Ballonfahrt als Protest gegen Restsee-Pläne
Das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“plant für Freitag eine musikalische Ballonfahrt durch das Revier. Die Route orientiert sich am Verlauf der Rheinwasser-Pipeline. Teilnehmer wollen nach dem Turmbläser-Prinzip gegen die Gruben-Verfüllung protestieren.
Aktivisten des Bündnisses „Alle Dörfer bleiben“planen für diesen Freitag eine besondere Aktion im Rheinischen Revier: Sie wollen mit einer musikalischen Heißluftballonfahrt gegen die Pläne protestieren, die Tagebau-Restlöcher von Garzweiler und Hambach mit Wasser aus dem Rhein zu füllen. Die Ballonfahrt soll sich am geplanten Verlauf der Rheinwasser-Transportleitung orientieren und ist für den Freitagvormittag geplant.
Insgesamt sollen sechs Menschen im Korb des Heißluftballons Platz finden: Außer dem Ballonfahrer sollen es vier Musiker und ein Kameramann sein. Wie das Bündnis mitteilte, ist die Aktion an das Wirken mittelalterlicher Turmbläser angelehnt, die ein „warnendes Signal“an die Bevölkerung senden. Organisator des Protests ist der Bratschist Michael Bergen, der auch die Beweggründe für die Aktion darlegt.
Bergen glaubt, dass die Animationen, die RWE von den künftigen Restseen zeigt, Utopien sind. Die Seen, sagt er, werde es so wahrscheinlich niemals geben. „Stattdessen droht eine Vergiftung des Grundwassers und ein durch den Klimawandel niemals ganz gefüllter Tümpel.“Die Politik dürfe die jahrzehntealten Restsee-Pläne nicht ohne eine aktuelle Prüfung umsetzen. „Das wäre völlig unverantwortlich“, sagt Michael Bergen.
Die vier „Turmbläser“im Heißluftballon sollen auch vom Boden aus gut zu hören sein. Dafür soll der Ballon in möglichst geringer Höhe fahren. „Die Aktion ist extrem wetterabhängig“, sagt eine Sprecherin der Aktion von „Alle Dörfer bleiben“. „Deshalb wissen wir auch noch nicht, wo genau wir starten werden.“Nach ihren Informationen gibt es drei mögliche Startpunkte: einen am Rhein bei Dormagen, wo dem Fluss auch das Wasser entnommen werden
soll, und je einen an den Tagebauen Garzweiler und Hambach. „Es gibt mehrere Voraussetzungen für den Start: Die Sicht muss gut sein. Das heißt, dass die Wolken nicht zu tief hängen dürfen. Und der Wind darf nicht zu stark sein.“
Weil sich der Ballon nicht ganz exakt steuern lässt, peilen die Teilnehmer den ungefähren Verlauf der Rheinwasser-Pipeline zwischen den Tagebauen und dem Fluss an. Am Korb soll auch ein großes Banner befestigt werden – zwei Meter breit und acht Meter lang, wie die Sprecherin der Aktion sagt. Für die Sprüche auf beiden Seiten des Banners hat Organisator Michael
Bergen ein altes Nachtwächterlied umgedichtet. Dort heißt es nun unter anderem: „Hört ihr Leut und lasst euch sagen / Pläne kommen nicht zum Tragen / Voll wird diese Grube nie / Kohlen-See bleibt Utopie.“Bergen ist im Rheinischen Revier kein Unbekannter: Er hat sich in der Vergangenheit schon an anderen Aktionen gegen Braunkohleförderung beteiligt, beispielsweise mit einer Musikaktion in ErkelenzKeyenberg. Begleitet wird die für Freitag geplante Ballon-Aktion von Benjamin Eimers, einem professionellen Ballonfahrer aus Duisburg. Bei der Ballonfahrer-Weltmeisterschaft Ende 2023 hat er mit seinem
Vater den zweiten Platz belegt. Die Fahrt will das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“öffentlichkeitswirksam in Szene setzen und mit Kameras begleiten. Ob und – wenn ja – wann und wo genau der Ballon am Freitag starten soll, will das Bündnis am Donnerstag bekannt geben.
Für ihre Aktion haben sich die Aktivisten ein Thema ausgesucht, das seit Monaten viele Bewohner der Kommunen östlich der beiden größten Braunkohletagebaue im Revier beschäftigt. Das MammutProjekt Rheinwasser-Transportleitung ist umstritten. Dem Fluss sollen bei Dormagen-Rheinfeld bis zu 18 Kubikmeter Wasser pro Sekunde
entnommen werden. Das Wasser soll durch drei im Durchmesser je 2,2 Meter starke Stahlröhren nach Grevenbroich-Allrath geleitet und dort auf die beiden Tagebaue aufgeteilt werden. Die Befüllung der Restlöcher soll nach 2030 erfolgen und 40 Jahre dauern.
Die Verwandlung der Restlöcher in Seen hat keineswegs bloß optische oder gar touristische Gründe. Experten betonen immer wieder, dass die Befüllung auch notwendig ist, um den Wasserhaushalt in der Region nach dem Braunkohlebergbau wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Es geht auch um die Versorgung von Feuchtgebieten, unter anderem im Gebiet Schwalm-Nette.
Meinungsverschiedenheiten gibt es in der Frage, inwieweit das Rheinwasser vor der Einleitung in die Tagebaugruben aufbereitet werden muss. Naturschützer befürchten, das sich im Rheinwasser enthaltene Schadstoffe mit dem Grundwasser vermischen könnten. RWE verweist in diesem Zusammenhang auf die Auswertung etlicher Proben und Studien, nach denen befunden worden sei, dass das Wasser zur Gruben-Verfüllung tauglich ist. „Sonst würden wir das Projekt Rheinwasser-Transportleitung nicht verfolgen“, lautet der Tenor.