Zur Halbzeit knirscht es in der Groko
Steuergesetze müssen verschoben werden, weil sich Union und SPD nicht einig sind.
BERLIN Vor der Halbzeitbilanz der großen Koalition Anfang November sind zwischen Union und SPD bei zahlreichen Gesetzesplänen Konflikte entbrannt, die zu Verschiebungen und teils erheblichen Verzögerungen der Vorhaben führen. Betroffen sind drei steuerpolitische Gesetzentwürfe, darunter die geplante steuerliche Forschungszulage für Unternehmen. Doch auch bei den Steuergesetzen zum Klimaschutz gibt es Streit. Mit einer Einigung über die Grundrente für Geringverdiener tun sich beide Seiten zudem schwer: Immerhin gab es hier aber Annäherungen. Kommende Woche soll ein neuer Einigungsversuch unternommen werden.
Die Koalitionsspitzen wollen die Halbzeitbilanz nun Anfang November vorlegen. Ursprünglich war dafür bereits der 23. Oktober vorgesehen. Bedeutsam ist diese Halbzeitbilanz, weil sie jenen Kräften in der SPD Rückenwind geben könnte, die die große Koalition am liebsten vorzeitig beenden möchten. Die Auseinandersetzungen und Streitigkeiten zwischen den Koalitionspartnern nehmen im Gesetzes-Klein-Klein aber schon jetzt zu. So mussten das Jahressteuergesetz 2019 und die Reform der Grunderwerbsteuer wegen unterschiedlicher Auffassungen im Detail wieder von der Tagesordnung des Bundestags genommen und verschoben werden.
Bei der Grunderwerbsteuer streben beide Seiten jetzt sogar keine Einigung mehr in diesem Jahr, sondern erst im ersten Halbjahr 2020 an. In dem Gesetz geht es um Missbrauch mit sogenannten Share Deals, durch die dem Fiskus jedes Jahr Grunderwerbsteuern von bis zu einer Milliarde Euro entgehen. Dabei werden statt Grundstücken Anteile an Gesellschaften mit Immobilienbesitz verkauft.
Auch bei der steuerlichen Forschungszulage, die von Wirtschaftsverbänden seit Jahren gefordert wird, hakt es. Denn die EU hat beihilferechtliche Bedenken, wenn künftig – wie im Gesetzentwurf von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) vorgesehen – die Auftragnehmer in kleinen Unternehmen direkt staatlich bezuschusst werden. Die Union ist deshalb dafür, nur die Auftraggeber der forschenden Unternehmen steuerlich zu fördern.
Bei den steuerlichen Regelungen im Klimapaket bahnen sich ebenfalls neue Probleme an. So fordern aus verfassungsrechtlichen Gründen auch Fernbusunternehmen den ermäßigten Mehrwertsteuersatz, den die Koalition im Fernverkehr der Bahn plant. Die Union akzeptiert dies aber nur, wenn die
Fernbusse wie Lkw auch die Maut bezahlen. Die Unionsfraktion lehnt zudem das komplizierte Verfahren ab, mit dem Scholz den Geringververdienern unter den Fernpendlern eine staatliche Mobilitätsprämie bezahlen will. Auch die Länder schlagen Alarm und wollen teilweise eine Bundesbehörde, die das auszahlt. Bei der ebenfalls geplanten Anhebung der Luftverkehrsabgabe fordern einige in der Union jetzt auch noch Begünstigungen für Regionalflughäfen, die Finanzminister Scholz ablehnt.
Ohnehin wird es noch ein langer und steiniger Weg werden, die Steuerpläne zum Klimaschutz durch Bundestag und Bundesrat zu bringen. Denn die Ministerpräsidenten wollen jene Steuermindereinnahmen, die ihnen etwa durch die geplante Anhebung der Pendlerpauschale entstehen, komplett vom Bund ersetzt bekommen.
Die Verhandlungen in der Koalition und im Bundesrat werden auch in Erwartung der neuen Steuerschätzung kommende Woche nicht einfacher: Die Steuereinnahmen des Bundes würden in diesem Jahr zwar nochmals um vier Milliarden Euro höher ausfallen, als bislang vorausgesehen, zitierte der „Spiegel“vorab aus dem Schätzvorschlag des Bundesfinanzministeriums. Doch im kommenden Jahr lägen die Einnahmen etwa eine halbe Milliarde und in den Jahren danach bis 2023 etwa eine Milliarde geringer, als bisher erwartet.
Vor der Koalition liegt noch ein steiniger Weg bis zur Billigung der Klimaschutz-Steuerpläne