Was die Zahlen über Hütters Handschrift sagen
Adi Hütters Handschrift war sichtbar, aber oft schwer zu entziffern oder mit Fehlern behaftet. Viele Zahlen zeigen, wo es nicht passte.
Die Ausgabe von Borussia Mönchengladbach in der Saison 2021/22 ist eine seltsame gewesen. Adi Hütter, dessen Zeit am Niederrhein nach 318 Tagen frühzeitig zu Ende ging, hat der Mannschaft durchaus seine Handschrift verpasst, nur war sie oftmals schwer zu lesen oder fehlerhaft. Die Datenscouts von „Createfootball“liefern die Zahlen zu diesen Eindrücken, die allesamt deutlich machen, warum Lucien Favre der Top-Favorit auf den Trainerposten in Gladbach ist.
Mehr ist manchmal weniger – das zeigt der Vergleich der Hütter-Saison mit der letzten unter Marco Rose. Der Ballbesitz steigerte sich von 51,7 auf 53,1 Prozent, die Zahl der Torschüsse von 12,7 auf 13,5, aber gleichzeitig sank der Expected-Goals-Wert von 1,8 auf 1,67 – bei einer verschlechterten Chancenverwertung. Die Torgefahr eines einzelnen Abschlusses verringerte sich unter Hütter somit von 0,142 auf 0,124, ein nicht zu vernachlässigender Unterschied im Liga-Vergleich.
Borussia presste früher als in der Vorsaison, was der PPDA-Wert (Passes per Defensive Action) unterstreicht: Wie viele Zuspiele gewährte eine Mannschaft ihrem Gegner, bevor sie attackierte? Unter Rose waren es noch 12,5 gewesen, unter Hütter 10,5. Doch die Effektivität des hohen Anlaufens ließ zu wünschen übrig. Hinzu kommt: Mit 15 Prozent hatte Gladbach den zweitniedrigsten Anteil an progressiven Pässen, also Zuspielen mit nennenswertem Raumgewinn (nach dem BVB übrigens) und mit 9,8 Prozent sogar den schwächsten Anteil an Pässen ins letzte Drittel. „Hütters Mannschaft hat also aus viel Ballbesitz erstaunlich wenig gemacht“, lautet das Urteil von „Createfootball“-Datenscout Mats Beckmann.
Hinten hatte die Ausrichtung zudem ihren Preis. Die 61 Gegentore resultierten aus 59,5 zugelassenen Expected Goals, dem zweitschlechtesten Wert in der Bundesliga. In anderen Worten: Defensiv kam Borussia so schlecht weg, wie sie es verdient hatte, der Faktor Pech oder Zufall war gering. Dazu passte eine weitere Statistik, in der Gladbach ganz am Ende stand: Borussia konnte nur 18,7 Prozent der gegnerischen Schüsse blocken. Keine Überraschung also, dass jeder Schuss im Schnitt auf eine Erfolgswahrscheinlichkeit von 0,14 Expected Goals kam – mehr Gefahr ließ nur die TSG Hoffenheim zu.
„Bedenklich, dass man den Gegner in solch aussichtsreiche Abschlusspositionen
kommen lässt“, sagt Beckmann. In der Ära Favre von 2011 bis 2015 war genau das Gegenteil ein Erfolgsrezept: Gladbach ließ viel zu, aber nur aus Zonen und Entfernungen mit geringen Trefferwahrscheinlichkeiten. So beendete das Team die Saison 2014/15 mit einem Torverhältnis von 53:26, 2021/22 landete Borussia am Ende bei 54:61. Die Aufgabe des neuen Trainers wird deshalb zuallererst das sein, was Hütter sich bereits vorgenommen hatte: Die Zahl der Gegentore muss dringend reduziert werden.
Eine weitere Statistik untermauert einen subjektiven Eindruck, den viele Fans in der vergangenen Saison formuliert haben: Borussia vernachlässigt die linke Seite, worunter der junge Luca Netz oft zu leiden hatte. Ein Bundesliga-Team fuhr im Schnitt pro Spiel 26 Angriffe über links, 21 durchs Zentrum und 27 über rechts, Borussias Verteilung lautete: 20, 26, 27.
„Kein Team in der Bundesliga attackierte häufiger durch das Zentrum als die Gladbacher“, sagt Beckmann.
Dies hinterlässt vor allem vor dem Hintergrund Fragezeichen, dass im 3-4-2-1 die Flügel gestärkt wurden, mit Schienenspielern, die teilweise wie Außenstürmer agierten. Dennoch schlug Borussia mit 9,1 pro Spiel die wenigsten Flanken aller Mannschaften, Hütter hatte in Frankfurt noch das Team mit den zweitmeisten trainiert.
Einen Aufarbeitungs-Ansatz für die Saisonvorbereitung hinterlassen zu guter Letzt Gladbachs total unterschiedliche Halbzeit-Gesichter. In der Tabelle der ersten 45 Minuten