Erkelenzer Land kämpft gegen Ärztemangel
In den kommenden Jahren wollen viele Ärzte in den Ruhestand gehen, schon jetzt sind einige Stellen unbesetzt. Die Kassenärztliche Vereinigung will gegensteuern und junge Kollegen aufs Land locken.
ERKELENZ Issmail Ragab ist Arzt aus Leidenschaft. Seit 24 Jahren praktiziert der Internist in Erkelenz, derzeit auf der Kölner Straße in unmittelbarer Nähe zur Volksbank. Doch so gerne Ragab seinen Beruf ausübt – er denkt an den wohlverdienten Ruhestand. Ragab ist schließlich mittlerweile 75 Jahre alt, ein Alter, in dem die allermeisten Menschen schon längst zu Rentnern geworden sind. Doch als Arzt ist das nicht immer so einfach. Denn Ragab sucht bislang erfolglos nach einem Nachfolger. Seine Praxis schließen? Das könnte er natürlich. „Aber ich kann meine Patienten doch nicht einfach auf der Straße sitzen lassen. Die haben doch niemanden mehr, wenn ich einfach aufhöre.“
Situationen wie diese sind keine Seltenheit in Erkelenz und Umgebung. Landärzte zu finden, wird immer schwieriger, denn die Herausforderungen, Risiken und der Arbeitsaufwand für junge Kollegen sind vielfältig, viele ziehen eine Anstellung in der Stadt oder in einem Krankenhaus vor. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein zählt in ihrem Zuständigkeitsbereich, der sich vom Kreis Kleve im Norden bis nach Wuppertal und den Oberbergischen Kreis im Osten und nach Aachen im Süden erstreckt, derzeit 220 freie Sitze im hausärztlichen Bereich – die meisten davon in ländlichen Regionen wie dem Kreis Heinsberg. Der durchschnittliche Arzt im Kreis Heinsberg ist 57,3 Jahre alt, viele Kollegen stehen in den kommenden Jahren also vor dem Ruhestand und könnten eine Lücke reißen.
„Diese Altersstruktur ist nicht ungewöhnlich“, sagt Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein. „Als Arzt steigt man ja nicht als 25- oder 30-Jähriger ein, sondern eher in Richtung 40.“Zuerst stehen schließlich mindestens sechs Jahre Studium und fünf Jahre FacharztAusbildung an. Trotzdem liegt der Schnitt des Kreises knapp drei Jahre über dem des Nordrheins (54,6). Ins Heinsberg sind derzeit sieben Stellen unbesetzt, in Erkelenz anderthalb, in Wegberg ist die Auslastungssituation gut, dort ist lediglich eine halbe Stelle offen. Die Tendenz in der Region ist allerdings steigend, da einige Kollegen, wie etwa Issmail Ragab, mit dem Ruhestand liebäugeln.
Die KV Nordrhein will gegensteuern und zwischen jungen, interessierten Ärzten und älteren Kollegen vermitteln. Dabei helfen Veranstaltungen wie die „Landpartie“, die am Wochenende auf dem Göddertzhof in Kleinbouslar stattfand. 15 interessierte Mediziner waren gekommen. „Das ist für eine solche Veranstaltung
schon gut“, bilanziert Frank Bergmann. Ein Interessent ist sogar aus Hessen angereist.
Unter den Teilnehmern ist auch ein junger Kollege aus dem Erkelenzer Land, der gerne eine Praxis in der Region gründen will und deshalb anonym bleiben möchte, um seine Verhandlungsposition nicht zu verschlechtern. „Mir gefällt es in der Region, ich mag die Menschen und würde mich gerne hier niederlassen.“Der Jungarzt spricht aber auch über seine Sorgen: „Im Studium oder Krankenhaus bringt dir keiner bei, wie du eine Praxis führst, Personal verwaltest. Das muss man alles selber machen.“
Hinter einer Praxiseröffnung oder -übernahme stecken schließlich finanzielle Risiken, dazu ein potenziell deutlich größer Arbeitsaufwand. „Wir versuchen, durch Fördermittel aus einem Strukturfonds, aber auch durch persönliche Beratung zu helfen“, sagt Frank Bergmann.
Bis zu 70.000 Euro könnten für eine Niederlassung in Aussicht gestellt werden, Geld gibt es auch für eine Anstellung oder eine Zweigstelle. Der KV-Chef glaubt, dass es auch in Zukunft noch den klassischen Landarzt geben wird. Der Trend gehe aber eher zu Gemeinschaftspraxen und medizinischen Versorgungszentren. „Es wird auf dem Land in Zukunft beides geben“, sagt er.
Wichtig sei es, junge Ärzte schon früh zur Arbeit auf dem Land zu bewegen, beispielsweise durch eine Mitarbeit bei einem älteren Arzt. „Es gibt einen gewissen Klebeeffekt“, meint Bergmann. „Wo man einmal für ein paar Wochen gearbeitet hat, da bleibt man auch gerne längerfristig.“