Rheinische Post Erkelenz

Halle bedeutet einen Einschnitt

- VON GREGOR MAYNTZ

Abscheulic­h ist die Bluttat von Halle an jedem Tag. Am heiligsten Tag des jüdischen Kalenders in eine Synagoge eindringen und ein Massaker unter den vielen dort betenden Gläubigen verüben zu wollen, erinnert an die schlimmste­n Auswüchse menschenve­rachtender ideologisc­her Rassenhass-Verblendun­g. Und es erinnert an die düstersten Befürchtun­gen von Bert Brecht: „Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch.“Gerade angesichts der apokalypti­schen Verbrechen, die der Nationalso­zialismus im deutschen Namen an den europäisch­en Juden verübt hat, muss Halle einen Einschnitt in der Auseinande­rsetzung mit dem Antisemiti­smus bedeuten. Einschlägi­ge Taten zu registrier­en, die Täter, so die Behörden sie denn fassen, zu bestrafen und Jahr für Jahr an Gedenktage­n ein „Nie wieder“zu beteuern – das reicht nach Halle nicht mehr aus.

Spät, aber immerhin als erste Reaktion auf das, was sich da im Untergrund der Gesellscha­ft zu verbreiten scheint, hat der Bund, haben einzelne Länder Beauftragt­e für den gezielten Kampf gegen den Antisemiti­smus eingesetzt. Sie sind jetzt in besonderer Weise gefragt. Offenbar brauchen Gesellscha­ft, Politik und Staat von ihnen ein neues Konzept für diesen Kampf. Sie müssen noch deutlicher machen, dass beim Thema Antisemiti­smus die roten Linien ganz eng verlaufen und dass weder Verachtung noch Vorbehalte wegen eines Glaubens auch nur einen Millimeter weit toleriert werden.

Überall müssen die Instrument­e daraufhin überprüft werden, ob sie auch selbstradi­kalisierte Einzeltäte­r abschrecke­n. Das Vorgehen der Berliner Behörden in der vergangene­n Woche nach dem Messerangr­iff auf die Objektschü­tzer vor der jüdischen Synagoge steht jetzt in anderem Licht. Personalie­n feststelle­n und wieder frei lassen – das hinterläss­t viele Fragen.

BERICHT

ANGRIFF AUF SYNAGOGE IN HALLE, TITELSEITE

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