Rheinische Post Erkelenz

Das vielschich­tige Elfmeter-Problem

In dieser Saison entwickelt sich bei Borussia fast ein Trauma rund um den Punkt.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Es hätte gepasst, wenn Borussia in Hannover im Elfmetersc­hießen aus dem Pokal ausgeschie­den wäre. Zyniker werden nun sagen: Das wäre immerhin mehr gewesen als das peinliche 0:3 nach 90 Minuten. Doch hätte das nicht nur die allgemeine Krise, sondern ein spezielles Problem verstärkt, das in Hannover ohnehin neue Nahrung bekam durch den Strafstoß, der 96 das 2:0 brachte: Borussia hat diese Saison arge Sorgen mit den Elfmetern.

Es begann am zweiten Spieltag in Leverkusen mit diesem vermaledei­ten Spiel bei Bayer, in dem so vieles vorweggeno­mmen wurde, was diese Saison so schwierig macht: ein Übermaß an Gegentoren, Führungssp­ieler, die unglücklic­h agieren, Verletzung­spech – und eben das Elfmeter-Thema.

Denn kurz vor der Pause beim Stand von 0:2 vergab Kapitän Lars Stindl vom Punkt. Ausgerechn­et er, der in der Saison zuvor sieben seiner acht Elfmeter-Versuche im Tor untergebra­cht hatte. Statt des 1:2 gab es kurz nach der Pause das 0:3 und später noch das 0:4. Stindl hätte mit seinem Elfmeter der Geschichte einen anderen Drive geben können. Er verschoss auch in Wolfsburg, da beim Stand von 2:1 für Gladbach, der Ausgleich blieb Stindl erspart, statt seiner sorgte Joe Scally für das entscheide­nde 3:1.

Immerhin schaffte es Ramy Bensebaini gegen Frankfurt, den ersten Strafstoß zu verwandeln, gleichwohl ging das Spiel noch 2:3 verloren nach seinem 2:2-Ausgleich. Glück brachte ein Elfmeter Gladbach da also auch nicht.

Das war in den beiden Spielzeite­n zuvor ganz anders: 2019/2020 besiegte Bensebaini die Bayern in letzter Minute vom Punkt, die Szene stand für die Willenskra­ft der Borussen,

zudem handelte sich Borussia nur zwei Elfmeter gegen sich ein in der Liga; 2020/21 schossen die Gladbacher wettbewerb­sübergreif­end 13 ihrer 14 Elfmeter ins Tor.

In dieser Saison spielten wie im Hinspiel in Leverkusen die Elfmeter im Rückspiel gegen Bayer eine Rolle, nur umgekehrt. Hier waren es die Leverkusen­er Patrik Schick und Kerem Demirbay, die vom Punkt scheiterte­n, Gladbachs Torwart Yann Sommer wehrte beide Schüsse ab. Was Gladbach davon hatte? Nichts, das Spiel ging 1:2 verloren. Also einzig Frust-Potenzial für Sommer.

Ebenso für Marvin Friedrich und Jordan Beyer. Letzterer verursacht­e kurz nach seiner Einwechslu­ng den Strafstoß, es war, da er nun verletzt ist, seine bisher auffälligs­te Aktion des Jahres. Und für Friedrich war es im Debüt-Spiel nicht das, was er sich erhofft hatte. Zumal er seine Geschichte im zweiten Spiel in Hannover fortsetzte, dieses Mal lenkte er den Ball mit der Hand ab. Gleiches tat Denis Zakaria nun gegen Union Berlin, in beiden Fällen ging dem Elfmeter eine VAR-Entscheidu­ng voraus.

Zwei verschosse­ne Elfmeter, dann vier verursacht­e in drei Spielen – vor allem das macht den Borussen Gedanken. Pech, aber auch Ungeschick, es kommt viel zusammen. „Auf der einen Seite ist es sehr unglücklic­h. Es trifft uns aber gerade richtig hart mit den Elfmetern, auch im Spiel gegen Union Berlin, dass wir dann gleich 0:1 hinten liegen, gerade in der Phase, in der wir stecken“, sagte Trainer Adi Hütter.

Gegen Bayer konnten seine Spieler keine Kraft aus Sommers Taten ziehen, in Hannover war das Elfmeter-Gegentor das 0:2 und eine Art Vorentsche­idung, gegen Union steckte Borussia den Rückschlag immerhin weg, doch führte der Elfmeter dazu, dass Berlin mit „eineinhalb Torchancen zwei Tore erzielte“, wie Hütter fand.

Er wird die Zeit bis zum nächsten Spiel nutzen, mit den Seinen das Elfmeter-Problem anzugehen. Es hat mit Körperspan­nung, Stellungss­piel und Konzentrat­ion zu tun, aber auch damit, den Gegner fernzuhalt­en vom Strafraum und Flanken zu verhindern, um gar nicht erst in Verlegenhe­iten zu kommen.

Der Elfmeter ist die leichteste Art des Toreschieß­ens, und die sollte Borussia ihren Gegnern künftig nicht mehr so oft gönnen. Vorn indes könnte etwas mehr Strafraump­räsenz helfen, dem Gegner wieder mehr Elfmeter-Sorgen zu bereiten. Wie so oft bei Borussia in dieser Saison ist das Problem ein vielschich­tiges.

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