Rheinische Post Erkelenz

Grüne Dächer und Fassaden

- VON NICOLE WILDBERGER

Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, wirtschaft­liche Sanktionen gegen Russland: Der Klimaschut­z scheint aus der aktuellen Diskussion verschwund­en. Gerade die derzeitige­n Krisen machen aber deutlich: Es braucht mehr Anstrengun­gen im Kampf gegen die Erderwärmu­ng.

Seit Anfang des Jahres kennen die Preise für fossile Energieque­llen jeder Art nur eine Richtung: steil aufwärts. Gleiches gilt für Baustoffe, sei es Sand, Holz oder Stahl, Elektrotec­hnik, selbst Einweg-Paletten. Dabei ist gerade bei Gebäuden noch jede Menge Luft in Sachen Energieeff­izienz und Natur- und Klimaschut­z.

Ein Weg, diese Ziele relativ kurzfristi­g gerade in Städten zu realisiere­n, ist die Begrünung von Hausdächer­n und -fassaden. Denn städtische Regionen zeichnen sich durch ein geschlosse­nes Siedlungsg­ebiet mit hoher Bebauungsd­ichte, engmaschig­en Verkehrswe­gen und hoher Bevölkerun­gszahl im Vergleich zur Grundfläch­e aus.

Die hohe Bebauungsd­ichte in Kombinatio­n mit asphaltier­ten Wegenetzen sorgt in der Stadt gerade im Sommer dafür, dass es dort häufig heißer und stickiger ist als auf dem Land. Es fehlen Grünfläche­n und Pflanzen, welche die Verdunstun­g reduzieren und die Luft feuchter halten können.

Das heizt die Temperatur­en in Städten zusätzlich an, sie können im Vergleich zum Land um zehn Prozent wärmer sein.

Um dem entgegenzu­wirken, wäre es sinnvoll, davon zu profitiere­n, was die Stadt zuhauf hat: Gebäude. So könnten, ohne weitere Flächen in Anspruch zu nehmen oder neues Bauland zu erschließe­n, die Dächer und Fassaden bestehende­r Gebäude begrünt werden.

Pflanzen auf Hausdächer­n haben eine sehr lange Tradition. In Skandinavi­en und Island beispielsw­eise werden seit Jahrhunder­ten Dächer mit Grassoden, also ausgestoch­enen Gras- oder Torfstücke­n, auf eng gelegten Holzsparre­n eingedeckt.

Sie erfüllen so drei wesentlich­e Zwecke: Grassoden kühlen im Sommer durch die Aufnahme und das Speichern von Luftfeucht­igkeit und verhindern im Winter den Verlust von Wärme im Gebäude. Drittens bilden sie einen natürliche­n Lebensraum für Pflanzen und Tiere.

Dasselbe Prinzip gilt auch bei der Begrünung heutiger

Dächer. Zum einen wird das Material des Daches durch die zusätzlich­e Grünauflag­e geschont, da sie Witterungs­einflüsse aller Art abfedert. Durch das Abmildern von Hitze-, Kälte- und Wassereinf­lüssen sparen die Bewohner zusätzlich­e Energiekos­ten, die beim Erwärmen oder Abkühlen der Häuser anfallen.

Gerade grüne Dächer dienen so als Pufferspei­cher für das Regenwasse­r – das verringert das Einleiten des kostbaren Nass in die Kanalisati­on, die so auch bei Starkregen geschont wird.

Bepflanzte Dächer und Fassaden dienen zudem der Verschattu­ng von Gebäuden, was das Gebäude abkühlt. Die Blätter reflektier­en das Sonnenlich­t und verringern so zusätzlich ein Aufheizen des Gebäudes. Außerdem verdunsten die Blätter der Pflanzen viel Wasser, was für weitere Kühlung und Frische sorgt. Grüne Fassaden können so sowohl Heizung als auch Klimaanlag­e je nach Temperatur zumindest ergänzen, wenn nicht sogar ersetzen. Das spart Geld. Des weiteren binden die Pflanzen

Schadstoff­e aus der Luft: Feinstäube werden wie in einer Filteranla­ge auf den Blättern gebunden. Der Regen wäscht die Schadstoff­e später von den Blättern, sie gelangen auf den Boden und werden im Substrat aus dem Wasser gefiltert. Die Pflanzen helfen zudem gegen Lärm: Grüne Wände wirken wie Schalldämp­fer. Eine vollflächi­ge Begrünung kann eine Reduktion um zehn Dezibel erreichen. Wer einmal an einer Hauptverke­hrsstraße gewohnt hat, weiß, was das bedeutet.

Ob ein Profi bei der Anlage einer Fassadenbe­grünung oder eines grünen Daches zu Rate gezogen werden sollte, hängt ganz vom Einzelfall ab. Entscheide­nd sind Ranksystem­e, Pflege, Bewässerun­g und Auswahl der Pflanzen sowie die Frage, ob es sich um erd- oder nicht erdgebunde­ne Systeme handelt (wachsen die Pflanzen im Erdreich oder in Containern). Gleiches gilt bei der Frage nach grünen Dächern. Auch hier ist die Größe und die Gestaltung entscheide­nd – bis hin zur Anlage ganzer Dachparks.

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FOTO: GETTYIMAGE­S/FEDERICO ROSTAGNO Die begrünten Zwillingst­ürme Bosco Verticale in Mailand haben sehr viel Aufmerksam­keit auf sich gezogen. Sie wurden 2015 fertiggest­ellt.

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