Rheinische Post Erkelenz

Borussias Revival aus der Hecking-Zeit

Bei Ex-Trainer Dieter Hecking gab es einst eine effektive Doppelacht, die der aktuelle GladbachCo­ach Adi Hütter beim 1:2 gegen Union Berlin in seiner Doppelzehn nun wieder vereinte. Warum diese Rolle zu Jonas Hofmann und Florian Neuhaus passt.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Im Rückblick ist Strenge manchmal gar nicht mehr so schlimm, sondern hilfreich. Was viele Menschen über den einen oder anderen Lehrkörper aus Schulzeite­n sagen, wird der Fußballpro­fi Florian Neuhaus, 24 Jahre alt und angestellt bei Borussia als kreatives Element, vielleicht über den Fußball-Lehrer Adi Hütter sagen, wenn er irgendwann auf seine Karriere zurückscha­ut. Denn Hütter nahm ihn aus dem Team genommen, als Neuhaus nicht tat, was nötig war. Neuhaus schmollte, monierte fehlende Rückendeck­ung. Doch offenbar hat er sich nebenbei auch die richtigen Gedanken gemacht. Jedenfalls scheint Hütters Maßnahme Effekte zu haben.

„Flo hat absolut verstanden, wie wir auf dem Platz arbeiten, er hat unserem Spiel unheimlich diesbezügl­ich gegeben“, sagte Hütter nach dem 1:2 gegen Union Berlin, einem verlorenen Spiel, in dem Neuhaus mit seiner Darbietung zu den Lichtblick­en gehörte. Hütters Zufriedenh­eit beruht sicher auch darauf, dass seine Botschaft angekommen ist beim Spieler.

Dass Hütter Neuhaus auch anders definiert im Vergleich zu seinem Vorgänger Marco Rose, der den gebürtigen Bayern zum Sechser

umprogramm­ierte, als Denis Zakaria fehlte, kommt dem Spielstark­en entgegen. Und nun hat Hütter Neuhaus nicht nur eine Position im offensiven Mittelfeld zurückgege­ben, sondern auch noch für eine Wiedervere­inigung gesorgt: Neuhaus spielte gegen die Berliner mit Jonas Hofmann auf der Hütter-typischen Doppelzehn.

Erfunden hat das Duo indes Dieter Hecking, Hütters Vor-Vorgänger. Der bastelte ein 4-3-3-System zusammen, und in dem waren Hofmann und Neuhaus, der damals seine erste Bundesliga­saison spielte, eine doppelte Acht, also ein bisschen weiter hinten platziert. Hofmann, der bis dahin vor allem außen gespielt hatte, blühte auf und Neuhaus legte einen bemerkensw­erten Start in Liga eins hin. Auch die beiden Herren waren mit dafür verantwort­lich, dass Borussia nach dem 20. Spieltag der Saison 2018/19 Zweiter war und als Kandidat für den Meistertit­el gehandelt wurde.

Hofmann, der inzwischen mit einem hippen Vollbart ausgestatt­et ist, ist ein gewiefter Anläufer und Kenner der ominösen Tiefe in den vorderen Räumen, jener Räume, in die der elegante Neuhaus mit Vorliebe hineinstie­ß. Hofmann schoss fünf Tore, so viele wie nie zuvor bis dahin, Neuhaus kam bis Spieltag 20 auf zwei Treffer und acht Vorlagen. Immer wieder provoziert­e er auch Elfmeter-Situation, wenn er mit viel Tempo in den Strafraum eindrang. Hütter wird sich denken: Gerne wieder.

Der beste Kumpel von Neuhaus ist im Gladbacher Team Christoph Kramer. Die beiden bilden oft eine Fahrgemein­schaft nach Düsseldorf und podcasten gemeinsam. Bei Rose waren sie eine Kumpel-Doppelsech­s. Mit Hofmann war Neuhaus früher eine kongeniale Doppelacht. Nun sind beiden ein paar Meter weiter vorn wieder vereint in Hütters Doppelzehn im 3-4-2-1. Hofmann (sieben Treffer) und Neuhaus (vier) sind die torgefährl­ichsten Borussen der Saison, die Kooperatio­n könnte die Effektivit­ät noch steigern.

Trotz der Niederlage zeigte das Berlin-Spiel, dass Hofmann/Neuhaus eine fast zwingende Variante ist, denn beide Herren spielten richtig gut. Hofmann sammelte den ersten Bundesliga-Assist ein und gab einen Torschuss ab, Neuhaus derer vier, die meisten aller Borussen. Zudem gewann er 63 Prozent seiner Zweikämpfe und rannte mit

11,48 Kilometern mehr als jeder andere Gladbacher. Mit letzteren Werten beeindruck­te er Hütter wohl am meisten. Denn gerade diese Aspekte hatten dem Trainer bei Neuhaus vorher gefehlt.

Es ist eine Entwicklun­g, die sicherlich auch Hansi Flick, dem Bundestrai­ner, gefallen wird. Denn mit dieser neuen Robustheit wird Neuhaus auch für das DFB-Ensemble noch mal interessan­ter. Hofmanns Flexibilit­ät und Spielstärk­e sind bei Flick ohnehin sehr angesehen. In Gladbach ist Hütter derweil froh, dass Hofmann nach überstande­ner Meniskus-OP gleich wieder leistungsb­ereit ist. „Er hat unserem Spiel unglaublic­h gut getan. Er findet immer wieder die Tiefe, das hat uns in den vergangene­n Wochen gefehlt“, sagte der Österreich­er. Der Laufweg Hofmanns vor dem 1:1 belegt seine Worte.

Es ist also in gewisser Weise ein Revival aus der Amtszeit Dieter Heckings, das Hütters Borussias Hoffnung macht. Insbesonde­re jetzt, da Kapitän Lars Stindl lange fehlen wird, wird es darauf ankommen, dass die beiden Nationalsp­ieler im offensiven Mittelfeld Führungsar­beit leisten. Als dynamische­s Duo im vorderen Mittelfeld wie einst bei Hecking.

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FOTO: DPA/ANSPACH Früher Doppelacht, jetzt Doppelzehn: Jonas Hofmann und Florian Neuhaus.

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