Der Modernisierer
Unter Felix Krämer wird der Kunstpalast exklusiver und gleichzeitig populärer. Mal ist Düsseldorfs Kunstmuseum Autosalon, mal Laufsteg. Jetzt geht der Generaldirektor in sein drittes Jahr in Düsseldorf. Eine Zwischenbilanz.
„Das erste Jahr war eine Herausforderung.“So bilanziert es Felix Krämer (48), der das zweite recht erfolgreich absolviert hat und sich mit Beginn des Oktobers in sein drittes Dienstjahr als Generaldirektor des Kunstpalasts stürzte. „Ich mache den Job, weil ich Kunst liebe“, sagt er auch – und dass er viel mehr Menschen zur glücklichen Begegnung mit dem Kunstwerk verhelfen will. Kunst sorge für Freiheit im Kopf; die gesellschaftlichen und politischen Prozesse spiegelten sich in der künstlerischen Ausbeute unserer Zeit.
Kunst hilft gegen Verrohung. Davon ist Krämer überzeugt. Deshalb wendet er sich künftig an neue Zielgruppen, insbesondere an Kinder und Jugendliche. Als erstes deutsches Kunstmuseum bietet der Kunstpalast ab Dezember eine Website extra für Kinder an – finanziert von der Ergo-Versicherung. Weitere Angebote für Kinder sind geplant.
29,4 Millionen Euro bekam Krämer von der Stadt zugesprochen für weitreichende Umbaumaßnahmen. 2022 soll endlich ein Café am Ehrenhof eröffnen, das den Platz belebt. Die Fotosammlung des verstorbenen Galeristen Rudolf Kicken wurde außerdem per Ratsbeschluss für das Museum angekauft zum Preis von rund acht Millionen Euro. Als Zugabe gab es eine Kuratorenstelle für Fotografie. Der Kunstpalast wurde in Krämers erstem Jahr reicher.
Aufsehen erregte Krämer mit der von ihm initiierten Auto-Design-Ausstellung „PS. Ich liebe Dich“, die seine erste große im Kunstpalast war und die mancher Kunstinsider kritisch beäugte. Der Direktor hingegen verbuchte sie als großen Erfolg. Während Kritiker bei der Autoshow den künstlerischen Impuls vermissten, sagt Krämer, er habe damit inhaltliche Beweglichkeit bewiesen. 5000 Kataloge wurden verkauft, das ist eine Menge. 85.000 Besucher schauten sich die schnittigen Oldtimer in abgedunkelten Showräumen an – erreicht wurde offenbar ein anderes Publikum als gewohnt. Es habe vereinzelt sogar euphorische Zustimmung gegeben, berichtet Krämer, manche Neuzugänge im Freundeskreis seien auf genau diese Ausstellung zurückzuführen.
Neuerdings gibt es im Kunstpalast keine Eröffnungen mehr für jedermann. Wer weiterhin kommen will, sollte Mitglied im Freundeskreis werden. „Freibier für alle“, sagt Krämer, „wäre super, ist aber nicht drin.“Sehr ernst sei ihm das Anliegen, das aus Steuergeldern finanzierte Haus nicht unter Wert zu verkaufen. In der Oper und im Schauspiel müssten die Premierenbesucher auch alles selbst bezahlen. „Es ist mir nicht verständlich, warum jemand, der sich nicht für die Kunst interessiert, einen Premierenabend durch seine Steuergelder finanzieren soll.“
Gerade läuft wieder eine Designschau, Pierre Cardins futuristische Mode aus den wilden 1960er Jahren und der Folgezeit. Mode gehört ins Museum. „Darüber braucht man nicht zu diskutieren“, sagt Krämer. Doch ist ein Museum einerseits mehr als ein Autosalon oder ein Laufsteg. Andererseits ist der Kunstpalast mehr als ein klassisches Kunstmuseum. Krämer verweist auf seine vielen Sparten, auf die Konzertveranstaltungen, die Designund Glassammlung – alles zusammen ein Alleinstellungsmerkmal des schwer zu kategorisierenden Hauses. Es ist das Kunstmuseum der Stadt, das auch für die Düsseldorfer Künstler identitätsstiftend ist.
Als Felix Krämer den Chefsessel im Ehrenhof als Nachfolger des Schweizers Beat Wismer besetzte, erwies sich der Halbbrite als kraftvoller Veränderer, der das Museale weiten, das Publikum verjüngen will und eine möglichst große Spannbreite des Angebots anstrebt. „Wir probieren vieles aus“, sagt Krämer, der mitunter Überzeugungsarbeit leisten musste. Vor wenigen Wochen kam Bundespräsident Steinmeier zur Eröffnung der Ausstellung über DDR-Kunst; die Eröffnung der Pierre-Cardin-Schau mutierte zur Lounge-Veranstaltung – mit Designmarkt im Museum. So etwas kommt der angestrebten Spannweite schon recht nah.
Die in Düsseldorf viel diskutierte Namensänderung des Hauses
von Stiftung Museum Kunstpalast zu Kunstpalast findet Krämer richtig, „weil der Begriff Kunstpalast unser ganzes Angebot umfasst“. Einen Konzertsaal mit 800 Plätzen vermute man eher nicht in einem Museum. „Aber es war keine einsame Entscheidung“, sagt er, sondern „nach reiflicher Prüfung mit mehreren Agenturen fiel in allen Gremien der einstimmige Beschluss.“Der sperrige Namen ist einem griffigen gewichen, der einerseits die Tradition fortschreibt und gleichzeitig der Entmusealisierung der Marke dient.
Dies alles passt zur „Übernahme“des NRW-Forums, die Anfang 2020 ansteht. Alain Bieber, der bisherige Chef, wird dann als Abteilungsleiter und Kurator dem Generaldirektor im Kunstpalast unterstellt. Pop, Digitales und Fotografie sollen dort angesiedelt bleiben wie bisher, sagt Krämer und kommt wieder auf den Bildungsauftrag zu sprechen, der nach seiner Auffassung Populäres unbedingt einschließt. Als Zielgruppe peilt er verstärkt die 20- bis 30-Jährigen an, gleichwohl räumt er ein, dass er mit Autodesign und Cardin Ausstellungen in den Kunstpalast gezogen hat, die früher genau so im NRW-Forum hätten stattfinden können, als es noch von Werner Lippert bespielt wurde.
Krämer will den Fotostandort Düsseldorf ausbauen. „Es ist mein Traum, dass das Fotothema komplettiert und realisiert wird“, sagt er und dass es von Starfotograf Andreas Gursky schon einen Entwurf für ein „Fotoinstitut“gebe. „Welche Neugier und Begeisterung in dieser Stadt vorhanden ist, haben wir bei dem Ankauf der Fotosammlung Kicken erfahren – dies wäre in keiner anderen deutschen Stadt so möglich gewesen.“