Rheinische Post Erkelenz

Sonntags durchgehen­d Brötchen

Der Bundesgeri­chtshof hat entschiede­n, dass Bäckereien mit einem angeschlos­senen Café sonntags über die Ladenschlu­sszeiten hinaus Brötchen und Brote verkaufen dürfen.

- VON GEORG WINTERS

KARLSRUHE Wer sonntags gern frische Brötchen isst, kann die beim Bäcker seines Vertrauens ganztags kaufen, solange die Bäckerei ihm eine Sitzgelege­nheit und einen Tisch bietet. Der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat am Donnerstag entschiede­n, dass Bäckereien mit einem angeschlos­senen Café sonntags über die Ladenschlu­sszeiten hinaus Brötchen und Brote verkaufen dürfen (Aktenzeich­en I ZR 44/19). Als „zubereitet­e Speisen“dürften Brot und Brötchen dort von früh bis spät abgegeben werden.

Der BGH hat die Klage der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerb­s endgültig abgelehnt. Die Wettbewerb­shüter hatten bereits vor dem Landgerich­t München und dem Oberlandes­gericht München verloren. Geklagt hatten sie gegen eine Münchner Bäckereike­tte, der sie illegalen Backwarenv­erkauf vorgeworfe­n hatten. Testkäufer, die dem Vernehmen nach von Konkurrent­en angeheuert worden waren, hatten im Februar 2016 sonntags um kurz nach elf Uhr vormittags Backwaren gekauft und gegen 15.45 Uhr noch einmal. Dazwischen lagen dreieinhal­b Stunden – aus Sicht der Wettbewerb­szentrale illegal, weil in Bayern der Sonntagsve­rkauf auf drei Stunden beschränkt ist. In NRW ist dies für fünf Stunden erlaubt, in Berlin für neun.

Die zeitliche Beschränku­ng gilt aber aus Sicht der Karlsruher Richter nur für reine Verkaufsbe­triebe, nicht aber für Filialen, bei denen es sich um „Gaststätte­ngewerbe im Sinne von Paragraf 1 Absatz eins des Gaststätte­ngesetzes handelt“. Solange also Brötchenve­rkäufer auch Cafés betreiben, in denen „Getränke und Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreich­t“werden, gelten die Regelungen des Gaststätte­ngesetzes. Das heißt: Sie dürfen Brot und Brötchen jederzeit außerhalb der Sperrzeite­n verkaufen.

Der Zentralver­band des deutschen Bäckerhand­werks begrüßte die Entscheidu­ng des Bundesgeri­chtshofs. „Das ist ein Riesenerfo­lg für die Branche“, sagte Hauptgesch­äftsführer Daniel Schneider unserer Redaktion. In der Vergangenh­eit hätten die Bäckereibe­triebe hinnehmen müssen, „dass Tankstelle­n, Bahnhofsup­ermärkte und andere 365 Tage im Jahr Industrieb­ackwaren verkaufen“. Für viele Handwerksb­äckereien seien die Sonn- und Feiertage die umsatzstär­ksten Tage und eine Möglichkei­t, sich gegen die Konkurrenz der Tankstelle­n und Discounter zu behaupten“, so Verbandspr­äsident Michael Wippler. Andreas Ottofüllin­g vom Wettbewerb­sverband erklärte dagegen, niemand wolle „die Sonntagsse­mmel verbieten“, aber der Sonntag sei im Bäckereiwe­sen einer der stärksten Verkaufsta­ge. „Umso mehr müssen hier gleiche Marktbedin­gungen herrschen.“

Welche Konsequenz­en das Urteil haben wird, bleibt offen. „Die Frage, ob und wie lange jemand sonntags verkaufen will, hängt auch an anderen Faktoren – beispielsw­eise am Standort oder an der Frage, ob der Betreiber höhere Feiertagsz­uschläge für seine Beschäftig­ten zahlen will“, gab Schneider zu bedenken. Außerdem gibt es in den einzelnen Bundesländ­ern auch sehr unterschie­dliche Anforderun­gen an Gaststätte­n. Manche müssen beispielsw­eise zusätzlich eine Toilette anbieten, andere nicht. Ein Sprecher des NRW-Wirtschaft­sministeri­ums kündigte auf Anfrage an, das Ministeriu­m bereite einen Runderlass an die Bezirksreg­ierungen vor. Die BGH-Rechtsprec­hung solle möglichst schnell umgesetzt werden.

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