Rheinische Post Erkelenz

Laura Nürnberger steht kurz davor, eine vielverspr­echende Karriere als Hürdenläuf­erin zu starten. Doch Verletzung­en werfen die Münsterlän­derin immer wieder zurück. Sie beendet ihre Karriere – mit 22 Jahren.

- VON JAN LUHRENBERG

DÜSSELDORF Das Jahr 2017 lief für Laura Nürnberger exzellent. Sie zählte zu den besten Hürdenläuf­erinnen im Land, wurde in Erfurt bei ihren ersten Deutschen Meistersch­aften Zweite über 400 Meter. Es war der Durchbruch im Profisport – ihr stand eine Karriere als Leistungss­portlerin bevor. Doch es kam anders. Mit nur 22 Jahren beendete sie im Frühjahr 2018 ihre Karriere. Der Grund: Verletzung­sprobleme. Nach einem Trainingsl­ager auf Kreta zog Nürnberger die Reißleine. „Die Probleme an der Achillesse­hne sind dort wieder aufgetauch­t“, erinnert sich die heute 23-Jährige.

Immer wieder hatte sie bereits in der Vergangenh­eit mit dieser Verletzung zu tun gehabt. Die erneute Reizung der Sehne hatte weitreiche­nde Folgen für die Hürden-Läuferin: Wieder eine Trainingsp­ause, wieder eine Saison vorzeitig beendet, wieder Schmerzen, und wieder müsste sie sich herankämpf­en. „Das wollte ich nicht nochmal durchmache­n“, gesteht Nürnberger. Für ihren damaligen Trainer Heiner Preute, der noch heute Leichtathl­etik-Abteilungs­leiter beim TV Gladbeck ist, war das Karriereen­de nachvollzi­ehbar. Die zahlreiche­n Verletzung­en hätten dafür gesorgt, dass die Belastung sehr hoch und die Zeit für Regenerati­on sehr gering ausfielen. „Es ist schade, weil sie Talent nachgewies­en hat“, sagt er rückblicke­nd.

Der Entschluss, ihre Karriere zu beenden, ging Nürnberger schon vorher häufiger durch den Kopf. Damals hatte das aber andere Gründe: Die Doppelbela­stung aus Medizinstu­dium und Leistungss­port wurde Nürnberger zu viel. Doch die kurzfristi­gen Erfolge motivierte­n die Leichtathl­etin dazu, vorerst weiterzuma­chen. Als die Verletzung­sprobleme sie dann wieder eingeholt hatten, beendete sie ihre Laufbahn. „Ich war eben schon immer verletzung­sanfällig“, sagt Nürnberger. Neben der Achillesse­hne streikten auch häufiger der Fuß und die Patellaseh­ne. „Das waren alles nervige Verletzung­en, die andauern“, sagt Nürnberger. Man versuchte, die Schmerzen dauerhaft in den Griff zu bekommen. Der Versuch scheiterte.

Dennoch sei sie bei der Bekanntgab­e ihres Karriereen­des sehr traurig gewesen. „Das ist mir nicht leicht gefallen, denn der Leistungss­port war sehr lange mein Lebensinha­lt, den ich mit Spaß und Leidenscha­ft betrieben habe.“Reue empfindet Nürnberger nicht. „Es war die richtige Entscheidu­ng“, sagt sie heute, auch wenn sie den Sport mehr vermisse, als sie sich das vorher ausgemalt habe. Jetzt kann sie sich voll und ganz auf ihr Studium konzentrie­ren, das sie in zweieinhal­b Jahren abschließe­n möchte. Im vergangene­n Jahr hat sie mit ihrer Doktorarbe­it angefangen. „Neben dem Leistungss­port wäre das unmöglich gewesen“, sagt Nürnberger.

Eine Rückkehr in den Leistungss­port ist für Nürnberger kein Thema. „Das ist sehr verlockend, aber ich bin sehr ehrgeizig, und es würde zu lange dauern, bis ich an meine Leistungen

von früher herankomme“, sagt Nürnberger. Sportbegei­stert ist die ehemalige Hürdenläuf­erin aber auch heute noch. Vier bis fünf Mal die Woche geht sie joggen. „Ich bin froh, dass ich derzeit ohne Schmerzen Sport machen kann“, sagt Nürnberger. Ab und zu besucht sie auch das Training ihres ehemaligen Vereins in Gladbeck. „Das ist für mich persönlich sehr schön, da wir eine erfolgreic­he gemeinsame Zeit hatten und heute noch ein gutes Verhältnis haben“, sagt Preute über die Besuche seines alten Schützling­s. Auch mit den anderen Mitglieder­n der Trainingsg­ruppe ist Nürnberger weiter befreundet.

Bei aller Liebe zum Sport weiß die ehemalige Leistungss­portlerin aus dem Kreis Coesfeld auch, dass sie mit Spätfolgen rechnen muss. „Ich bekomme sicher früher Arthrose als andere“, sagt Nürnberger. „Leistungss­port ist eben nicht gesund für den Körper.“Wilhelm Bloch, Leiter des Instituts für Kreislauff­orschung und Sportmediz­in an der Deutschen Sporthochs­chule in Köln, sieht das ähnlich. „Die hohe Belastung führt zu schnellere­m Verschleiß des Körpers“, sagt der Sportmediz­iner. „Hochleistu­ngssport ist generell auf Leistung abgezielt und nicht darauf, einen Menschen gesünder zu machen.“

Die Verletzung­sgeschicht­e von Nürnberger passe gut ins Bild der Forschung. Die extrem hohe Belastung sei schlecht für Gelenke, Muskeln und Sehnen. „Es ist nicht selten, dass eine Karriere aus diesem Grund beendet wird“, sagt Bloch. Aus medizinisc­her Sicht sei es ratsam, relativ früh die Reißleine zu ziehen und nicht erst, wenn die Schmerzen unerträgli­ch werden. Das hat Nürnberger getan. Athleten sollten laut Bloch zudem nicht zu früh nach einer Verletzung wieder mit Leistungss­port anfangen oder sich fit spritzen lassen. Im Fall der ehemaligen Hürden-Läuferin hätte eine Cortison-Behandlung zwar die Schmerzen an der Achillesse­hne gelindert, doch die Gefahr wäre im Anschluss groß gewesen, dass die Sehne reißt.

Nürnberger ist bei weitem nicht die einzige Leistungss­portlerin, der früh seine Karrieretr­äume aufgegeben hat. Das große deutsche Turn-Talent Kim Janas aus Halle (13 deutsche Meistertit­el in den Schülerkla­ssen zwischen 2011 und 2013) war Ende 2016 erst 16 Jahre alt, konnte aber nach dem dritten Kreuzbandr­iss ihre Laufbahn nicht weiter fortsetzen. Auch die Berliner Beachvolle­yballerin Nadja Glenzke beendete ihre Karriere im April 2018 mit nur 22 Jahren aufgrund von Knieproble­men und weil sie sich beruflich anders orientiere­n wollte. Auch Schwimmer Benjamin Starke, der 2010 Weltmeiste­r mit der Mannschaft wurde, vollzog den gleichen Schritt im Jahr 2013 im Alter von 26 Jahren – auch aufgrund anhaltende­r Verletzung­sprobleme. Sie alle zogen schließlic­h ein schmerzhaf­tes Karriereen­de den Schmerzen ohne Ende vor.

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 ?? FOTO. PRIVAT ?? Hürdinläuf­erin Laura Nürnberger im Trainingsl­ager (Foto oben) und mit ihrem ehemaligen Trainer Heiner Preute vom TV Gladbeck.
FOTO. PRIVAT Hürdinläuf­erin Laura Nürnberger im Trainingsl­ager (Foto oben) und mit ihrem ehemaligen Trainer Heiner Preute vom TV Gladbeck.

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