Prozess zu Emilys Tod startet
Das zuckerkranke Mädchen starb 2019 auf einer Klassenfahrt in London im Alter von 13 Jahren. Lange war unklar, ob der Fall überhaupt vor Gericht landet. Doch jetzt steht der erste Verhandlungstag an. Angeklagt sind zwei Lehrerinnen.
MÖNCHENGLADBACH Viereinhalb Jahre ist es her, dass die damals 13-jährige Emily in einem Londoner Krankenhaus stirbt. Die Schülerin der Theo-Hespers-Gesamtschule war da gerade auf einer Klassenfahrt. Dem zuckerkranken Mädchen (sie hatte eine Diabeteserkrankung) soll es ab dem Tag der Ankunft in London schlecht gegangen sein. Schüler hätten darauf hingewiesen, doch Lehrer zu spät reagiert – so der Vorwurf. Erst zwei Tage später sei ein Notarzt alarmiert worden. Einen Tag später soll Emily an den Folgen von Insulinmangel gestorben sein. Der Tod aber hätte Sachverständigen zufolge „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“verhindert werden können, wenn das Mädchen rechtzeitig in ein Krankenhaus gekommen und medizinisch behandelt worden wäre.
An diesem Mittwoch, 17. Januar, startet der Prozess, der Emilys Tod juristisch aufarbeiten soll, am Landgericht in Mönchengladbach. Angeklagt sind zwei Lehrerinnen (34 und 60 Jahre alt). Ihnen wird fahrlässige Tötung vorgeworfen, weil sie sich im Vorfeld der Klassenfahrt nicht die erforderliche Kenntnis von den Erkrankungen der 60 bis 70 mitreisenden Schüler verschafft hätten. Denn hätten sie von Emilys Diabeteserkrankung gewusst, hätten sie anders reagieren und so wahrscheinlich den Tod der 13-Jährigen verhindern können, so die Anklage. Gleichzeitig heißt es, dass auch die Schülerin und deren Angehörige nicht über die Krankheit informiert hätten. Zudem ergaben Ermittlungen, dass das Mädchen bei der Fahrt die erforderlichen Blutzuckermessungen und die Insulinzufuhr vernachlässigt habe, wodurch sich ihr Zustand stetig verschlechterte.
Das alles macht den Fall sehr komplex. Das zeigt sich auch an der Zahl angesetzter Verhandlungstage (14) sowie der langen Vorgeschichte: Seit Jahren beschäftigt sich das Gericht mit der Frage, ob das Verfahren gegen die Lehrerinnen überhaupt eröffnet wird. Kay Schierwagen,
Emilys Vater, aber kämpfte unerbittlich dafür, legte Beschwerden gegen Beschlüsse ein und brachte alles überhaupt erst ins Rollen. Denn sein Anwalt erstattete 2019 Anzeige. Daraufhin startete die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach mit den Ermittlungen gegen vier Pädagoginnen, die als Aufsichtspersonal bei der Klassenfahrt dabei gewesen sind. Der Tatverdacht lautete fahrlässige Tötung. Im Frühjahr 2021 wurde dieses Verfahren allerdings eingestellt. Doch das konnte und wollte Kay Schierwagen nicht hinnehmen. Er nahm sich einen neuen Anwalt und legte Beschwerde ein. Im August 2021 wurden die Ermittlungen wieder aufgenommen.
Das Ergebnis: Im Frühjahr 2022 wurde dann Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben – gegen noch zwei Lehrerinnen. Ein Erfolg für Schierwagen. Doch wieder etliche Monate später, im Februar 2023, entschied die 1. Große Strafkammer des Landgerichts Mönchengladbach, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen. Dagegen legten Emilys Vater und die Staatsanwaltschaft wiederum Beschwerde ein. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf gab ihnen im Juni 2023 Recht und ließ die Anklage zu – etwa vier Jahre nach dem Tod der Schülerin.
Schierwagen, der mit der alleinsorgeberechtigen Mutter als Nebenkläger auftritt, ist eigenen Angaben zufolge „sehr aufgeregt und nervös“vor dem Prozessbeginn. Das sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Er freue sich, dass „nach dem ganzen Auf und Ab der vergangenen Jahre, nach der Einstellung, den Ermittlungen, dem Widerspruch, jetzt endlich die Verhandlung beginnt.“Er hoffe, dass nun „Gerechtigkeit widerfährt“. Denn der Tod seiner Emily sei „so sinnlos“gewesen. Schierwagen ist sich auch sicher, dass er hätte verhindert werden können. Das betonte er mehrfach, deshalb kämpfte er so für die juristische Aufarbeitung.
Die Lehrerinnen kennt Schierwagen, der das Grab seiner Tochter in Mönchengladbach regelmäßig besucht und pflegt, nicht persönlich, sagt er: „Ich weiß gar nicht, wie ich ihnen am Mittwoch begegnen soll.“Sicher ist er sich aber, dass er allen 14 Verhandlungstagen des Prozesses beiwohnen werde.