Dressur abseits der großen Bühne
Ellen Schulten-Baumer ritt einst mit Isabell Werth in der deutschen Dressur-Equipe. Heute bildet sie Pferde aus.
ALPEN Radzionkow, Polen, Frühjahr 2015. Ellen Schulten-Baumer hat ihre Weltcup-Kür beendet und wartet auf die Wertung. Für ihre Darbietung auf Grosso’s Gentle bekommt sie 72,8 Prozentpunkte und gewinnt die Prüfung. Was die Alpenerin da noch nicht weiß: Es wird der vorerst letzte Auftritt auf großer Bühne sein. Grosso’s Gentle wird verkauft, Schulten-Baumer, die einst in der Weltrangliste einen Platz in den Top Ten belegte und mit Dressurqueen Isabell Werth auf einer Anlage trainierte, zieht sich aus dem Weltcup-Zirkus zurück.
Kamp-Lintfort, kurz hinter der Gemeinde Alpen, Gut Saalhof, Herbst 2019. Schulten-Baumer wirkt aufgeräumt. Sie steht am Zaun, der die drei Paddocks umgibt. Auf dem trittfesten Untergrund drehen zwei Pferde ihre Runden. Africa, eine fünfjährige Westfalen-Stute und Bo, ein dreijährige Oldenburger. Dahinter auf der Weide genießen weitere Pferde die wärmenden Sonnenstrahlen. „Das sind unsere Freizeit-Mopeds“, sagt Schulten-Baumer mit einem breiten Grinsen. Immer an ihrer Seite ist Ben, der achtjährige Parson Russell Terrier. „Mein Schatten.“
Vor rund zweieinhalb Jahren hat Schulten-Baumer mit ihrem Lebenspartner Tom Berg (31) das Gut Saalhof gepachtet und gemeinsam mit der Besitzerin aufwändig modernisiert. Es ist die tägliche Arbeit mit jungen Pferde, die der ehemaligen Weltklasse-Dessurreiterin gefällt. Aktuell leben dort 35 Dressurund Freizeitpferde. Eine Bereiterin aus Neuseeland unterstützt Schulten-Baumer und ihren niederländischen Freund. Kennengelernt haben sich die zwei auf einem Turnier, seit 2010 sind sie zusammen, 2011 zogen sie nach Menzelen-Ost, einem Ortsteil von Alpen.
Ihre Karriere begann in Rheinberg. Förderer war ihr Stiefvater Uwe Schulten-Baumer, der auch die zehn Jahre ältere Isabell Werth aus der Nachbarschaft trainierte. Im Alter von acht Jahren lernte Schulten-Baumer auf Madras die ersten Dressur-Übungen kennen. Auf Madras hatte Werth ihre ersten Erfolge gefeiert. Beide Amazonen verstanden
sich gut. Irgendwann kühlte das Verhältnis ab. 2001 verließ Werth den Hof in Rheinberg-Budberg. „Wir haben keinen Kontakt mehr. Aber ich sehe Isabell immer noch gerne beim Reiten zu.“
Wie bei Werth ging’s auch für Schulten-Baumer bergauf. Sie wurde 1998 Europameisterin der Jungen Reiter und gehörte zu den besten Dressurreitern Deutschlands. Besonders erfolgreich verlief das Jahr 2007. Sie war mit Donatha Teil der EM-Mannschaft, die in Turin Silber holte, gewann in Hamburg das Deutsche Dressur-Derby und gehörte in Aachen beim Nationenpreis dem Sieger-Team an. Sie wollte 2008 mit der deutschen Dressur-Equipe zu den Olympischen Reiter-Spielen nach Hongkong. Doch die letzte Sichtung beim Nationen Preis in Aachen zerstörte ihren Traum. Donatha fiel beim Gesundheitscheck durch.
„Das ist lange her“, sagt Schulten-Baumer. Die Ritte vor großem Publikum, das Reisen, die Aufmerksamkeit der Fachwelt, all das vermisst sie nicht. „Ich habe nicht mehr so den Druck. Ich mache mein Lebensglück nicht mehr von einem Prüfungsergebnis abhängig.“Sie nennt das „entschleunigt“. Gleichwohl schaut sich die 40-Jährige zwischendurch immer mal wieder ihren Lieblingsfrack an.
Erinnerungen an die erfolgreiche Zeit weckt Jasper in ihr. Er ist ein Nachkomme von Donatha. Ein Riesenpferd mit einem Stockmaß von fast 1,90 Meter. Als Privileg steht ihm im Stall eine Doppelbox zur Verfügung. „Er ist noch etwas staksig, aber dafür sehr beweglich und eine ehrliche Haut.“Der sechsjährige Jasper bringt die Voraussetzungen mit, ein Championatspferd zu werden. „Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Wir haben viel Geduld. Ohnehin bin ich gegen eine zu schnelle Vermarktung“, sagt Schulten-Baumer.
An diesem Wochenende möchte sich Schulten-Baumer mit ihrem Freund beim Hengstmarkt in Verden umschauen. „Ich genieße es, ganz in Ruhe schöne Pferde zu beobachten.“Eine Rückkehr auf die große Profibühne schließt sie nicht aus. „Aber ich sehe ganz entspannt in die Zukunft. Wenn das richtige Pferde da ist, kann man ernsthafter darüber nachdenken.“Isabell Werth hat sogar mehrere Weltklasse-Pferde unter dem Sattel. Schulten-Baumer gönnt ihrer ehemaligen Trainingspartnerin die Erfolge.
Natürlich verfolgte sie die Entwicklung und die deutsche Dominanz. „Das Niveau ist sehr hoch. Mir fehlt allerdings nach Position fünf oder sechs das Fundament“, sagt sie, dreht sich um und steuert die Box von Jasper an. Ein Ausritt steht an. „Er hat eine hohe Leistungsbereitschaft – die habe ich bei Donatha auch immer gemocht.“