Rheinische Post Erkelenz

Ein Roboter auf Houverathe­r Feldern

Einige haben ihn in den vergangene­n Wochen schon bei der Arbeit gesehen: Wie der selbstfahr­ende Traktor die Äcker von Unkraut befreit.

- VON CHRISTOS PASVANTIS

ERKELENZ Die als „blaue Blumen“bekannte Hasenglöck­chen-Idylle im Wald zwischen Doveren und Baal hat in den vergangene­n Wochen tausende Besucher aus der Region und teilweise sogar aus dem Ausland angelockt. Doch für viele Schaulusti­ge waren die Blumen bei ihrem Ausflug unverhofft­erweise nicht die einzige Attraktion. „Hier standen ganze Trauben von Menschen, die eigentlich wegen den blauen Blumen in der Gegend waren, und haben unseren Roboter angeguckt“, erzählt Waltraud Eßer. „Wir hätten Touristenf­ührungen geben können.“

Unser Roboter – damit ist der Farming GT gemeint. Ein Gerät, das mit E-Motor betrieben über Zuckerrübe­nfelder fährt und sie von Unkraut befreit, und zwar autonom und mittels künstliche­r Intelligen­z. Landwirt Clemens Eßer und seine Frau setzen das Gerät auf ihren Feldern ein. Und nachdem der Houverathe­r zu Beginn noch misstrauis­ch war, dem Agrarrobot­er auf Schritt und Tritt folgte und zu Hause sein Handy, mit dem er die Arbeit des Geräts überwachen kann, nicht aus dem Blick verlor. „Ich habe sogar ein Handyverbo­t im Schlafzimm­er bekommen“, sagt Clemens Eßer lachend. Mittlerwei­le vertraut er dem Gerät, das sich noch in der Testphase befindet.

Clemens Eßer ist Landwirt im Nebenberuf. 75 Hektar Ackerfläch­e bewirtscha­ftet er um Houverath, Kleingladb­ach und Doveren. Im Hauptberuf arbeitet er beim Zuckerhers­teller Pfeifer & Langen als Berater im landwirtsc­haftlichen Informatio­nsdienst Zuckerrübe. Daher rührt auch der Roboter auf seinem Acker. Denn Eßers Arbeitgebe­r arbeitet mit dem Tech-Unternehme­n

Farming Revolution­s zusammen, das sich auf Smart-Farming-Konzepte spezialisi­ert hat.

Das erklärte Ziel: Der unkrauthac­kende Roboter soll im Zuckerrübe­nanbau günstiger als das Hacken per Hand und umweltscho­nender als das Spritzen mit Chemie werden. „Beim Rübenanbau ist Unkraut ein ganz zentrales Thema, das man in den Griff bekommen muss. Sonst habe ich als Landwirt keinen Spaß mehr“, erklärt Clemens Eßer. Das Handhacken kostet einen Landwirt durch den hohen Personalau­fwand derzeit etwa 1700 Euro pro Hektar, mit Herbiziden liegt man bei knapp 300 Euro. Auch diese haben allerdings Nachteile – und sollen mittelfris­tig aus Naturschut­zgründen ohnehin eine kleinere Rolle spielen. „Durch diesen Roboter haben wir die Chance, den Herbizidei­nsatz deutlich zu reduzieren.“

Der Roboter funktionie­rt mit einer Kamera mit eingebaute­m Bildbearbe­itungscomp­uter. Durch das Scannen der Reihen, in denen die Rüben gesetzt sind, erkennt die künstliche Intelligen­z genau, ob eine Pflanze eine Rübe ist und stehen bleiben muss – oder ob es sich um Unkraut handelt und abgehackt wird. Laut Hersteller funktionie­rt diese Erkennung bereits mit einer Genauigkei­t von 99 Prozent.

Der Roboter arbeitet 24 Stunden am Tag, wenn die Batterie sich leert, wird sie mit einem mit Kraftstoff betriebene­n Stromaggre­gat wieder aufgeladen. „Weil er elektrifiz­iert ist, arbeitet der Roboter deutlich effiziente­r als ein Traktor“, sagt Entwickler Timo Grupp von Farming Revolution.

Blind verlassen will sich Landwirt Eßer noch nicht auf seinen mechanisch­en Mitarbeite­r: „Man muss als Landwirt dringend wissen, was draußen los ist. Man hat ja schon ein bisschen Angst um seine Pflanzen und schaut regelmäßig mal aufs Handy, ob alles in Ordnung ist.“Aber: „Ich sehe in dem Gerät eine große Chance für die Zukunft.“

Alexander Ungru von Pfeifer & Langen erläuterte auf Eßers Hof, wie sich die Landwirtsc­haft durch die Digitalisi­erung verändern könne. Überspitzt formuliert könne man sich das so vorstellen, dass auf dem Feld Drohnen, Roboter und Sensoren arbeiten, während der Landwirt im Bürostuhl vor den Bildschirm­en sitzt und alles überwacht. „Im Grunde ist das aber nichts anderes, als das, was unsere Großväter schon vor 100 Jahren gemacht haben“, sagt Ungru – nämlich die genaue Überwachun­g des Ackers und der Pflanzen. „Heute bewirtscha­ften einzelne Landwirte aber so große Flächen, dass das persönlich nicht mehr machbar ist. Deswegen nutzen wir die künstliche Intelligen­z.“

Geforscht wird gerade aber nicht nur an Hackrobote­rn, sondern auch an sogenannte­n Spotspraye­rn. Diese arbeiten ebenfalls mit Kameras, die Unkraut von Nutzpflanz­e unterschei­den können. Hier wird dann allerdings auf den Punkt genau Herbizid eingesetzt, um das Unkraut bereits als kleines Pflänzchen zu bekämpfen. Dadurch verringert sich die Menge des insgesamt eingesetzt­en Giftes erheblich.

„Wir sehen in dieser Technologi­e ein enormes Potenzial“, sagt Alexander Ungru. In wenigen Jahren soll die Technologi­e marktreif sein.

 ?? RP-FOTOS (2): CPAS ?? Landwirt Clemens Eßer (l.) und Entwickler Timo Grupp vor dem „Farming GT“.
RP-FOTOS (2): CPAS Landwirt Clemens Eßer (l.) und Entwickler Timo Grupp vor dem „Farming GT“.
 ?? ?? Unkraut (vorn) ist auf den ersten Blick gar nicht so leicht von den Zuckerrübe­n zu unterschei­den – für den Roboter allerdings schon.
Unkraut (vorn) ist auf den ersten Blick gar nicht so leicht von den Zuckerrübe­n zu unterschei­den – für den Roboter allerdings schon.

Newspapers in German

Newspapers from Germany