So entwickelt sich der Arbeitsmarkt
Qualifizierung heißt die Antwort für ein – so schätzen die Experten von Agentur für Arbeit und Jobcenter – herausforderndes Jahr 2024. Bei der Jahrespressekonferenz zogen sie Bilanz.
KREIS HEINSBERG Insgesamt erwies sich der Arbeitsmarkt im vergangenen Jahr als sehr robust und aufnahmefähig, und das trotz anhaltender Stressfaktoren wie dem Krieg in der Ukraine und der Energiekrise, die dem Arbeitsmarkt vor allem im Frühjahr zugesetzt haben. „Wir sehen hier einen saisonalen Anstieg der Arbeitslosenquote“, sagt Ulrich Käser, Chef der Agentur für Arbeit Aachen-Düren. Gegenüber dem Dezember des Vorjahres verzeichnet der Agenturbezirk Aachen-Düren einen Anstieg der Arbeitslosigkeit von 7,1 Prozent, bei den Jugendlichen unter 25 Jahren sogar um 12,9 Prozent. „Zwar befinden wir uns nicht auf einem Höhepunkt der Arbeitslosenquote, aber die Vorzeichen deuten darauf hin, dass wir in diesem Jahr eine angespannte Situation haben werden.“Im Kreis Heinsberg seien überdies die stärksten Beschäftigungsgewinne des Jahres 2023 zu verzeichnen, obwohl sich die Arbeitslosigkeit ganzjährig über dem Vorjahresniveau befunden hat (5,4 Prozent in beiden Rechtskreisen) und damit wieder auf Niveau des Pandemiejahres 2021 ist.
Dabei gehe es nicht bloß um „nackte Zahlen“, sondern auch um die Entwicklung des Arbeitsmarktes. „Die Unternehmen melden weniger Stellen als im Vorjahr, in Zahlen: 1626 im Jahr 2023 im Vergleich zu 2029 im Jahr 2022. Das passt zwar nicht zum bestehenden Fachkräftemangel, beantwortet sich aber von selbst, wenn man sich das Ungleichgewicht im Anforderungsniveau zwischen Angebot und Nachfrage anschaut.“Diese
Lücke könnte geschlossen oder zumindest verkleinert werden – mit der erforderlichen Qualifizierung der Arbeitsuchenden. „Wir fahren da eine zweiseitige Strategie: Zum einen wollen wir das Qualifikationsniveau bei den Beschäftigten anheben, zum anderen die Arbeitslosen fit machen“, sagt Käser.
Stefan Graaf, Geschäftsführer Jobcenter Städte-Region Aachen, fügt hinzu: „Unsere Kundenstruktur ändert sich gerade. Wir haben immer mehr Kunden vor allem aus den acht Herkunftsländern plus aus der Ukraine. Fast 50 Prozent von ihnen sind leistungsberechtigt, davon haben drei Viertel keine berufliche Qualifikation und davon wiederum ein
Viertel keinen Schulabschluss.“Positiv hebt er aber hervor, dass die deutliche Mehrheit – Graaf schätzt sie auf 97 Prozent – mit dem Bedarfsträger kooperiert. Dennoch: Mit einer vorläufigen Haushaltsführung können wir eigentlich umgehen, aber wir wissen noch nicht einmal, mit welchem Budget. Einige Projekte werden demnach auslaufen müssen.“
Martina Forkel, Leiterin job-com Kreis Düren, bemängelt ebenfalls die fehlende Planungssicherheit sowie die Entwicklungen, denen teilweise in ihrer Geschwindigkeit der Realitätsbezug fehlt. „Zunächst sollten wir die ukrainischen beim Ankommen unterstützen, dann hieß es, sie sollten grundlegende Deutschkenntnisse
erwerben, um als Fachkräfte in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert werden zu können. Inzwischen werden lediglich grundständige Sprachkenntnisse auf A2- oder B1Niveau gefordert, um sie so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das wird unglaublich schwierig.“
Das alles gelte auch für das Jobcenter Kreis Heinsberg, sagt Geschäftsführer Christian Trox. „Für 2024 ist ein Gesamtbudget von 25,5 Millionen Euro avisiert: 14,8 Millionen Euro für die Verwaltung und 10,7 für die Eingliederung. Da die Verwaltungsmittel den Bedarf nicht decken, müssen wir Geld umschichten, was weniger Eintritte in unsere Eingliederungsmaßnahmen
zur Folge hat. Wir müssen aber gerade im Qualifizierungsbereich handlungsfähig bleiben, um dieses Kernziel nicht zu gefährden“, erläutert er. Und wenn es Mittel gebe, komme es sehr darauf an, wann sie zur Verfügung stehen werden. „Jetzt zum Jahresbeginn wären sie hilfreich, um zu planen und die Maßnahmen auch wirksam werden zu lassen.“
Käser betont: „Bundesagentur für Arbeit heißt nicht Bundesagentur für alles. Es gibt keine einfachen Antworten auf unsere Herausforderungen, aber wir brauchen starke Partner, Bereitschaft und Motivation von der Gesellschaft, damit die Räder ineinandergreifen.“
Doch über allem thronen noch etliche Fragezeichen, denn der Haushalt der Bundesregierung ist noch nicht beschlossen und die finanziellen Mittel für die Eingliederung von Leistungsbeziehern können noch nicht konkret beziffert werden.