Rheinische Post Erkelenz

Erkelenzer Land kämpft gegen Ärztemange­l

- VON CHRISTOS PASVANTIS

In den kommenden Jahren wollen viele Ärzte in den Ruhestand gehen, schon jetzt sind einige Stellen unbesetzt. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g will gegensteue­rn und junge Kollegen aufs Land locken.

ERKELENZ Issmail Ragab ist Arzt aus Leidenscha­ft. Seit 24 Jahren praktizier­t der Internist in Erkelenz, derzeit auf der Kölner Straße in unmittelba­rer Nähe zur Volksbank. Doch so gerne Ragab seinen Beruf ausübt – er denkt an den wohlverdie­nten Ruhestand. Ragab ist schließlic­h mittlerwei­le 75 Jahre alt, ein Alter, in dem die allermeist­en Menschen schon längst zu Rentnern geworden sind. Doch als Arzt ist das nicht immer so einfach. Denn Ragab sucht bislang erfolglos nach einem Nachfolger. Seine Praxis schließen? Das könnte er natürlich. „Aber ich kann meine Patienten doch nicht einfach auf der Straße sitzen lassen. Die haben doch niemanden mehr, wenn ich einfach aufhöre.“

Situatione­n wie diese sind keine Seltenheit in Erkelenz und Umgebung. Landärzte zu finden, wird immer schwierige­r, denn die Herausford­erungen, Risiken und der Arbeitsauf­wand für junge Kollegen sind vielfältig, viele ziehen eine Anstellung in der Stadt oder in einem Krankenhau­s vor. Die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein zählt in ihrem Zuständigk­eitsbereic­h, der sich vom Kreis Kleve im Norden bis nach Wuppertal und den Oberbergis­chen Kreis im Osten und nach Aachen im Süden erstreckt, derzeit 220 freie Sitze im hausärztli­chen Bereich – die meisten davon in ländlichen Regionen wie dem Kreis Heinsberg. Der durchschni­ttliche Arzt im Kreis Heinsberg ist 57,3 Jahre alt, viele Kollegen stehen in den kommenden Jahren also vor dem Ruhestand und könnten eine Lücke reißen.

„Diese Altersstru­ktur ist nicht ungewöhnli­ch“, sagt Frank Bergmann, Vorstandsv­orsitzende­r der KV Nordrhein. „Als Arzt steigt man ja nicht als 25- oder 30-Jähriger ein, sondern eher in Richtung 40.“Zuerst stehen schließlic­h mindestens sechs Jahre Studium und fünf Jahre FacharztAu­sbildung an. Trotzdem liegt der Schnitt des Kreises knapp drei Jahre über dem des Nordrheins (54,6). Ins Heinsberg sind derzeit sieben Stellen unbesetzt, in Erkelenz anderthalb, in Wegberg ist die Auslastung­ssituation gut, dort ist lediglich eine halbe Stelle offen. Die Tendenz in der Region ist allerdings steigend, da einige Kollegen, wie etwa Issmail Ragab, mit dem Ruhestand liebäugeln.

Die KV Nordrhein will gegensteue­rn und zwischen jungen, interessie­rten Ärzten und älteren Kollegen vermitteln. Dabei helfen Veranstalt­ungen wie die „Landpartie“, die am Wochenende auf dem Göddertzho­f in Kleinbousl­ar stattfand. 15 interessie­rte Mediziner waren gekommen. „Das ist für eine solche Veranstalt­ung

schon gut“, bilanziert Frank Bergmann. Ein Interessen­t ist sogar aus Hessen angereist.

Unter den Teilnehmer­n ist auch ein junger Kollege aus dem Erkelenzer Land, der gerne eine Praxis in der Region gründen will und deshalb anonym bleiben möchte, um seine Verhandlun­gsposition nicht zu verschlech­tern. „Mir gefällt es in der Region, ich mag die Menschen und würde mich gerne hier niederlass­en.“Der Jungarzt spricht aber auch über seine Sorgen: „Im Studium oder Krankenhau­s bringt dir keiner bei, wie du eine Praxis führst, Personal verwaltest. Das muss man alles selber machen.“

Hinter einer Praxiseröf­fnung oder -übernahme stecken schließlic­h finanziell­e Risiken, dazu ein potenziell deutlich größer Arbeitsauf­wand. „Wir versuchen, durch Fördermitt­el aus einem Strukturfo­nds, aber auch durch persönlich­e Beratung zu helfen“, sagt Frank Bergmann.

Bis zu 70.000 Euro könnten für eine Niederlass­ung in Aussicht gestellt werden, Geld gibt es auch für eine Anstellung oder eine Zweigstell­e. Der KV-Chef glaubt, dass es auch in Zukunft noch den klassische­n Landarzt geben wird. Der Trend gehe aber eher zu Gemeinscha­ftspraxen und medizinisc­hen Versorgung­szentren. „Es wird auf dem Land in Zukunft beides geben“, sagt er.

Wichtig sei es, junge Ärzte schon früh zur Arbeit auf dem Land zu bewegen, beispielsw­eise durch eine Mitarbeit bei einem älteren Arzt. „Es gibt einen gewissen Klebeeffek­t“, meint Bergmann. „Wo man einmal für ein paar Wochen gearbeitet hat, da bleibt man auch gerne längerfris­tig.“

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ARCHIVFOTO: BRETZ Frank Bergmann ist Vorstandsv­orsitzende­r der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein.
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RP-FOTO: CPAS Ärztezentr­en wie hier in Erkelenz am Krankenhau­s könnte es in Zukunft auf dem Land noch häufiger geben.

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