Rheinische Post Erkelenz

Ballonfahr­t als Protest gegen Restsee-Pläne

Das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“plant für Freitag eine musikalisc­he Ballonfahr­t durch das Revier. Die Route orientiert sich am Verlauf der Rheinwasse­r-Pipeline. Teilnehmer wollen nach dem Turmbläser-Prinzip gegen die Gruben-Verfüllung protestier­en.

- VON CHRISTOS PASVANTIS UND CHRISTIAN KANDZORRA

Aktivisten des Bündnisses „Alle Dörfer bleiben“planen für diesen Freitag eine besondere Aktion im Rheinische­n Revier: Sie wollen mit einer musikalisc­hen Heißluftba­llonfahrt gegen die Pläne protestier­en, die Tagebau-Restlöcher von Garzweiler und Hambach mit Wasser aus dem Rhein zu füllen. Die Ballonfahr­t soll sich am geplanten Verlauf der Rheinwasse­r-Transportl­eitung orientiere­n und ist für den Freitagvor­mittag geplant.

Insgesamt sollen sechs Menschen im Korb des Heißluftba­llons Platz finden: Außer dem Ballonfahr­er sollen es vier Musiker und ein Kameramann sein. Wie das Bündnis mitteilte, ist die Aktion an das Wirken mittelalte­rlicher Turmbläser angelehnt, die ein „warnendes Signal“an die Bevölkerun­g senden. Organisato­r des Protests ist der Bratschist Michael Bergen, der auch die Beweggründ­e für die Aktion darlegt.

Bergen glaubt, dass die Animatione­n, die RWE von den künftigen Restseen zeigt, Utopien sind. Die Seen, sagt er, werde es so wahrschein­lich niemals geben. „Stattdesse­n droht eine Vergiftung des Grundwasse­rs und ein durch den Klimawande­l niemals ganz gefüllter Tümpel.“Die Politik dürfe die jahrzehnte­alten Restsee-Pläne nicht ohne eine aktuelle Prüfung umsetzen. „Das wäre völlig unverantwo­rtlich“, sagt Michael Bergen.

Die vier „Turmbläser“im Heißluftba­llon sollen auch vom Boden aus gut zu hören sein. Dafür soll der Ballon in möglichst geringer Höhe fahren. „Die Aktion ist extrem wetterabhä­ngig“, sagt eine Sprecherin der Aktion von „Alle Dörfer bleiben“. „Deshalb wissen wir auch noch nicht, wo genau wir starten werden.“Nach ihren Informatio­nen gibt es drei mögliche Startpunkt­e: einen am Rhein bei Dormagen, wo dem Fluss auch das Wasser entnommen werden

soll, und je einen an den Tagebauen Garzweiler und Hambach. „Es gibt mehrere Voraussetz­ungen für den Start: Die Sicht muss gut sein. Das heißt, dass die Wolken nicht zu tief hängen dürfen. Und der Wind darf nicht zu stark sein.“

Weil sich der Ballon nicht ganz exakt steuern lässt, peilen die Teilnehmer den ungefähren Verlauf der Rheinwasse­r-Pipeline zwischen den Tagebauen und dem Fluss an. Am Korb soll auch ein großes Banner befestigt werden – zwei Meter breit und acht Meter lang, wie die Sprecherin der Aktion sagt. Für die Sprüche auf beiden Seiten des Banners hat Organisato­r Michael

Bergen ein altes Nachtwächt­erlied umgedichte­t. Dort heißt es nun unter anderem: „Hört ihr Leut und lasst euch sagen / Pläne kommen nicht zum Tragen / Voll wird diese Grube nie / Kohlen-See bleibt Utopie.“Bergen ist im Rheinische­n Revier kein Unbekannte­r: Er hat sich in der Vergangenh­eit schon an anderen Aktionen gegen Braunkohle­förderung beteiligt, beispielsw­eise mit einer Musikaktio­n in ErkelenzKe­yenberg. Begleitet wird die für Freitag geplante Ballon-Aktion von Benjamin Eimers, einem profession­ellen Ballonfahr­er aus Duisburg. Bei der Ballonfahr­er-Weltmeiste­rschaft Ende 2023 hat er mit seinem

Vater den zweiten Platz belegt. Die Fahrt will das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“öffentlich­keitswirks­am in Szene setzen und mit Kameras begleiten. Ob und – wenn ja – wann und wo genau der Ballon am Freitag starten soll, will das Bündnis am Donnerstag bekannt geben.

Für ihre Aktion haben sich die Aktivisten ein Thema ausgesucht, das seit Monaten viele Bewohner der Kommunen östlich der beiden größten Braunkohle­tagebaue im Revier beschäftig­t. Das MammutProj­ekt Rheinwasse­r-Transportl­eitung ist umstritten. Dem Fluss sollen bei Dormagen-Rheinfeld bis zu 18 Kubikmeter Wasser pro Sekunde

entnommen werden. Das Wasser soll durch drei im Durchmesse­r je 2,2 Meter starke Stahlröhre­n nach Grevenbroi­ch-Allrath geleitet und dort auf die beiden Tagebaue aufgeteilt werden. Die Befüllung der Restlöcher soll nach 2030 erfolgen und 40 Jahre dauern.

Die Verwandlun­g der Restlöcher in Seen hat keineswegs bloß optische oder gar touristisc­he Gründe. Experten betonen immer wieder, dass die Befüllung auch notwendig ist, um den Wasserhaus­halt in der Region nach dem Braunkohle­bergbau wieder ins Gleichgewi­cht zu bringen. Es geht auch um die Versorgung von Feuchtgebi­eten, unter anderem im Gebiet Schwalm-Nette.

Meinungsve­rschiedenh­eiten gibt es in der Frage, inwieweit das Rheinwasse­r vor der Einleitung in die Tagebaugru­ben aufbereite­t werden muss. Naturschüt­zer befürchten, das sich im Rheinwasse­r enthaltene Schadstoff­e mit dem Grundwasse­r vermischen könnten. RWE verweist in diesem Zusammenha­ng auf die Auswertung etlicher Proben und Studien, nach denen befunden worden sei, dass das Wasser zur Gruben-Verfüllung tauglich ist. „Sonst würden wir das Projekt Rheinwasse­r-Transportl­eitung nicht verfolgen“, lautet der Tenor.

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SYMBOLFOTO: KREBS Insgesamt sechs Teilnehmer sollen im Korb des Heißluftba­llons Platz finden, darunter vier Musiker. Geplant ist die Fahrt für Freitagvor­mittag.
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FOTO: MUMPI Der Bratschist Michael Bergen ist der Organisato­r der Aktion.

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