Verspielte Führung veränderte Borussia
Im Februar 2011 verspielte Gladbach ein 2:0 gegen Stuttgart – mit enormen Folgen.
Borussia und die verspielten Führungen – ein großes Thema in dieser Saison. Sonntag (17.30 Uhr, Dazn) kommt der VfB Stuttgart. Gegen den wurde vor 13 Jahren auch eine Führung verspielt. Das aber bedeutete nicht nur den Verlust dreier wichtiger Punkte im Abstiegskampf, sondern es war der Flügelschlag des Schmetterlings, der einen Tsunami auslöste.
Denn das 2:3 gegen die Stuttgarter am vierten Rückrundenspieltag der Saison 2010/11, bei dem Gladbachs Abwehrchef Dante mit seinem Foul für den entscheidenden Elfmeter des VfB sorgte und Gelb-Rot sah, war nichts weniger als der Ursprung einer Zeitenwende, es veränderte Borussia.
Mithin hatte der VfB schon im Hinspiel enorm dazu beigetragen, dass die Gladbacher nach einer ruhigen Vorsaison plötzlich ins Bodenlose stürzten unter Trainer Michael Frontzeck – das war die Basis dessen, was später passierte. Hatte zwei Spiele zuvor das 6:3 bei Bayer Leverkusen noch Traumschlösser am Niederrhein entstehen lassen, war das 0:7 beim VfB, das auf ein 0:4 gegen Eintracht Frankfurt folgte, der Raketenantrieb des Niedergangs.
Borussia war nach der Hinrunde abgeschlagener Letzter mit zehn Punkten, der dritte Abstieg schien nicht mehr abwendbar. Gleichwohl behielt Frontzeck seinen Job. Und es schien, als sei der gebürtige Gladbacher auf dem richtigen Weg in der Rückrunde. 1:0 siegte Borussia zum Jahresauftakt beim 1. FC Nürnberg, und dann auch bei Eintracht Frankfurt nach dem zwischenzeitlichen 1:3 gegen Bayer Leverkusen. Dann kam der VfB.
Borussia wirkte bereit für die Wende zum Besseren. 2:0 stand es zur Pause, weil Dante und Igor de Camargo trafen und Gladbach stark spielte. Frontzeck hatte im Mittelfeld das Duo Roman Neustädter/ Havard Nordtveit installiert, der neue Abwehrchef Martin Stranzl und Stürmer Mike Hanke, wie Nordtveit in der Winterpause gekommen, waren als Köpfe des Teams gleich da. Hätten die Borussen durchgezogen gegen den VfB und dieses Spiel gewonnen und damit neun Punkte aus den ersten vier Spielen geholt, alles, was danach kam, wäre so nicht passiert.
Mit dem Elan des Sieges wäre es wohl beim FC St. Pauli anders gelaufen im Spiel darauf, wieder ging Gladbach in Führung. Doch erneut kam der Vorsprung abhanden – am Tag nach dem 1:3 war Schluss für Frontzeck. Manager Max Eberl holte Lucien Favre, der VfB trug mit dem gedrehten Spiel sehr zur Verpflichtung des Schweizers bei.
Der Rest ist Geschichte: Der Fußball-Professor reanimierte Borussia, restrukturierte das Team und führte es noch in die Relegation, in der es sich gegen den VfL Bochum behauptete – um dann in der Saison darauf auf Rang vier zu klettern und eine neue Zeitrechnung der modernen Borussia zu definieren: Die Zeit vor und nach der Relegation.
Es ist die typische Was-wärewenn-Frage: Hätte Frontzeck gegen den VfB gepunktet, wäre Favre vielleicht nie gekommen oder vielleicht später, weil die vermeintliche Wende doch nur ein Strohfeuer gewesen wäre? Doch schon zu dem Zeitpunkt, als Favre kam, war es Spitz auf Knopf, es reichte so gerade und auch nur dank des plötzlichen Zusammenbruchs der Frankfurter. Für den wiederum war der Auslöser Frontzecks Sieg bei der Eintracht.
Am Ende ergab alles Sinn in diesem Drama, das sich kein Romancier besser hätte ausdenken können. Borussia war wie ein Phoenix, aus der Asche. Der VfB sorgte wohl mindestens für die Initialzündung.
Noch großdimensionaler war es 1964 mit Schalke 04. Der wollte unbedingt Gladbachs damaligen Trainer Fritz Langner haben. Der „eiserne“Fritz hatte in Gladbach damit begonnen, das Borussen-Team neu aufzubauen mit Jungspunden wie Günter Netzer.
Doch fehlte dem „Feldwebel“aus Breslau das Geniale. Das sah Borussias Chefetage um Präsident Helmut Beyer in Hennes Weisweiler. So kam man Langners Wunsch nach, zu Schalke in die Bundesliga zu wechseln, und holte Weisweiler. Wieder ist der Rest Geschichte.
Manchmal braucht es einen Anschub von außen, um Geschichte den Weg zu ebnen. Wie Stuttgarts 3:2-Sieg nach einem 0:2-Rückstand im Borussia-Park am 5. Februar 2011, der enorm dazu beitrug, dass sich für Gladbach alles veränderte.