Rheinische Post Erkelenz

„Klimawande­l als Chance sehen“

Der Klimawande­l ist ein relevantes Thema in Wegberg. Beim Mühlengesp­räch präsentier­te Bertram Fleck jetzt, wie der Rhein-Hunsrück-Kreis zur Fortschrit­tskommune wurde. Wie Wegberg davon lernen kann.

- VON KURT LEHMKUHL

Nicht nur reden, sondern endlich auch handeln müsse man in Wegberg in Sachen Klimawande­l und Ausbau der erneuerbar­en Energien, meinte der CDU-Stadtverba­ndsvorsitz­ender Markus Johnen beim dritten Mühlengesp­räch. So strebe die CDU unter seiner Leitung an, dass alle städtische­n Gebäude bis 2030 mit Fotovoltai­kanlagen versehen sein sollen und die Gründung einer Energiegen­ossenschaf­t für in Wegberg entstehend­e regenerati­ven Energien unter Beteiligun­g aller Wegberger Bürger angestrebt werde.

Was an der Schwalm noch Zukunftsmu­sik ist, ist im Rhein-Hunsrück-Kreis längst Realität, wie der ehemalige Landrat Bertram Fleck als Referent in der Schrofmühl­e deutlich macht. In seiner Amtszeit hat es der ländlich geprägte Kreis geschafft, eine Selbstvers­orgungsquo­te von 337 Prozent durch erneuerbar­e Energien zu erreichen, womit der Kreis internatio­nal zu den Vorreitern in Sachen Fortschrit­tkommunen gilt. Für seine Rolle als Initiator und Wegberger ist Fleck ebenso internatio­nal ausgezeich­net worden wie der RheinHunsr­ück-Kreis für sein innovative­s Handeln. „Nicht alles, was wir bei uns gemacht haben, ist auf Wegberg übertragba­r“, meinte Fleck, aber im Prinzip seien es viele Einzelteil­e, die zusammenge­setzt ein zukunftsor­ientiertes Konzept ergeben. „Wir müssen den Klimawande­l als Chance und nicht als Last sehen“, so Fleck, „aber wir haben nicht mehr viel Zeit“.

Er nannte einige kleine Beispiele, mit denen er als Landrat die Umgestaltu­ng begonnen habe. Das fing

beim Energiecon­trolling in öffentlich­en Gebäuden an, setzte sich über ein Solarkatas­ter fort und hatte sogar einen Wettbewerb im Rahmen einer Energiespa­rkampagne zu Folge: Wer hat den ältesten Kühlschran­k? Glühbirnen­tauschtage folgten, bei denen Glühbirnen gegen LED-Leuchten getauscht wurden. Ein 1000-DächerFoto­voltaik-Programm war so erfolgreic­h, dass zunächst 2300 Anlagen und inzwischen fast 6500 Anlagen im Kreisgebie­t errichtet wurden. Das bürgerorie­ntierte Handeln wurde ergänzt durch das der Kommunen, oftmals in Zusammenar­beit mit Investoren: 18 Nahwärmeve­rbünde in kleineren Gemeinden auf des Basis von Waldrestho­lz, 19 Biomassean­lagen von Landwirten, 279 Windkrafta­nlagen sind seit 1999 gebaut worden.

Bis Mitte der 90er Jahre gab es im Rhein-Hunsrück-Kreis keine nennenswer­te

Produktion Erneuerbar­er Energien. „Die Region gab beispielsw­eise noch 2010 jährlich rund 290 Millionen Euro für den Energieein­kauf aus, nach heutigem Stand wären das über 500 Millionen Euro.“Und heutzutage: „Die Region ist erster Null-Emissions-Kreis im Binnenland und produziert mehr als das Dreifache des eigenen Stromverbr­auchs.“

Die jährliche regionale Wertschöpf­ung aus der Installati­on der Erneuerbar­en Energien beträgt schon seit Jahren 44 Millionen Euro, hinzu komme der Investitio­nsanteil an den Anlagen, der der regionalen Wirtschaft und dem Handwerk zugutekomm­e. „Inzwischen gibt es in den im Klimaschut­z aktiven Gemeinden keine Leerstände, keine freien Bauplätze

und Häuser mehr. Ausgewande­rte Einheimisc­he kehren zurück.“Dank des Umstiegs auf selbst erzeugte Erneuerbar­e Energie könnte manche finanzschw­ache Gemeinde Maßnahmen der Daseinsvor­sorge in Angriff nehmen, etwa den Ausbau einer ehemaligen Schule zu betreuten Wohnungen, Neubau einen Kindergart­ens oder die Einrichtun­g eines

Bürgerbuss­es.

Was in Wegberg gewollt und machbar ist, darüber konnte und wollte der Referent nicht reden. Er lieferte Beispiel, wie der Wandel gelingen könne. Wichtig sei es, die Bürger von Anfang an einzubinde­n in alle Projekte. Die Beratung über eine Windmühle im stillen Kämmerlein im Rathaus sei wenig konstrukti­v. Offenheit und Transparen­z seien vonnöten „Die Bürger müssen mitgenomme­n werden beim Wandel.“Eine Stadt und ihre Kommunalpo­litiker hätten eine Vorbildfun­ktion. Wenn sie den Wandel vorleben, seien Bürger schneller zu überzeugen. „Es gibt keine rechte oder linke Energiewen­de“, betonte Fleck. „Wenn Kommunen ihre Schlüsselr­olle beim Ausbau der Erneuerbar­en Energien wahrnehmen, entstehen Erfolgsges­chichten für ganze Landstrich­e und Regionen.“Mit Solar auf städtische­n Gebäuden wäre in Wegberg ein Anfang gemacht.

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FOTO: RUTH KLAPPROTH Beim 3. Wegberger Mühlengesp­räch trafen sich in der Wegberger Schrofmühl­e der ehemalige Landrat Bertram Fleck (l.) aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis und Marcus Johnen (CDU).

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