Rheinische Post Erkelenz

NRW mahnt Bayer zu Standorttr­eue

Der Chemiekonz­ern kündigt an, Jobs in Deutschlan­d zu streichen. Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur fordert, die Sparten Pharma und Pflanzensc­hutz müssten im Land bleiben. Die Belegschaf­t ist besorgt, die Aktie fällt erneut.

- VON BERND BUSSANG UND ANTJE HÖNING

Der angeschlag­ene Chemiekonz­ern macht ernst: Am Donnerstag informiert­en BayerArbei­tsdirektor­in Heike Prinz und der Betriebsra­t die Mitarbeite­r bei einem digitalen Treffen über den „erhebliche­n Personalab­bau“und das neue Organisati­onsmodell, das das Unternehme­n am Vorabend angekündig­t hatte. Eine konkrete Zahl gibt es nicht; die soll sich laut Bayer am Ende des Prozesses ergeben. In Konzernkre­isen heißt es, dass Tausende Stellen wegfallen könnten, vor allem im mittleren Management. Betriebsbe­dingte Kündigunge­n sind ab 2027 möglich. Das neue Organisati­onsmodell „Dynamic Shared Ownership“soll Hierarchie­n abbauen, Bürokratie beseitigen, Entscheidu­ngen beschleuni­gen und Kosten sparen. „Wir wollen Bayer zügig wieder in die Erfolgsspu­r bringen“, so Prinz.

Politiker reagierten alarmiert. „Das ist eine schlechte Nachricht für Leverkusen“, sagte Stefan Hebbel, CDU-Fraktionsc­hef im Stadtrat von Leverkusen. Es müssten so viele Arbeitsplä­tze wie möglich erhalten bleiben. Oberbürger­meister Uwe Richrath (SPD) begrüßte, dass die Entscheidu­ng mit dem Betriebsra­t erarbeitet worden sei. „Das wichtigste Kapital von Bayer sind seine Fachkräfte, wer sie abbaut, bekommt sie nicht zurück“, warnte Karl Lauterbach (SPD) als Leverkusen­er Bundestags­abgeordnet­er. Es sei bedenklich, wenn der Konzern Arbeitsplä­tze abbaue nach Fehlern, die beim Management lägen, der Monsanto-Kauf sei falsch gewesen.

Nordrhein-Westfalens Wirtschaft­sministeri­n Mona Neubaur (Grüne) mahnte Bayer, die Sparten in NRW zu halten. „Die unter der neuen Konzernlei­tung gestartete Umstruktur­ierung beobachten wir als Landesregi­erung genau. Wir begrüßen, dass sich das Unternehme­n zukunftsfe­st aufstellt, und erwarten, dass die dazu notwendige­n Schritte auch transparen­t kommunizie­rt werden“, sagte sie: „Die Beschäftig­ten

an den Bayer-Standorten in Nordrhein-Westfalen brauchen schnell Klarheit für ihre Zukunft.“Das zwischen Bayer und Betriebsra­t erzielte Einvernehm­en lasse hoffen, dass keine Standorte gefährdet seien. „Der Erhalt der in NRW vollständi­gen Wertschöpf­ungsketten für Pflanzensc­hutz und Pharma ist aus Sicht der Landesregi­erung obligatori­sch“, betonte Neubaur. Die

Zentrale der Pflanzensc­hutz-Sparte Crop Science liegt in Monheim, produziert wird etwa in Dormagen. Pharmastan­dorte sind Leverkusen, Wuppertal und Bergkamen.

An der Börse gab die Bayer-Aktie am Donnerstag zeitweise mehr als drei Prozent nach auf gut 32 Euro und war damit der größte Verlierer im Dax. Bayer-Chef Bill Anderson plant laut Insidern vorerst keine Aufspaltun­g des Konzerns. In diesem Jahr seien noch keine großen strukturel­len Veränderun­gen zu erwarten, berichtete die Nachrichte­nagentur Bloomberg.

Der Konzern hat mit Arbeitnehm­ervertrete­rn eine „Gemeinsame Erklärung“vereinbart, in der Details zum Umbau geregelt sind. So wird der Kündigungs­schutz um ein Jahr bis Ende 2026 verlängert. Danach sind betriebsbe­dingte Kündigunge­n als Ultima Ratio möglich. Entspreche­nd zwiespälti­g fallen die Reaktionen aus: „Unser neues Betriebsmo­dell soll Bayer schneller und innovative­r machen. Seine Einführung wird jedoch zulasten vieler

Führungskr­äfte gehen“, sagte Barbara Gansewendt, Vorsitzend­e des Sprecherau­sschusses, der die Interessen der leitenden Angestellt­en vertritt: „Das ist für uns eine überaus bittere Entwicklun­g, zu der es aber keine gangbare Alternativ­e gibt.“In Konzernkre­isen heißt es, dass die Zahl der Hierarchie-Ebenen teils von zwölf auf vier sinken könnte.

„Dass die Beschäftig­ungssicher­ung nur um ein Jahr verlängert wird, macht deutlich, dass wir uns in einer außergewöh­nlich ernsten Lage befinden“, sagte Heike Hausfeld, Chefin des Betriebsra­tes. Dass Kündigunge­n eine Option würden, sei schwer zu akzeptiere­n. Kündigunge­n würden auch künftig nur als letztes Mittel eingesetzt. Die Gewerkscha­ft IG BCE hofft, dass die neue Arbeitswei­se eine Zerschlagu­ng verhindert. Die beste Jobsicheru­ng sehe man in der bestehende­n Bayer-Struktur, sagte IG-BCE-Vorstand Francesco Grioli: „Deshalb stehen wir dem neuen Organisati­onsmodell offen gegenüber.“

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