Gladbachs Kapitäns-Effekt
Lars Stindl rettete Borussia in der Europa League in Rom. Und dann wurde er auch noch zum zweiten Mal Vater.
ROM Nach nur etwa zwölf Stunden in Rom ging es für Lars Stindl schon wieder Richtung Heimat. Der Kapitän von Borussia Mönchengladbach machte nur einen Kurztrip in die Hauptstadt Italiens, der jedoch zu einer ganz besonderen Geschichte wurde, die mit seinem Elfmetertor in der Nachspielzeit beim Europa-League-Gastspiel des Bundesligisten zum 1:1 bei AS Rom endete.
Stindl war erst am Mittag vor dem Spiel zur Mannschaft gestoßen, die am Vortag angereist war. Seine Frau Tanita war hochschwanger, er wollte sie nicht so lange alleine lassen. Die wahrscheinlich beste Nachricht (neben dem Ergebnis in Rom) der Woche war für den Spielführer der Gladbacher am Tag nach der nächtlichen Rückkehr: Er wurde zum zweiten Mal Vater, sein Sohn kam am Freitag zur Welt.
Marco Rose empfing seinen Kapitän am Donnerstag im Mannschaftshotel, im Spiel bei der Roma ließ er ihn dann in den letzten 14 Minuten ran. Es war Stindls zweiter Kurzeinsatz nach einer halbjährigen Verletzungspause aufgrund eines Schienbeinbruchs. Und der endete ebenfalls mit einem Erlebnis, das er wohl lange nicht vergessen wird.
Sein 1:1-Ausgleich in der Nachspielzeit brachte seinem Team einen wichtigen Punkt in der Europa League. Der Elfmeter, den er verwandelte, war Gladbach unberechtigt zugesprochen worden, nachdem der Ball nicht die Hand von Roms Verteidiger Chris Smalling, sondern dessen Gesicht berührt hatte. „Nach dem Pfiff war für mich der erste Gedanke, dass ich den schießen möchte“, sagte Stindl. Eine Einstellung, die seinem Trainer äußerst positiv aufgefallen ist. „Lars hat sofort nach dem Ball gesucht und signalisiert, dass er das Ding als Kapitän nehmen will. Das hat mir gefallen“, sagte Rose. „Und wie er ihn dann verwandelt hat, spricht auch für ihn. Spätestens jetzt wissen auch alle, warum er unser Kapitän ist.“Durch Stindls Tor (er traf rechts unten wie einst Andreas Brehme im WM-Finale) hält Gladbach den Anschluss. Dennoch ist das Team mit zwei Zählern Schlusslicht der Gruppe J und muss nun auch international mit dem Siegen beginnen.
Genau das ist den Gladbachern in dieser Saison in der Bundesliga häufiger als jedem anderen Kontrahenten gelungen. Fünf von acht Partien gestalteten die Niederrheiner siegreich, das Resultat daraus ist die Tabellenführung, die der Klub am vergangenen Wochenende erstmals seit den 1970er-Jahren wieder verteidigen konnte. Gelungen ist das trotz einer 0:1-Niederlage im Borussia-Duell in Dortmund.
In Eintracht Frankfurt kommt am Sonntag (18 Uhr) in der Bundesliga das nächste sportliche Schwergewicht auf die Gladbacher zu, es ist ihr drittes Topspiel in Folge. Borussias Kapitän gibt die Richtung für diese Partie aber bereits vor. „Die Tabellenführung ist ein schöner Nebeneffekt, aber den nehmen wir gar nicht so wahr. Wir wollen gegen Frankfurt gewinnen und dann wäre es so, dass wir da oben bleiben“, sagt Stindl.
Sein Tor und der damit verbundene Punkt in Rom soll dafür eine Initialzündung sein. „Das sollte für so viele Dinge wichtig sein. Vor allem für das Gefühl. Wir sind nach der Niederlage in Dortmund in der Serie, die vor uns steht, auch punktemäßig drin. Wir haben spät ein Tor gemacht. Wir haben an uns geglaubt“, sagte Rose. „Das sollte uns etwas bedeuten, wir haben ein ordentliches Spiel gemacht, sogar sehr gute erste 25 Minuten.“
In dieser Anfangsphase spielte Stindl noch keine Rolle, da saß er auf der Bank. Emotional ist er mit der Schubwirkung in Rom auf jeden Fall eine große Option für die Startelf am Sonntag gegen Frankfurt, ob es aber auch körperlich schon so weit sein kann, werden Rose, Stindl und
der Stab der Borussen entscheiden. „Die Zeit war nicht einfach für mich, mich nach so einer langen Zeit zurückzuarbeiten. Ich bin froh, dass der Fuß sich gut anfühlt, ich habe wieder ein gutes Gefühl auf dem Platz. Das wird aber alles vernünftig gesteuert“, sagte Stindl.
Dabei wird er gerade in der jetzigen Phase, die den Weg der Gladbacher in dieser Saison vorbestimmen dürfte, wichtig sein. Deswegen deutet Rose auch an, dass es am Sonntag eine Überraschung geben könnte. Stindl und /oder Jonas Hofmann, der nach zweieinhalb Monaten Verletzungspause sein Comeback in Rom feierte, könnten für Borussia starten. „Grundsätzlich sind die beiden noch keine Option für die Startelf, weil sie aus einem langwierigen Reha-Prozess kommen“, sagte Rose. „Aber aufgrund ihrer Wichtigkeit und ihrer Erfahrung sind sie es möglicherweise doch, weil wir wissen, was die Jungs für einen Wert für uns haben. Wir werden sehen.“
Denn vor Mönchengladbach liegen schwere Spiele, in denen die Klasse und Erfahrung von Stindl und Hofmann wichtig wäre im oft noch zu hektischen Offensivspiel. Nach dem Frankfurt-Spiel kommt es im Pokal zum erneuten Borussia-Duell in Dortmund, anschließend muss Gladbach nach Leverkusen in der Bundesliga, es folgt das Rückspiel gegen AS Rom in der Europa League und das Ligaspiel gegen Werder Bremen. Nach diesen Partien könnte das Team unter Rose weiter im Aufwind sein – aber auch tief gefallen sein in allen drei Wettbewerben.