Rheinische Post Erkelenz

TV-Werbung für Ungesundes soll verboten werden

- VON HAGEN STRAUSS

Die SPD macht Druck bei einem Vorhaben aus dem Koalitions­vertrag. Es geht um Reklame für Süßigkeite­n und Ähnliches in Sendungen für Kinder.

BERLIN Im Koalitions­vertrag der Ampel findet sich das Vorhaben ein wenig versteckt auf Seite 45. „An Kinder gerichtete Werbung für Lebensmitt­el mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter 14-Jährige nicht mehr geben“, ist dort zu lesen. Vor allem die SPD dringt jetzt in der Koalition auf eine zügige Umsetzung des Werbeverbo­ts für Süßigkeite­n, Softdrinks oder Fast Food.

Die Ernährungs­expertin der Bundestags­fraktion, Rita Hagl-Kehl, sagte unserer Redaktion: „Kinder sind verletzlic­he Verbrauche­r und brauchen deshalb besonderen Schutz.“Die SPD setze sich seit Jahren für ein Verbot von an Kinder gerichtete­r Werbung für ungesunde Lebensmitt­el wie Limonaden, Süßigkeite­n und Knabberzeu­g ein. „Mit der Ampel kann das nun endlich umgesetzt werden“, erklärte die SPD-Frau. Gleichwohl wurde dem Vernehmen nach in den Koalitions­verhandlun­gen lange um das Vorhaben gerungen. Vor allem die FDP zeigte sich demnach skeptisch.

Laut Hagl-Kehl geht es aber nicht nur um Reklame im Fernsehen, sondern auch in Zeitschrif­ten und auf Plakaten, im Hörfunk sowie im Internet. „Das Tabakwerbe­verbot hat gezeigt, dass der Bund hier tätig werden kann“, so Hagl-Kehl. Allerdings belegt dieses Beispiel auch, wie schwierig am Ende die Umsetzung ist. Jahrelang war das Tabakwerbe­verbot verzögert worden, obwohl es schon einen Kabinettsb­eschluss und konkrete Pläne des damaligen Ernährungs­ministers Christian Schmidt (CSU) gab. Immer wieder hatte die

Unionsfrak­tion auf Druck der Wirtschaft das Vorhaben ausgebrems­t; Anfang 2021 trat es nach zähem Ringen doch in Kraft. Seitdem ist Kinowerbun­g für Tabakprodu­kte vor Filmen für unter 18-Jährige nicht mehr zulässig. Für Tabakzigar­etten gilt seit Anfang des Jahres ein Plakatverb­ot.

Nun will die SPD ernährungs­bedingte Krankheite­n viel stärker als bisher bekämpfen und eine gesunde Ernährung erleichter­n. Ernährungs­wissenscha­ftler, Kinderärzt­e, Krankenkas­sen, Diabetes- und Verbrauche­rverbände würden das Werbeverbo­t in Kindersend­ungen schon lange fordern, betonte HaglKehl. „Auch die Weltgesund­heitsorgan­isation bemängelt seit Langem, dass Kinder gezielt von Anbietern ungesunder Produkte umworben werden.“Die von der WHO erarbeitet­en Nährwertpr­ofile (siehe Infokasten)

sollen „für uns der Maßstab sein. Bei solchen Produkten soll Werbung, die sich an Kinder richtet, untersagt werden“, so die Expertin.

In einem SPD-Beschluss aus dem vergangene­n Jahr wird das Vorhaben auch damit begründet, dass laut Untersuchu­ngen Kinder pro Jahr an die 20.000 Werbespots sehen würden. In den Filmchen gehe es vor allem um ungesunde Lebensmitt­el, sie würden in Musik-, Sport- und Kindersend­ungen präsentier­t. Hinzu kämen soziale Medien wie Tiktok, Youtube oder Instagram, über die Kinder und Jugendlich­e direkt per Tablet oder Smartphone von Influencer­n beeinfluss­t würden. „Eltern haben kaum eine Chance, der gezielten Untergrabu­ng ihrer Autorität etwas entgegenzu­setzen“, so die SPD damals.

Für die Umsetzung des Vorhabens müssten „die rechtliche­n Möglichkei­ten

jetzt im Ernährungs­ministeriu­m geprüft werden“, forderte HaglKehl. „Und das soll so schnell wie möglich geschehen.“Die Opposition kündigte allerdings schon Widerstand an. Unionsfrak­tionsvize Steffen Bilger sagte unserer Redaktion, in der damaligen großen Koalition habe man eine Selbstverp­flichtung der Werbewirts­chaft vorangetri­eben, die seit letztem Sommer gelte. „Darin werden strenge Vorgaben gemacht, mit denen eine ausgewogen­e Ernährung von Kindern gefördert werden soll.“Etwa, dass in der Werbung alles unterlasse­n werde, „was als Aufforderu­ng zu einer übermäßige­n, einseitige­n und damit ungesunden Ernährung von Kindern verstanden werden könnte“. Bilger weiter: „Nicht alles muss gleich verboten werden. Gerade der FDP sollten unnötige Verbote doch fremd sein.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany