Stetige Veränderung schadet der Offensive nicht
Gladbachs Saison ist vorne von taktischer Flexibilität und vielen personellen Optionen geprägt. Für die verschiedenen Systeme sind unterschiedliche Angreifer prädestiniert. Wer wann gut zur Geltung kam und wer vor dem Tor noch Nachholbedarf hat.
Natürlich wurde Gerardo Seoane am vergangenen Sonntag auch auf den Mann des Tages angesprochen. Und auf die Frage, was Robin Hack jetzt besser mache als noch zu Saisonbeginn, antwortetet Gladbachs Trainer: „Ein Offensivspieler muss sich beweisen gegenüber seinen Konkurrenten. Wer ist gefährlicher, wer sorgt für mehr Torgefahr? Und da hatte Robin zuletzt die Nase vorn.“
Gegen den VfB war Hack der nächste in einer ganzen Reihe von Gladbacher Offensivspielern, die im Verlauf der Saison ihr persönliches Highlightspiel oder allgemein eine ganz gute Phase erleben. Das lässt sich auch daran ablesen, dass der Gegner Stuttgart insgesamt noch vier Tore mehr erzielt hat als die Borussen (34), aber bislang nur sieben verschiedene Torschützen vorweist und damit nur halb so viele wie Gladbach. Während der VfB vor allem von den Toren ihres Sturmduos Serhou Guirassy (17) und Deniz Undav (9) lebt, verteilen sich die Borussen-Tore auf viele Profis.
Doch es ist auffällig, dass Borussias Offensivspieler in gewissen Formwellen durch die Saison kommen. Das hat nicht nur mit Verletzungen zu tun, sondern auch mit der taktischen Flexibilität, die in Gladbach unter Seoane Einzug gehalten hat. So kamen bislang manche Angreifer in einem bestimmten System deutlich besser zum Zuge, während andere womöglich ihre Stärken dort nicht so einbringen konnten. So ist es bis jetzt eine Borussen-Spielzeit der Mehr-Phasen-Offensive.
Dabei starteten die Gladbacher unter ihrem neuen Trainer in einem altbekannten System. Das 4-2-3-1 erwies sich im Sommer zunächst als ideale Formation, um zum einen die beiden Zugänge Franck Honorat (auf dem rechten Flügel) und Tomas Cvancara (in der Sturmspitze) zu integrieren sowie zum anderen die Stärken von Alassane Plea (als
Zehner) und Nathan Ngoumou (auf links) zum Tragen zu bringen. Gerade Letzterer und der neue Neuner Cvancara zeigten sich treffsicher zum Saisonauftakt in Meisterschaft und Pokal.
Cvancaras Lauf sollte dann aber schnell enden, nach der ersten Länderspielpause reihte sich eine Zwangspause an die nächste, sodass der Tscheche nicht mehr in den Rhythmus fand. Derweil stellte Seoane nach der katastrophalen ersten Halbzeit von Darmstadt erstmals um: Der nach dem Saisonstart
von Union Berlin ausgeliehene Jordan Siebatcheu wurde nun Teil einer Doppelspitze. Die Stärkung des zentralen Mittelfelds im 3-5-2 verringerte die Möglichkeiten der klassischen Flügelspieler Ngoumou und Hack, ließ dafür aber Plea aufblühen.
Mit seinem Doppelpack beim 3:1 in Bochum startete der Franzose einen Lauf, der an seine starke Debütsaison erinnerte. In neun Bundesligaspielen traf Plea siebenmal. Und auch Kollege Jordan kam in Schwung, schoss zwei Liga- und zwei Pokaltore (beide beim 3:1 in der zweiten Runde gegen Heidenheim). Lange Zeit ging es gut, dass entweder er oder Cvancara zur Verfügung stand, beide mussten aber zwischendurch pausieren – und im Dezember stand dann plötzlich keiner von ihnen zur Verfügung.
Hack erhielt beim 2:2 gegen Bremen seine erste Chance in der Liga von Beginn an, als Teil einer Doppelspitze mit Plea tat er sich jedoch schwer. Der 25-Jährige kommt besser zum Zug, wenn er stärker über die Außenbahn nach innen ziehen kann – sowie er es nun gegen Stuttgart eindrucksvoll demonstrierte. Da hatte Seoane auf ein 4-3-3 gesetzt, mit Hack auf dem linken und Honorat auf dem rechten Flügel.
Letzterer nimmt in den vielen Systemänderungen seines Trainers eine Sonderrolle ein, da er einem Wechsel normalerweise nicht zum Opfer fällt. Denn anders als Hack oder Ngoumou ist Honorat in der Lage, auch im 3-5-2 den Part des alleinigen rechten Flügelspielers zu übernehmen. Das mag auch mit dafür verantwortlich sein, dass der Franzose der einzige Offensivspieler ist, der in Sachen eigener Abschluss noch kein persönliches HighlightSpiel oder eine Hoch-Phase hatte.
Gerade wenn Seoane in den kommenden Wochen noch häufiger auf das 4-3-3 bauen sollte und Honorat somit weiter vorne positioniert ist, sollte er seine Torproduktion steigern und sich nicht nur durch gute Flanken und Vorlagen an der guten Offensivausbeute seiner Mannschaft beteiligen.
Ein Tor-Hoch Honorats würde auf jeden Fall gut zur ersten Saison unter Seoane passen: Das Kollektiv – und da gehören auch einige Treffer durch die Mittelfeldspieler Rocco Reitz, Florian Neuhaus und Manu Koné dazu – sowie die taktische Flexibilität machen wett, dass vor der Saison Marcus Thuram, Jonas Hofmann und Lars Stindl gegangen sind. Borussia hat eine neue Offensive – und sie ist bislang äußerst vielfältig.