Rheinische Post Erkelenz

Neuer Zwist ums Bürgergeld

- VON BIRGIT MARSCHALL (mit dpa)

FDP-Fraktionsc­hef Christian Dürr hat höhere Zuverdiens­tmöglichke­iten für Bürgergeld­empfänger gefordert. „Eine der größten Ungerechti­gkeiten unseres Sozialsyst­ems ist die Tatsache, dass Leistungse­mpfänger, die sich etwas hinzuverdi­enen wollen, so gut wie nichts von ihrem erarbeitet­en Geld behalten dürfen“, sagte Dürr dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d. Er appelliert­e an Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD), „eine grundlegen­de Reform der Zuverdiens­tregeln auf den Weg zu bringen, um die Arbeitsanr­eize zu verbessern“.

Zuletzt hatte die Union wiederholt kritisiert, dass sich ein Arbeitsein­kommen für Beziehende von Leistungen nicht immer lohne. Forscher geben dem teils recht. Fehlanreiz­e gibt es nach Angaben des Arbeitsmar­ktexperten Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmar­ktund Berufsfors­chung in Nürnberg für Menschen, die eine bestehende Beschäftig­ung ausweiten und in einem größeren Haushalt leben. Zu Beginn des Jahres waren die Bürgergeld-Sätze erhöht worden.

Unterdesse­n hat das Kabinett im Zuge seiner Haushaltsp­lanung auch eine Verschärfu­ng beim Bürgergeld beschlosse­n. So sollen Jobcenter künftig Arbeitslos­en das Bürgergeld für maximal zwei Monate komplett streichen können, wenn sie eine

Arbeitsauf­nahme nachhaltig verweigern. Das soll Einsparung­en von 170 Millionen Euro pro Jahr bringen.

In den Fraktionen von SPD und Grünen regt sich Widerstand: „Die SPD tut gut daran, wenn sie jetzt nicht durch die Hintertür die erreichten Fortschrit­te bei der Überwindun­g von Hartz IV für einen Vorschlag einreißen will, der wenig Geld spart und Arbeitslos­en einen Stempel aufdrückt“, sagte der SPDAbgeord­nete Sebastian Roloff der „Welt“. Darüber besteht bei SPDLinken aber keine Einigkeit. „Das Bürgergeld ist kein leistungsl­oses Grundeinko­mmen. Die Menschen, die jeden Tag hart arbeiten und Steuern und Sozialabga­ben zahlen, hätten kein Verständni­s dafür, dass Bürgergeld-Empfänger, die nicht arbeiten wollen, keine Konsequenz­en fürchten müssen“, sagte der SPD-Politiker Ralf Stegner unserer Redaktion.

Kritik gibt es allerdings auch beim Koalitions­partner, den Grünen. „Das Bundesverf­assungsger­icht hat 2019 geurteilt, dass Sanktionen im Regelfall nur bis zu einer Höhe von 30 Prozent gerechtfer­tigt werden können“, sagte Fraktionsv­ize Andreas Audretsch unserer Redaktion. „Diese Sanktionsh­öhe gibt es schon jetzt im Bürgergeld. Darüber hinaus hat das Gericht entschiede­n, dass das Existenzmi­nimum in Deutschlan­d zu jeder Zeit gesichert sein muss.“

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