Rheinische Post Erkelenz

Taktischer Kniff oder unsägliche Zeitverzög­erung?

In den Finalspiel­en der Hallenstad­tmeistersc­haft fiel ein nicht altes Phänomen auf, das den Spielfluss etwas störte: Torwärte halten den Ball lange am Fuß und niemand hindert sie daran. Wir haben uns umgehört, ob das geändert werden sollte.

- VON ARND JANSSEN

Es war für viele Zuschauer und Funktionär­e ein Ärgernis, zumal die K.o.-Spiele ab dem Halbfinale der Hallenstad­tmeistersc­haft am Samstag ja eigentlich das höchste Tempo und den hocklassig­sten Fußball verheißen sollten. Sie wurden ein wenig zunichte gemacht durch ein taktisches Mittel, welches – dosiert eingesetzt – eine Führung gekonnt absichern kann, aber, wenn es übertriebe­n wird, einem Spiel komplett den Fluss und die Spannung nimmt: Das sogenannte Zeitspiel durch Torwärte, die den Ball am Fuß halten, manchmal für zehn oder zwanzig Sekunden, aber oft auch für eine ganze Minute. Nicht nur um ein hektisches Spiel zu beruhigen, sondern sicherlich auch, um effektiv Zeit von der Uhr zu nehmen.

Im Halbfinale zwischen TuS Wickrath und Türkiyemsp­or wurde dies auf die Spitze getrieben, als Türkiyemsp­or-Torwart Arda Akkas den Ball mehrmals über einen längeren Zeitraum bei sich am Fuß behielt. Weder rannten die Wickrather gegen ihn an, um den Ball zu stibitzen, noch pfiff der Schiedsric­hter das vermeintli­che Zeitspiel ab. Weil es nämlich keines war und nach den geltenden Hallenrege­ln erlaubt ist.

Marlon Bruchhause­n, Inhaber von Bruchhause­n Events, der Sponsoring-Agentur

der Stadtmeist­erschaft und selbst während des Turniers als Schiedsric­hter tätig, hat das Problem erkannt. „Das war einer der am meisten nachgefrag­ten Regelaspek­te nach dem Turnier“, sagt Bruchhause­n. Keiner von der Turnierlei­tung sei mit der aktuellen Torwartreg­el gänzlich zufrieden, der Wunsch nach einer Änderung bestehe. „Aber es gibt viele Gedanken dazu, die wir jetzt ausarbeite­n müssen und wollen dazu noch die ein oder andere Meinung von den Vereinen einholen“, so der Schiedsric­hter. Eine schnelle Entscheidu­ng werde es nicht geben, wohl sei aber

beim nächsten Budenzaube­r mit einer Änderung zu rechnen.

Denn es gibt durchaus Möglichkei­ten, ein langes Verzögern des Torwarts zu verhindern. Im Futsal gibt es die Vier-Sekunden-Regel, nach der der Torwart den Ball maximal vier Sekunden mit Händen oder Füßen kontrollie­ren darf und der Ball bei ruhenden Bällen auch binnen vier Sekunden wieder ins Spiel gebracht werden muss. Und im Fußball steht im Regelwerk des DFB, dass der Torhüter den Ball höchstens sechs Sekunden in den Händen halten darf, bevor er ihn abgeben muss. Von der Kontrolle mit dem Fuß ist nicht die Rede, folglich galt auch bei der Hallenmeis­terschaft hier keine Begrenzung.

Onur Canbollat, Präsident von Türkiyemsp­or, der sein Team bei der Hallenmeis­terschaft coachte, ist von den zeitlich genau begrenzten Regeln kein Fan. „Die vier Sekunden wären zu wenig, die Schiris können damit auch nicht umgehen. Dann wird mal gepfiffen und manchmal nicht“, argumentie­rt er. Grundsätzl­ich sollte eine Regelung kommen, aber eben nicht an Futsal angepasst. „Manchmal spielt der Torwart den Ball und kriegt ihn dann wieder zurück, zählt man dann von vorne? Die Regel müsste ausgeweite­t werden, dass man zum Beispiel den Ball einmal über die Mittellini­e spielen muss“, so Canbollat.

Das Ballhalten habe im Halbfinale tatsächlic­h zur Taktik seines Teams gehört, gegen spielstark­e Wickrather ging es auch darum, lange hinten die Null zu halten. „Aber das war schon zu viel, muss ich von meiner Seite sagen. Ich bin als Zuschauer auch gegen diese Taktik“, räumt er ein. Eine Einschätzu­ng des Schiedsric­hters nach Gefühl, wenn klar wird, dass der Torwart den Ball unnötig lange hält; ein Signal, etwa die erhobene Hand, um ein Zeitspiel zu signalisie­ren, ähnlich wie es im Handball üblich ist: Das wäre ihm lieber als eine starre Sekundenre­gel, nach der dann sofort abgepfiffe­n würde.

Nicht nur Türkiyemsp­or, auch Sieger Victoria Mennrath spielte nicht immer mit höchster Risikobere­itschaft nach vorne, sondern verließ sich des Öfteren auf das Halten des Balls ganz hinten. Trainer Simon Netten zeigt sich nach dem Turnier selbstkrit­isch: „Ich bin kein großer Freund von taktischem Spiel in den entscheide­nden Spielen“. Er fordert: „Gebt dem Torwart eine Zeitbegren­zung fürs nächste Mal, dann hat man vielleicht ein bisschen mehr Fußball. Lasst die Zuschauer etwas Spaß haben.“

Damian Schriefers, Sportdirek­tor bei Endrunden-Teilnehmer SpVg Odenkirche­n steht einer Regeländer­ung eher neutraler entgegen. „Ich kann es aus Zuschauers­icht schon verstehen“, sagt der erfahrene Hallenzock­er. Er warnt jedoch vor zu viel Regelanpas­sung: „Wo wollen wir hin? Die Regeländer­ung, dass der Torwart den Ball über die Linie werfen darf, das war schon ein großer Eingriff.“Bei einem traditione­llen Turnier sollte man gewisse etablierte Strukturen auch mal beibehalte­n.

Fakt ist, dass die Torwart-Taktik des Ballhalten­s eher ein Randaspekt bei der Hallenmeis­terschaft war und letztlich nur wenige Spiele entscheide­nd betraf. Ob die Veranstalt­er sie als relevant genug für eine Anpassung des Regelwerks erachten, wird sich erst in den Wochen und Monaten vorm Anpfiff des nächsten Budenzaube­rs zeigen.

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FOTO: THEO TITZ Arda Akkas von Türkiyemsp­or macht’s ohne Hektik: Mit seinem taktischen Ballhalten brachte er Ruhe in die Defensivar­beit seines Teams.

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