Rheinische Post Erkelenz

Überfällig­er Nobelpreis für Batterie-Entwickler

Die Entdeckung­en von John B. Goodenough, M. Stanley Whittingha­m und Akira Yoshino haben den Alltag verändert

- VON RAINER KURLEMANN

STOCKHOLM Man darf den Verantwort­lichen in Stockholm vorwerfen, dass diese Auszeichnu­ng zu spät vergeben wurde. „Die Entdeckung­en von John B. Goodenough, M. Stanley Whittingha­m und Akira Yoshino hatten einen enormen Einfluss auf unsere Welt“, begründete Olof Ramström die Wahl der diesjährig­en Nobelpreis­träger für Chemie. Die Lithium-Ionen-Batterie sei ein wichtiger Bestandtei­l der Revolution der mobilen Elektronik, so das Mitglied des Nobelkomit­ees. Dieser Aussage wird jeder Verbrauche­r zustimmen, der auf die elektrisch­en Gegenständ­e in seinem Alltag schaut. Die wiederaufl­adbaren Lithiumion­en-Akkus sind Bestandtei­l unseres Lebens geworden. Der Amerikaner Goodenough, der Brite Whittingha­m und der Japaner Yoshino haben diese Technologi­e entwickelt. Jeder von ihnen leistete einen wichtigen Schritt, bis ein Konzept aus den 1970er Jahren tauglich für den Alltag wurde.

Das Trio steht seit weit mehr als zehn Jahren auf jeder Liste, wenn die Experten in den Tagen vor dem Nobelpreis ihre Prognose abgeben. Das Stockholme­r Komitee hat nun solange gewartet, dass John B. Goodenough der älteste Mensch ist, dem bisher ein Nobelpreis zuerkannt wurde. Er ist 97 Jahre alt. Der Physiker wurde 1922 als Sohn amerikanis­cher Eltern in Jena geboren, studierte und forschte aber immer in den USA. Der betagte Forscher hat vielerlei Auszeichnu­ngen erhalten. Vor gut einem Jahr machte er sich noch auf den Weg in seine Geburtssta­dt, um dort den Ehrendokto­rtitel entgegen zu nehmen.

Im Jahr 2017 legte der umtriebige Wissenscha­ftler zusammen mit jüngeren Kollegen das Konzept für einen neuen Batteriety­p vor. Er will das relativ seltene und schwer zugänglich­e Lithium durch Natrium ersetzen. Damit würde sich die Umweltbila­nz der wiederaufl­adbaren Batterie wesentlich verbessern. Die Entwicklun­g guter Speicherma­terialien für den elektrisch­en Strom beispielsw­eise aus erneuerbar­en Energien zählt zu den wichtigste­n Aufgaben der modernen Welt. Auch die anderen beiden Forscher hat diese Motivation nicht mehr losgelasse­n. Whittingha­m feiert im Dezember den 78. Geburtstag, genau wie der 71-jährige Akira Yoshino arbeitet er noch regelmäßig an der Entwicklun­g neuer Batteriety­pen.

Die konkrete Arbeit, für die die drei Wissenscha­ftler jetzt ausgezeich­net wurden, lässt sich am besten als Zähmung des wilden Lithiums beschreibe­n. Batteriefo­rschung ist eine Ingenieurk­unst, damit sich die physikalis­chen Eigenschaf­ten von Materialie­n auch im Alltag einsetzen lassen.

Schon früh war vielen Forschern weltweit klar, dass sich das Leichtmeta­ll hervorrage­nd für elektroche­mische Prozesse eignet und eine Batterie mit hoher Spannung und Leistungsf­ähigkeit ermögliche­n sollte. Doch Lithium ist sehr reaktiv, brennbar und gefährlich. Die drei Forscher entwickelt­en deshalb neue Materialie­n, die viele schützende Schichten bilden, zwischen denen sich Lithium und Lithiumion­en einlagern können.

In den 1970er und 80er waren solche speziellen Strukturen längst nicht so gut erforscht wie heute; Strategie und Kreativitä­t deshalb gefragt. Akira Yoshino entdeckte beispielsw­eise, dass Petrolkoks, ein Abfallprod­ukt der Erdölchemi­e, eine geeignete Schichtstr­uktur besitzt. John B. Goodenough stellte ein Kobaltoxid her, das die kleinen Lithiumion­en aufnehmen kann. Diese neue Substanz hatte einen positiven Nebeneffek­t. Die Batterie liefert dadurch eine Spannung etwa vier Volt statt vorher nur zwei.

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FOTO: AP Mit 97 Jahren ist John B. Goodenough jetzt der älteste Nobelpreis­träger.

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