Ein Roboter auf Houverather Feldern
Einige haben ihn in den vergangenen Wochen schon bei der Arbeit gesehen: Wie der selbstfahrende Traktor die Äcker von Unkraut befreit.
ERKELENZ Die als „blaue Blumen“bekannte Hasenglöckchen-Idylle im Wald zwischen Doveren und Baal hat in den vergangenen Wochen tausende Besucher aus der Region und teilweise sogar aus dem Ausland angelockt. Doch für viele Schaulustige waren die Blumen bei ihrem Ausflug unverhoffterweise nicht die einzige Attraktion. „Hier standen ganze Trauben von Menschen, die eigentlich wegen den blauen Blumen in der Gegend waren, und haben unseren Roboter angeguckt“, erzählt Waltraud Eßer. „Wir hätten Touristenführungen geben können.“
Unser Roboter – damit ist der Farming GT gemeint. Ein Gerät, das mit E-Motor betrieben über Zuckerrübenfelder fährt und sie von Unkraut befreit, und zwar autonom und mittels künstlicher Intelligenz. Landwirt Clemens Eßer und seine Frau setzen das Gerät auf ihren Feldern ein. Und nachdem der Houverather zu Beginn noch misstrauisch war, dem Agrarroboter auf Schritt und Tritt folgte und zu Hause sein Handy, mit dem er die Arbeit des Geräts überwachen kann, nicht aus dem Blick verlor. „Ich habe sogar ein Handyverbot im Schlafzimmer bekommen“, sagt Clemens Eßer lachend. Mittlerweile vertraut er dem Gerät, das sich noch in der Testphase befindet.
Clemens Eßer ist Landwirt im Nebenberuf. 75 Hektar Ackerfläche bewirtschaftet er um Houverath, Kleingladbach und Doveren. Im Hauptberuf arbeitet er beim Zuckerhersteller Pfeifer & Langen als Berater im landwirtschaftlichen Informationsdienst Zuckerrübe. Daher rührt auch der Roboter auf seinem Acker. Denn Eßers Arbeitgeber arbeitet mit dem Tech-Unternehmen
Farming Revolutions zusammen, das sich auf Smart-Farming-Konzepte spezialisiert hat.
Das erklärte Ziel: Der unkrauthackende Roboter soll im Zuckerrübenanbau günstiger als das Hacken per Hand und umweltschonender als das Spritzen mit Chemie werden. „Beim Rübenanbau ist Unkraut ein ganz zentrales Thema, das man in den Griff bekommen muss. Sonst habe ich als Landwirt keinen Spaß mehr“, erklärt Clemens Eßer. Das Handhacken kostet einen Landwirt durch den hohen Personalaufwand derzeit etwa 1700 Euro pro Hektar, mit Herbiziden liegt man bei knapp 300 Euro. Auch diese haben allerdings Nachteile – und sollen mittelfristig aus Naturschutzgründen ohnehin eine kleinere Rolle spielen. „Durch diesen Roboter haben wir die Chance, den Herbizideinsatz deutlich zu reduzieren.“
Der Roboter funktioniert mit einer Kamera mit eingebautem Bildbearbeitungscomputer. Durch das Scannen der Reihen, in denen die Rüben gesetzt sind, erkennt die künstliche Intelligenz genau, ob eine Pflanze eine Rübe ist und stehen bleiben muss – oder ob es sich um Unkraut handelt und abgehackt wird. Laut Hersteller funktioniert diese Erkennung bereits mit einer Genauigkeit von 99 Prozent.
Der Roboter arbeitet 24 Stunden am Tag, wenn die Batterie sich leert, wird sie mit einem mit Kraftstoff betriebenen Stromaggregat wieder aufgeladen. „Weil er elektrifiziert ist, arbeitet der Roboter deutlich effizienter als ein Traktor“, sagt Entwickler Timo Grupp von Farming Revolution.
Blind verlassen will sich Landwirt Eßer noch nicht auf seinen mechanischen Mitarbeiter: „Man muss als Landwirt dringend wissen, was draußen los ist. Man hat ja schon ein bisschen Angst um seine Pflanzen und schaut regelmäßig mal aufs Handy, ob alles in Ordnung ist.“Aber: „Ich sehe in dem Gerät eine große Chance für die Zukunft.“
Alexander Ungru von Pfeifer & Langen erläuterte auf Eßers Hof, wie sich die Landwirtschaft durch die Digitalisierung verändern könne. Überspitzt formuliert könne man sich das so vorstellen, dass auf dem Feld Drohnen, Roboter und Sensoren arbeiten, während der Landwirt im Bürostuhl vor den Bildschirmen sitzt und alles überwacht. „Im Grunde ist das aber nichts anderes, als das, was unsere Großväter schon vor 100 Jahren gemacht haben“, sagt Ungru – nämlich die genaue Überwachung des Ackers und der Pflanzen. „Heute bewirtschaften einzelne Landwirte aber so große Flächen, dass das persönlich nicht mehr machbar ist. Deswegen nutzen wir die künstliche Intelligenz.“
Geforscht wird gerade aber nicht nur an Hackrobotern, sondern auch an sogenannten Spotsprayern. Diese arbeiten ebenfalls mit Kameras, die Unkraut von Nutzpflanze unterscheiden können. Hier wird dann allerdings auf den Punkt genau Herbizid eingesetzt, um das Unkraut bereits als kleines Pflänzchen zu bekämpfen. Dadurch verringert sich die Menge des insgesamt eingesetzten Giftes erheblich.
„Wir sehen in dieser Technologie ein enormes Potenzial“, sagt Alexander Ungru. In wenigen Jahren soll die Technologie marktreif sein.