Rheinische Post Erkelenz

Goldhochze­it mit dem Zeitgeist

Die Grünen profitiere­n seit jeher von deutschen Ängsten – genau wie die AfD.

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Sie kennen vielleicht den Spruch: Wer mit dem Zeitgeist verheirate­t ist, ist bald schon Witwe. Das klingt flott und plausibel, weil die Mode im Allgemeine­n und die politische Mode im Besonderen so rasch verweht wie Blätter im Herbstwind. Ausnahmen bestätigen bekanntlic­h die Regel. Denn wie keine andere Gruppierun­g im parteipoli­tischen Spektrum haben die Grünen den eingangs zitierten Satz widerlegt. Keine Witwenscha­ft in Sicht. Im Gegenteil: Grüne und Zeitgeist sehen der Goldhochze­it entgegen.

Wir haben es bei den Grünen seit ihrer Entstehung mit gelenkigen Zeitgeist-Wellenreit­ern zu tun. Sie verbinden deutschen Romantizis­mus mit klugem Kalkül dessen, was politisch-gesellscha­ftlich „in“ist. In ihren Anfängen wirkte die erste Generation wie vom steigenden Wohlstand auf die Gesellscha­ft losgelasse­ne Jungerwach­sene. Deren vereinzelt schmuddeli­ge Frivolität­en und ihr permanent aufständis­ches Gehabe gegen das System und „die Altparteie­n“erinnern heute an Werdegang und Aufwuchs der AfD. Die AfD franst zum rechten Rand hin aus; bei den frühen Grünen waren die Türen zum Linksradik­alismus immer angelehnt. Die hergebrach­ten Parteien mochten lange mit Grünen nichts zu tun haben, schon gar nicht wollten CDU/CSU und SPD mit ihnen regieren. Dafür gab es Gründe. Aber auch hier galt schnell Willy Brandts eherner Satz: „Nichts kommt von selbst und nur wenig ist von Dauer.“

Die Grünen gehören zu den ersten Profiteure­n deutscher Ängste: Ängste vor dem Waldsterbe­n, dem Atomtod und nun vor dem Klima-Gau. Auch hier Parallelen zur AfD, die sich ebenfalls Ängste vieler Landsleute zu Nutze macht. Die AfD mag es gerne hören, die Grünen eher nicht: beide sind typisch deutsch. Als Nachbar wäre mir teutonisch­er Irrational­ismus nicht geheuer.

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