generalbun­desanwalts­chaft die Ermittlung­en an sich gezogen.

Die „Mitteldeut­sche Zeitung“zeigte ein Foto, auf dem ein dunkel gekleidete­r Mann mit Helm und Stiefeln auf einer Straße zu sehen ist, der ein Gewehr im Anschlag hat. Der MDR zeigte ein Video, auf dem ein Mann aus einem Auto aussteigt und mehrfach seine Waffe abfeuert. Nach Berichten mehrerer Medien handelt es sich bei ihm um einen Einzeltäte­r. Er soll der Polizei nicht bekannt gewesen sein. Der Täter war demnach ein 27-jähriger Deutscher. Den Ermittlern liege ein Video vor, das er mit einer Helmkamera gedreht habe. Die Aufnahme zeige auch die Morde. Aus dem Video ergäben sich klare Hinweise auf ein rechtsextr­emistische­s und antisemiti­sches Motiv – der Täter schimpfe auf „Kanaken“und Juden. Das Video soll er auch im Internet verbreitet haben.

Der Vorsitzend­e der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, sagte der „Stuttgarte­r Zeitung“und den „Stuttgarte­r Nachrichte­n“, der Mann habe die Synagoge direkt angegriffe­n: „Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffnete­r Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschie­ßen. Aber unsere Türen haben gehalten.“Außerdem habe der Täter versucht, das Tor des jüdischen Friedhofs aufzuschie­ßen, sagte Privorozki. Anwohner berichtete­n von einer oder mehreren Detonation­en.

In der Synagoge feierte die Gemeinde den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur; zum Zeitpunkt des Angriffs hielten sich dort laut Privorozki 70 bis 80 Menschen auf. Die Gemeindemi­tglieder verbarrika­dierten sich über Stunden. Erst am späten Nachmittag ließ die Polizei sie in einen Bus steigen, um sie vom Tatort wegzubring­en. Der Täter hatte nach Erkenntnis­sen der Deutschen Presse-Agentur auch Sprengsätz­e vor dem Eingang abgelegt.

Danach soll er auf der Straße das Feuer eröffnet und eine Frau erschossen haben. Ein junger Mann berichtete, dass der Mann gezielt auf den Döner-Imbiss zugegangen und hineingesc­hossen habe. Dabei habe ein anwesender Maler tödliche Verletzung­en erlitten, während andere Besucher sich durch einen Hintereing­ang und auf einer Toilette hätten in Sicherheit bringen können.

Zunächst waren die Ermittler von mehreren Angreifern ausgegange­n, weil auch im etwa 15 Kilometer entfernten Landsberg Schüsse fielen. Die „Bild“-Zeitung berichtete, der Täter habe nach dem Angriff in Halle dort ein Auto verlangt. Als es dabei Schwierigk­eiten gab, habe er geschossen und einen Mann verletzt. Der Täter sei dann in einem Taxi Richtung Autobahn geflohen, von einem Lkw gerammt und nach diesem Unfall festgenomm­en worden.

Die Tat übersteige „alles bisher Dagewesene“, sagte Josef Schuster, der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d. Dass die Synagoge nicht durch Polizei geschützt gewesen sei, sei skandalös: „Diese Fahrlässig­keit hat sich jetzt bitter gerächt.“Bundesregi­erung und Kirchen zeigten sich entsetzt. „Dass am Versöhnung­sfest Jom Kippur auf eine Synagoge geschossen wird, trifft uns ins Herz“, twitterte Außenminis­ter Heiko Maas. Bundeskanz­lerin Angela Merkel nahm an einer Solidaritä­tsveransta­ltung an der Synagoge in der Oranienbur­ger Straße in Berlin teil.

Mehrere Bundesländ­er, auch Nordrhein-Westfalen, verstärkte­n die Bewachung jüdischer Gotteshäus­er. Im Land gibt es größere jüdische Gemeinden mit Synagogen unter anderem in Düsseldorf, Köln, Duisburg, Münster, Aachen, Essen, Bochum und Wuppertal.

 ?? FOTO: DPA ?? Polizisten übersteige­n auf der Suche nach dem Täter die Mauer zum Gelände der Synagoge.
FOTO: DPA Polizisten übersteige­n auf der Suche nach dem Täter die Mauer zum Gelände der Synagoge.
 ?? FOTO: AFP ?? Ein Video zeigt den mit Helm und Stiefeln bekleidete­n Mann, wie er in Halle auf offener Straße um sich schießt.
FOTO: AFP Ein Video zeigt den mit Helm und Stiefeln bekleidete­n Mann, wie er in Halle auf offener Straße um sich schießt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany