Lehrer im Umgang mit Gewalt schulen
Der Elternverein NRW kritisiert, dass Lehrer nicht ausreichend geschult seien. CDU und FDP fordern Weiterbildungen für Lehrkräfte.
DÜSSELDORF Der Elternverein in NRW fordert für Lehrer eine Ausbildung im Umgang mit gewalttätigen Schülern. „Die Lehrer sind für solche Fälle nicht qualifiziert. Sie wissen häufig nicht, was sie machen sollen, wenn Schüler sich prügeln oder verbale Gewalt anwenden“, sagt die Vorsitzende Andrea Heck unserer Redaktion. „Sie erkennen meist auch nicht, wenn sich etwas zusammenbraut und können keine Präventionslösungen erarbeiten“, sagt Heck.
Unterstützung für ihre Forderung erhält sie von Fraktionen im Düsseldorfer Landtag. „Wir müssen Ansprechpartner und Hilfestellungen für Betroffene bieten. Und wir wollen auch Fortbildungsangebote für Lehrer anbieten, um mit Gewaltsituationen im Alltag professionell umgehen zu können“, sagte die schulpolitische Sprecherin der FDP, Franziska Müller-Rech. Auch die CDU spricht sich für Schulungen aus. „Lehrkräfte müssen systematisch in Aus- und Fortbildung lernen, Hinweise auf Gewalt, Missbrauch und Mobbing frühzeitig zu erkennen“, sagt CDU-Schulexpertin Sigrid Beer. Auch die AfD unterstützt die Pläne.
Immer mehr Eltern und Lehrer riefen beim Elternverein an, weil sie nicht mehr weiterwüssten mit ihren gewalttätigen Kindern und Jugendlichen. So habe sich vor Kurzem ein besorgter Vater gemeldet, dessen Sohn auf dem Schulweg verprügelt worden ist. „Er wollte wissen, ob er deswegen die Polizei anrufen soll, denn die Schule würde nichts machen. Er war völlig fertig, wusste nicht mehr weiter“, so Heck.
Tatsächlich werden solche Fälle nur sehr selten bei der Polizei angezeigt, da sie häufig als Lappalie abgetan werden. An Schulen (erste bis 13. Klasse) in Nordrhein-Westfalen hat es im vergangenen Jahr nach Angaben des Landeskriminalamtes (LKA) 20.690 angezeigte Straftaten gegeben. Darunter fallen 3013 Körperverletzungsdelikte. 2353-mal wurden Schüler Opfer, in 263 Fällen waren Lehrer die Leidtragenden. Das Dunkelfeld, sagen Lehrer, Eltern und Polizisten, sei jedoch wesentlich höher, die erhobenen Zahlen seien also nur die Spitze des Eisbergs.
Nicht nur unter Jugendlichen nimmt die Gewaltbereitschaft zu, sondern bereits unter Grundschülern. „Siebenjährige sagen zu mir: Komm, was willst du von mir? Dabei heben sie einen Stuhl hoch und drohen, damit auf mich loszugehen“, berichtet ein Lehrer, der anonym bleiben möchte. Viele Schüler würden im Lehrer keine Autorität mehr sehen, sagt Heck. „Lehrer haben mittlerweile regelrecht Angst vor manchen Schülern. Und ich meine nicht vor den Jugendlichen, sondern vor den Kleinstkindern in der Grundschule“, sagt Heck.
Auch die sexuelle Gewalt mittels Smartphone sei in Grundschulen längst Alltag. „Die Kinder schicken sich in ihren Whatsapp-Gruppen Videos, in denen es richtig heftig abgeht.“Spätestens ab der dritten Klasse sei das mittlerweile Normalität, betont Heck. In einer Düsseldorfer Grundschule ist es zuletzt zu einem Eklat in der ersten Klasse gekommen: Ein Erstklässler hatte ein dreiminütiges Pornovideo über den Klassen-Chat verschickt. „Ein Klick, und alle Klassenkameraden hatten das Filmchen auf ihren Handys. Die waren natürlich alle total verstört“, so die Vorsitzende des Elternvereins.
Die Lehrer bekommen davon in der Regel nichts mit – und erfahren meist erst davon, wenn es zu spät ist. Schuld daran sei der Datenschutz. „Die Lehrer dürfen nicht an den Klassenchats teilnehmen. Sie sind da außen vor“, kritisiert Heck.