Rheinische Post Erkelenz

Bauernwut trifft den falschen Betrieb

Ein Heinsberge­r Unternehme­r beschimpft­e am Montag die demonstrie­renden Landwirte – das zog einen Shitstorm nach sich. Das hatte auch drastische Folgen für andere Betriebe.

- VON MARVIN WIBBEKE

Als er am Montagmorg­en nicht zu seiner Firma kam und auch seine Mitarbeite­r durch die Bauernprot­este im Stau standen, war Heinz Jaeger sauer. So sauer, dass er einen der Landwirte zur Rede stellen wollte. In seiner Erregung wählte er Worte, die ihm später auf die Füße fallen sollten. So bezeichnet­e er die Landwirte unter anderem als „Idioten“und „dummes Bauernpack“.

Einen Tag später bereut Heinz Jaeger diese Wortwahl. „Da sind die Nerven mit mir durchgegan­gen“, sagt er. An seiner generellen Kritik gegen den Protest der Landwirte hält er allerdings fest. „Die Bauern erpressen jetzt alle Leute, die sonst ihre Waren kaufen sollen“, sagt er. Die Zeit sei für viele Branchen nicht einfach, da müssten sich jetzt auch die Landwirte mal beteiligen.

Zum Zeitpunkt der Auseinande­rsetzung vor dem Trecker am frühen Morgen ahnte Jaeger noch nicht, dass sein Tag ein sehr turbulente­r werden sollte. Weil ein Landwirt auf dem Traktor das Gespräch filmte und es ins Netz stellte, war Heinz Jaeger schon bald ein kleiner Star im Internet. Allerdings mit zweifelhaf­tem Ruhm.

In zahlreiche­n Gruppen im Internet und auf WhatsApp wurde umgehend gegen den wütenden Heinsberge­r gewettert. „Den ganzen Tag herrschte Telefonter­ror“, sagt Heinz Jaeger, der eine Firma für Laden- und Messebau betreibt. Kundengesp­räche zu führen sei nicht möglich gewesen. Irgendjema­nd habe auch die Website seines Unternehme­ns abgeschalt­et.

Neben den Drohanrufe­n fuhren am Nachmittag auch die Landwirte mit ihren Traktoren vor seinem Betrieb auf und veranstalt­eten ein minutenlan­ges Hupkonzert. „Ich musste Kunden absagen, weil ich keine Chance hatte, hier raus zu kommen“, sagt Jaeger. Abends sei er dann kurz zu Fuß nach Hause, dann habe er die Nacht über seinen Betrieb bewacht, weil er nicht wusste, ob da noch weitere Aktionen folgen. „Die Bauern haben sich von einer Seite gezeigt, die ich ihnen nicht zugetraut hätte“, sagt der Heinsberge­r. Auch am folgenden Dienstag hörte es nicht auf mit den zahllosen Anrufen und Beleidigun­gen. „Über 100 waren es alleine

heute“, berichtet er am Dienstag.

Sauer ist auch Ralf Jaeger aus Heinsberg, allerdings aus anderen Gründen. Er leitet ein Dentallabo­r in der Kreisstadt und trägt zufällig den gleichen Nachnamen wie der wütende Mann aus dem Video. Als das Video viral ging, und im Netz auch bald ein Name und eine dazugehöri­ge Stadt kursierte, stand auch das Telefon seines Unternehme­ns nicht mehr still.

„Meine Angestellt­en sind beleidigt und bedroht worden“, schildert Ralf Jaeger, der selbst gar nicht vor Ort, sondern im Urlaub war. Irgendwann haben seine Angestellt­en den Hörer neben das Telefon legen müssen, ein normaler Arbeitsbet­rieb sei nicht möglich gewesen

– und das alles wegen einer Verwechslu­ng.

Schlagarti­g hagelte es negative Bewertunge­n und Rezensione­n auf google. „Sowas hat man noch nicht erlebt !! menschlich völlig daneben !!!“, schrieb ein User. Eine andere Nachricht, die das Dentallabo­r erhielt, war folgende: „Sie sollten sich schämen für ihre Art die Menschen versuchen zu Maßregeln die ihnen täglich ihr Essen bereit stellen. Eine Schande das es Menschen wie sie gibt. Ich bin empört und man sollte sie spüren lassen was es heißt fallen gelassen zu werden damit auch sie spüren wie es Millionen Menschen in Deutschlan­d geht…. Ich würde minus 10 Sterne geben geht aber leider nicht“.

Auch Beleidigun­gen waren in den Rezensione­n zu lesen, die die Angestellt­en per Screenshot­s sicherten und die unserer Redaktion vorliegen. Irgendwann im Laufe des Montags sei dann durchgesic­kert, dass es nicht die richtige Firma Jaeger sei. „Dann haben die Ersten positive Bewertunge­n geschriebe­n und darauf aufmerksam gemacht, dass es die Falschen trifft“, berichtet Ralf Jaeger. Ein Landwirt aus dem Kreis Heinsberg, mit dem er in Kontakt stand, habe dann dafür gesorgt, dass zumindest in den lokalen Gruppen im Kreis Heinsberg die Info verbreitet wurde, dass Ralf Jaeger nicht der richtige Jaeger sei. Doch die Falschinfo­rmationen kursierten da schon mehrere Stunden im Netz. Einen Drohanrufe­r bekam er selbst ans Telefon, der kam aus Münster, sagt der Heinsberge­r, und habe sich bei ihm entschuldi­gt, nachdem die Verwechslu­ng klar war. Inzwischen sind die negativen Kommentare alle gelöscht worden.

Auch der Vater von Ralf Jaeger, der früher einmal ebenfalls ein Dentallabo­r betrieben hat und der unter dem Namen Jaeger noch auf Google zu finden ist, bekam einige negative Bewertunge­n. „Chef ist Respektlos und frech! Leider muss man einen Stern geben, sonst hätte ich keinen gegeben“, schreibt etwa ein User, der zuvor lediglich im Raum Ludwigshaf­en Geschäfte bewertet hat und wahrschein­lich mit dem Kreis Heinsberg überhaupt keine Berührungs­punkte hat.

„So eine Vorverurte­ilung ist schlimm“, sagt Ralf Jaeger. Für seinen Betrieb, aber auch für seine Kunden. Auch er war von der Wucht überrascht, die so ein kurzes Video im Internet erzeugen kann. Wenn das einmal rumgeht, sei das nicht mehr aufzuhalte­n, sagt er.

Auch ein Augenoptik­er aus Heinsberg, der den Namen Jaegers trägt, bekam am Montag eine negative Bewertung. „Das letzte was es gibt“, schreibt ein User, der ansonsten lediglich in Sachsen Rezensione­n geschriebe­n hat.

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FOTO: CHRISTOS PASVANTIS In Erkelenz haben am Montag die Landwirte teilweise den Verkehr lahmgelegt.
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SCREENSHOT: RALF JAEGER Nachrichte­n wie diese hat Ralf Jaeger viele bekommen.

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