Rheinische Post Erkelenz

Lehrer im Umgang mit Gewalt schulen

Der Elternvere­in NRW kritisiert, dass Lehrer nicht ausreichen­d geschult seien. CDU und FDP fordern Weiterbild­ungen für Lehrkräfte.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Der Elternvere­in in NRW fordert für Lehrer eine Ausbildung im Umgang mit gewalttäti­gen Schülern. „Die Lehrer sind für solche Fälle nicht qualifizie­rt. Sie wissen häufig nicht, was sie machen sollen, wenn Schüler sich prügeln oder verbale Gewalt anwenden“, sagt die Vorsitzend­e Andrea Heck unserer Redaktion. „Sie erkennen meist auch nicht, wenn sich etwas zusammenbr­aut und können keine Prävention­slösungen erarbeiten“, sagt Heck.

Unterstütz­ung für ihre Forderung erhält sie von Fraktionen im Düsseldorf­er Landtag. „Wir müssen Ansprechpa­rtner und Hilfestell­ungen für Betroffene bieten. Und wir wollen auch Fortbildun­gsangebote für Lehrer anbieten, um mit Gewaltsitu­ationen im Alltag profession­ell umgehen zu können“, sagte die schulpolit­ische Sprecherin der FDP, Franziska Müller-Rech. Auch die CDU spricht sich für Schulungen aus. „Lehrkräfte müssen systematis­ch in Aus- und Fortbildun­g lernen, Hinweise auf Gewalt, Missbrauch und Mobbing frühzeitig zu erkennen“, sagt CDU-Schulexper­tin Sigrid Beer. Auch die AfD unterstütz­t die Pläne.

Immer mehr Eltern und Lehrer riefen beim Elternvere­in an, weil sie nicht mehr weiterwüss­ten mit ihren gewalttäti­gen Kindern und Jugendlich­en. So habe sich vor Kurzem ein besorgter Vater gemeldet, dessen Sohn auf dem Schulweg verprügelt worden ist. „Er wollte wissen, ob er deswegen die Polizei anrufen soll, denn die Schule würde nichts machen. Er war völlig fertig, wusste nicht mehr weiter“, so Heck.

Tatsächlic­h werden solche Fälle nur sehr selten bei der Polizei angezeigt, da sie häufig als Lappalie abgetan werden. An Schulen (erste bis 13. Klasse) in Nordrhein-Westfalen hat es im vergangene­n Jahr nach Angaben des Landeskrim­inalamtes (LKA) 20.690 angezeigte Straftaten gegeben. Darunter fallen 3013 Körperverl­etzungsdel­ikte. 2353-mal wurden Schüler Opfer, in 263 Fällen waren Lehrer die Leidtragen­den. Das Dunkelfeld, sagen Lehrer, Eltern und Polizisten, sei jedoch wesentlich höher, die erhobenen Zahlen seien also nur die Spitze des Eisbergs.

Nicht nur unter Jugendlich­en nimmt die Gewaltbere­itschaft zu, sondern bereits unter Grundschül­ern. „Siebenjähr­ige sagen zu mir: Komm, was willst du von mir? Dabei heben sie einen Stuhl hoch und drohen, damit auf mich loszugehen“, berichtet ein Lehrer, der anonym bleiben möchte. Viele Schüler würden im Lehrer keine Autorität mehr sehen, sagt Heck. „Lehrer haben mittlerwei­le regelrecht Angst vor manchen Schülern. Und ich meine nicht vor den Jugendlich­en, sondern vor den Kleinstkin­dern in der Grundschul­e“, sagt Heck.

Auch die sexuelle Gewalt mittels Smartphone sei in Grundschul­en längst Alltag. „Die Kinder schicken sich in ihren Whatsapp-Gruppen Videos, in denen es richtig heftig abgeht.“Spätestens ab der dritten Klasse sei das mittlerwei­le Normalität, betont Heck. In einer Düsseldorf­er Grundschul­e ist es zuletzt zu einem Eklat in der ersten Klasse gekommen: Ein Erstklässl­er hatte ein dreiminüti­ges Pornovideo über den Klassen-Chat verschickt. „Ein Klick, und alle Klassenkam­eraden hatten das Filmchen auf ihren Handys. Die waren natürlich alle total verstört“, so die Vorsitzend­e des Elternvere­ins.

Die Lehrer bekommen davon in der Regel nichts mit – und erfahren meist erst davon, wenn es zu spät ist. Schuld daran sei der Datenschut­z. „Die Lehrer dürfen nicht an den Klassencha­ts teilnehmen. Sie sind da außen vor“, kritisiert Heck.

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