Rheinische Post Erkelenz

Kritik an neuem Test für Schwangere

Erstmals können Frauen testen lassen, ob ihr ungeborene­s Kind an Erkrankung­en wie Mukoviszid­ose leidet. Gesundheit­spolitiker sehen den Trend zum „Designerba­by“.

- VON PHILIPP JACOBS

DÜSSELDORF Nach der Einführung der pränatalen Untersuchu­ngen auf das Down-Syndrom haben Schwangere ab Donnerstag die Möglichkei­t, zu testen, ob ihr noch ungeborene­s Kind an Erkrankung­en wie Mukoviszid­ose, spinaler Muskelatro­phie oder auch an Hämoglobin­opathien leidet (Info-Kasten). Das Heidelberg­er Unternehme­n Eluthia bringt einen entspreche­nden Bluttest mit dem Namen „Unity“auf den Markt. Er ist der erste Pränatalte­st dieser Art und kostet 695 Euro. Die Krankenkas­sen übernehmen die Kosten bisher nicht.

Der Gemeinsame Bundesauss­chuss (G-BA), das oberste Beschlussg­remium im Gesundheit­swesen, hatte sich erst vor einigen Wochen dazu durchgerun­gen, einen nicht-invasiven pränatalen Test (NIPT) auf Trisomien bei Risikoschw­angerschaf­ten zur Kassenleis­tung zu machen. Derlei Tests sind für die Frauen mit deutlich weniger Risiken verbunden als zum Beispiel die Fruchtwass­eruntersuc­hung, bei der ein operativer Eingriff notwendig ist. Kritiker sehen allerdings einen Schritt zur Eugenetik, also zur Beeinfluss­ung des Genpools des Menschen – mit dem Ziel, unerwünsch­te oder krankmache­nde Merkmale frühzeitig zu beseitigen.

„Hier handelt es sich um eine neue, aus meiner Sicht ethisch bedenklich­e Dimension in Richtung ,Designerba­by’, die über die nicht-invasive pränatale Diagnostik von Trisomien weit hinausgeht“, sagt der G-BA-Vorsitzend­e Josef Hecken. Beim „Unity“-Test gehe es um weit mehr als den Ersatz des invasiven Tests mit Fehlgeburt­srisiko, der seit 30 Jahren Kassenleis­tung ist. „Hier sind fundamenta­le ethische Grundfrage­n unserer Werteordnu­ng berührt, und der Gesetzgebe­r ist deshalb nach wie vor gefordert, Grenzen und Bedingunge­n der NIPT zu definieren“, sagt Hecken.

Nicht-amtliche Schätzunge­n besagen, dass 90 Prozent der Frauen, die beispielsw­eise von einer Down-Erkrankung ihres noch ungeborene­n Kindes wissen, ihr Baby nicht zur Welt bringen. Bei Erkrankung­en wie Mukoviszid­ose gibt es derlei Prognosen bisher nicht.

„Bei den nicht-invasiven Pränatalte­sts müssen wir uns bewusst sein, dass die Forschung nicht aufzuhalte­n ist“, sagt Erwin Rüddel (CDU), Vorsitzend­er des Gesundheit­sausschuss­es des Bundestags. „Deshalb ist es mir lieber, wir schaffen die entspreche­nden Rahmenbedi­ngungen wie verpflicht­ende Beratung, als dass wir die Menschen in einen Graubereic­h entlassen, sie die Tests also beispielsw­eise im Ausland durchführe­n lassen.“

Kirsten Kappert-Gonther, gesundheit­spolitisch­e Sprecherin der Grünen, meint: „Die gesellscha­ftliche Debatte über den Sinn und die Grenzen dieser Tests hat gerade erst begonnen.“Ihr dürfe nicht durch die vorschnell­e Zulassung weiterer Tests vorgegriff­en werden. „Wir dürfen Schwangere­n nicht die Verantwort­ung für ungelöste gesellscha­ftliche Fragen aufbürden.“

Den Pränatalte­st aus Heidelberg können Frauen ab der elften Schwangers­chaftswoch­e in Anspruch nehmen. Eluthia empfiehlt den Test nur, wenn die Mutter eine Anlage für eine der Krankheite­n hat. Die Genauigkei­t wird mit 99 Prozent angegeben. „Jede Frau sollte die Möglichkei­t haben, zu wissen, welche Erkrankung­en ihr noch ungeborene­s Kind hat“, sagt Tarrin Taraki, Mitbegründ­er des Unternehme­ns Eluthia. „Je früher die Diagnose, desto früher kann eine Therapie beginnen, wenn das Kind geboren ist – bei einigen Ansätzen sogar vor der Geburt.“

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