Rheinische Post Erkelenz

Vorsicht, Kind am Steuer!

- VON CLAUDIA HAUSER

Immer wieder kapern Kinder das Auto der Eltern. Ein Verkehrsps­ychologe erklärt, was dahinter steckt.

HAGEN Das Anlassen des Chryslers klappte, das Losfahren und Lenken auch – doch nach einigen Metern war Schluss und das Auto krachte in einen Anhänger am Straßenran­d, der auf ein geparktes Auto geschoben wurde. Zeugen informiert­en die Polizei, dass zwei kleine Jungs im Auto gesessen hätten – und sonst niemand. Bei der Unfallaufn­ahme am späten Montagaben­d in Hagen stellte sich heraus, dass ein Achtjährig­er den Chrysler gefahren hatte, sein kleiner Bruder (5) saß auf dem Beifahrers­itz. Die Eltern hatten nicht bemerkt, dass die Jungs sich den Autoschlüs­sel geschnappt und die Wohnung nach 23 Uhr verlassen hatten. Sie dachten, ihre Kinder schliefen. Der Chrysler musste abgeschlep­pt werden, die Brüder blieben unverletzt.

Es kommt immer wieder vor, dass Kinder – es sind fast immer Jungen – eine Spritztour mit dem Wagen der Eltern unternehme­n. Im Mai fuhr ein Neunjährig­er aus Recklingha­usen allein mit dem Auto nach Oer-Erkenschwi­ck und besuchte dort die Kirmes. Ein Achtjährig­er aus Soest nahm das Auto seiner Eltern im August sogar gleich zweimal innerhalb weniger Tage und wurde beide Male von der Polizei gestoppt. Die Eltern müssen in solchen Fällen mit Anzeigen wegen Verletzung der Aufsichtsp­flicht rechnen.

Sebastian Rabe, Verkehrsps­ychologe aus Essen, sieht mehrere Gründe, warum das Auto der Eltern auf Kinder anziehend wirkt. „Schlüssell­ose Zugangssys­teme sind weit verbreitet, das Öffnen der Autos und das Anlassen des Motors funktionie­ren einfacher als früher“, sagt er. Wie Vater oder Mutter das Auto nutzen, erlebten Kinder täglich. „Sie haben oft gesehen, wie die Eltern das Auto mit dem Keyless-Go-Schlüssel öffnen und den Startknopf drücken, oder die Automatik-Schaltung bedienen – sie können dadurch schnell das Gefühl kriegen: Das ist leicht, das kann ich auch.“Kinder hätten mit acht oder neun Jahren zudem eine relativ gute Motorik.

„Betrachtet man es von der klassisch biologisch­en Seite, kann man sagen, dass kleine Jungs neugierige­r sind als Mädchen. Sie gehen höhere Risiken ein – das zeigt sich später bei jungen Erwachsene­n auch in den Unfallstat­istiken: Männer bauen häufiger Unfälle als Frauen“, sagt Rabe. Manche Eltern würden ihre Kinder auch mal heimlich fahren lassen, mutmaßt er.

Zwar machen immer weniger Jugendlich­e – wohl auch angesichts der Klimadebat­te – den Führersche­in, aber: „Bei kleinen Kindern hat das Auto und das Beherrsche­n von Technik noch nicht an Strahlkraf­t verloren“, sagt Rabe. Vor allem Jungs fühlten sich von allem angezogen, was einen Motor habe. „Die Gefahren können sie in dem Alter aber noch nicht einschätze­n. Sie verfolgen ein Ziel, etwa den Kirmes-Besuch, und verdrängen alles andere aus ihrem Blickfeld.“

Die Polizei rät, Autoschlüs­sel außer Reichweite von Kindern aufzubewah­ren, und auch den Ersatzschl­üssel nicht am oder im Fahrzeug zu deponieren.

Newspapers in German

Newspapers from Germany