Ein Hoch auf Oma und Opa
Bayern feiert am Sonntag den ersten Großelterntag. NRW verzichtet derweil auf diese Symbolik. Die dreifachen Großeltern Susanne und Klaus Mans halten von solch „herausgeputzten Tagen“wenig – von ihren Enkeln umso mehr.
MEERBUSCH Henry ist ein Opa-Kind. Der Dreijährige genießt es, mit seinem Großvater Klaus Mans zu spielen. „Dienstags ist Opa-Tag“, sagt Mans. Erst holt er Henry vom Kindergarten ab, danach wird daheim in Meerbusch gegessen, mit Plastikautos auf dem Boden herumgerobbt und rumgealbert. Stundenlang. „Da bin ich abends schon ein wenig geschafft“, sagt der 65-jährige Düsseldorfer, „aber es macht einen Riesenspaß.“Zwei weitere Enkelinnen, Paula und Mila, leben in Essen, auch dort sind Mans und seine Frau Susanne als Großeltern gefragt und gefordert. Mal versüßen sie den Kleinen mit Geschenken den Tag, mal springen sie als Elternersatz ein. „Ich liebe Kinder“, sagt Susanne Mans, „und es hält mich jung.“
In Bayern werden Großeltern am Sonntag für ihren Einsatz mit einem Feiertag gewürdigt. „Wertschätzung für unsere Großeltern: Bayern führt deutschlandweit den ersten Großelterntag ein“, schrieb der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Mitte September auf Twitter. An jedem zweiten Sonntag im Oktober soll künftig die Rolle der Großeltern herausgehoben werden. Die NRW-Landesregierung sprach sich zunächst gegen einen solchen Gedenktag aus. Grundsätzlich sei es sehr sinnvoll, die zahlreichen wertvollen Beiträge und das große Engagement vieler Großeltern bei der Erziehung und Betreuung von Kindern sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wertzuschätzen, teilte das NRW-Familienministerium damals mit. Bisher sei aber kein symbolischer Tag dafür geplant.
Tatsächlich lässt sich das Engagement von Großeltern sogar in Zahlen messen. Andreas Reidl, der das Internetportal grosseltern.de mitbegründet hat, hat auf der Grundlage von Daten des Deutschen Zentrums für Altersforschung ausgerechnet, dass die rund 21 Millionen Großeltern in Deutschland pro Jahr fast vier Milliarden Stunden für ihre Enkel aufwenden. Und etwa sechs Milliarden Euro investieren, nur für Mitbringsel. „Große Geschenke etwa zu Weihnachten oder zum Geburtstag sowie gemeinsame Reisen sind dabei gar nicht berücksichtigt“, sagt Reidl. Eine öffentliche Wertschätzung der Großeltern sei daher mehr als berechtigt.
Susanne Mans empfindet den Vorstoß der bayerischen Landesregierung dagegen als übertrieben. „Mir reicht die Wertschätzung, die ich durch meine Enkel und meine Kinder bekomme“, sagt die 65-Jährige. Von derart „herausgeputzten Tagen“halte sie wenig. „Ich brauche das nicht“, sagt sie. Diese Reaktion sei typisch für viele Großeltern heute, erklärt Carolin Seilbeck, Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Jugend-Institut in München. Für die Studie „Generationenübergreifende Zeitverwendung: Großeltern, Eltern, Enkel“(2018) hat sie etliche
Großeltern befragt. „Viele haben die Bedeutung ihrer Funktion gar nicht so gesehen“, sagt sie. „Deshalb ist es eine schöne Idee, dies einmal hervorzuheben.“
Grundsätzlich hat sich die Rolle der Großeltern in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Weil die Menschen älter werden und relativ früh Oma oder Opa, nämlich im Schnitt mit 53 Jahren, verbringen sie eine längere Zeitspanne mit ihren Enkeln. „Und da sie tendenziell fitter sind, wollen sie diese Zeit auch aktiver gestalten“, sagt Seilbeck. Von dem Bild weißhaariger Großeltern mit Krückstock und Lesebrille müsse man sich verabschieden. Gerade Männer würden mit ihren Enkeln oft nachholen, was sie wegen ihrer Berufstätigkeit bei den eigenen Kindern verpasst haben. Wobei es oft entspannter zugehe, weil sie nicht die Hauptverantwortung für die Erziehung tragen müssten, erklärt Seilbeck. Das schaffe Gelassenheit. Großmutter Susanne Mans, die als ausgebildete Tagesmutter Kinder auch professionell betreut, sieht das genauso. Wenn sie mal die Erzieherrolle übernehme, sei sie deutlich strenger. „Deshalb möchte ich meine Enkel gar nicht komplett unter meinen Fittichen haben, da verliere ich meinen Oma-Status“, sagt sie.
Gerade diese Sonderrolle birgt allerdings auch Stoff für Konflikte. Zum einen zwischen den Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits, weil diese versuchen, sich zu übertrumpfen, vor allem aber zwischen den Großeltern und den Eltern, weil sie unterschiedliche Auffassungen von Erziehung haben. Sofort darüber zu reden, helfe am besten, rät Susanne Mans. Oder sich gar nicht erst einzumischen. „Erziehungsfragen sind nicht meine Baustelle, sage ich mir immer.“In vielen Familien führe das aber immer wieder zu Problemen, sagt Reidl. So landen frustrierte Großeltern auf seinem Portal und suchen nach Rat. „Für Eltern gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich zu informieren, für Großeltern so gut wie keine“, sagt Reidl. Deshalb gründete er 2014 die Internetseite grosseltern.de – und das Interesse daran wachse ständig. „Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass Oma und Opa ihre Enkel oft begleiten, bis diese mitten im Leben stehen.“
Natürlich gibt es auch Großeltern, die sich nicht gerne einspannen lassen und selbstbestimmter leben wollen, hat Seilbeck in ihrer Studie festgestellt. In der Regel aber sind sie fest in den Alltag und in die Kinderbetreuung eingebunden, holen die Enkel aus der Kita oder der Schule ab, bekochen und bespaßen sie. 91 Prozent der Großeltern gaben an, sich ihren Enkeln sehr verbunden zu fühlen. Dabei gilt: Je besser der Kontakt zu den Eltern, desto besser auch der zu den Enkeln. Da die Zahl der Enkel im Vergleich zu früher abgenommen hat, ist die Beziehung zudem intensiver. Manchmal legen Eltern und Großeltern ihren Wohnsitz extra nah beieinander – aus unterschiedlichen Motiven, aber mit demselben Resultat.
Die Mans möchten ihr Großeltern-Dasein auf jeden Fall nicht mehr missen. Sogar einen dreiwöchigen Urlaub lang haben sie ihren Enkel betreut, weil sich ihre Tochter auf eine Prüfung vorbereiten musste. Ihre eigene Großmutter sei sehr streng gewesen, habe dauernd nur geschimpft, erinnert sich Susanne Mans. Bei ihr sei das vollkommen anders. „Ich bin wirklich Oma“, sagt sie. „Und wenn ich keine Enkelkinder bekommen hätte, wäre ich LeihOma geworden.“