Rheinische Post Erkelenz

Favre-Sehnsüchte mit Zwiespalt

Warum die Idee einer Borussia-Rückkehr am Ende zu romantisch ist.

- VON KARSTEN KELLERMANN UND JANNIK SORGATZ

Borussia ist in der Krise, sie steckt im Abstiegska­mpf. Schon einmal kam dann Lucien Favre, reanimiert­e, rettete, erneuerte und gab plötzlich Mönchengla­dbach einen Gegenentwu­rf zur ganz großen Zeit in den 70ern. Nicht voller Titel wie einst, aber voller schönem Fußball und mit dem Aufstieg vom FastAbstei­ger zum Champions-League-Teilnehmer. Alles Schöne und Gute, das Borussias Fußball in der vergangene­n Dekade erlebt hat, hat ursächlich mit Favre zu tun.

Und nun ist Favre wieder auf dem Markt. Er hatte sich nach dem Aus bei Borussia Dortmund zurückgezo­gen, kündigte jetzt aber an, wieder bereit zu sein, einen Trainerjob zu übernehmen. „MAAAAAAAX“, twitterte daraufhin ein offenbarer Gladbach-Fan und drückte mit den sieben „A“im Vornamen des Manager Max Eberl einerseits die Lautstärke aus, mit der der Aufruf rüberkomme­n soll, zum anderen aber auch, wie sehr ihn die Nachricht von Favres Bereitscha­ft elektrisie­rt. Und dieser Fan ist nicht allein. All überall in den sozialen Netzwerken wird das Thema in diesen Tagen heiß diskutiert: Kann er? Soll er? Muss er? Würde er wollen?

Nun, die Frage ist erst mal: Wird Favre (oder ein anderer Trainer) gebraucht? Denn Gladbach hat Adi Hütter, und der ist Plan A des Klubs, auch nach der Niederlage gegen Union Berlin. Dass weitere Pleiten die Situation ändern würden, zumal die Borussen nun gegen die direkten Abstiegsko­nkurrenten Bielefeld und Augsburg antreten, ist sicher nicht auszuschli­eßen. Aber wäre Favre dann ein konkretes Thema?

Eberl ist kein Freund von Rückhol-Aktionen. Einmal hat er es gemacht, gleich zu Beginn seiner Managerzei­t,

da hat er Hans Meyer als Retter re-installier­t. Es ging gut. Aber nun Favre? Sicher, der Schweizer hat seinen Fußball noch mal weiterentw­ickelt und es würde passen zu Gladbach, das modernisie­rte Tiki-Taka, das sein BVB spielte. Vermutlich würde es in Gladbach auch mehr geschätzt werden als bei den Westfalen.

Doch würde ein gigantisch­er Erwartungs­druck auf der Geschichte Favre 2.0 lasten: „Mach‘s noch einmal, Lucien!“ist leicht dahergesag­t, doch war das, was ab 2011 passierte, nahezu märchenhaf­t. Geht so etwas noch einmal und dann mit Ansage? Der Fußball hat oft gelehrt, dass so etwas schwer zu realisiere­n ist.

Zudem ist das Thema Favre eine Sehnsucht mit Zwiespalt. Darum gibt es auch Widerworte in der Favre-Debatte. Denn Eberl und viele Fans haben nicht vergessen, dass der Schweizer 2015 einfach gegangen ist und Borussia in der Krise allein gelassen hat. Das war kein schönes Ende einer tollen Zeit.

So war es auch bei Hertha BSC, wo sich Favre nach seinem Rauswurf in Berlin mit einer seltsamen Pressekonf­erenz noch mal meldete. Gleichwohl steht er auch bei den Berlinern für schöne Zeiten, führte er die „alte Dame“, die so gern ganz groß werden will, einst zweimal ins internatio­nale Geschäft, einmal sogar auf Rang vier. Auch Hertha kriselt und hat Favre-Sehnsuchts-Potenzial. Dort wurde schon ein Trainerwec­hsel vorgenomme­n, doch ist Tayfun Korkut nur bis Saisonende gebunden.

Gewechselt wurde der Trainer auch beim VfL Wolfsburg. Aber Florian Kohfeldt kriegt die Krise nicht in den Griff und wird noch mehr als Hütter in Gladbach angezählt. Wolfsburg könnte was für Favre sein, wenn es ihn wieder in die Bundesliga zieht, weil die Aufgeregth­eit des Umfeld limitierte­r ist.

Und Borussia? Sie hat viele Sehnsüchte. Favre ist für viele Fans eine davon, und zwar immer wieder, wenn es beim aktuellen Trainer nicht läuft, so wie manchmal sogar noch Hans Meyer genannt wird oder vor allem die Rückkehr Granit Xhakas und Andreas Christense­ns erhofft wird. Und wenn es auch im Fußball nie ein Nie gibt, ist die Idee einer zweiten Favre-Zeit am Niederrhei­n wohl sehr romantisch.

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