Mit Durs Grünbein zärtlich in den Untergang
Der Büchner-Preisträger war zu Gast in der Zentralbibliothek Mönchengladbach. Dort las er Passagen aus seinem Dresden-Buch „Der Komet“. Worum es in dem sehr persönlichen Werk des Lyrikers geht, und wie Grünbein mit seiner Art die Geschichte transportiert.
Ist nicht Erinnerung der Nährboden, in dem das Heute und das Morgen gedeihen? Durs Grünbein jedenfalls, der angesehene und reich dekorierte Lyriker, Verfasser viel beachteter aktueller Kommentare zu Zeit und Welt, hat sich für sein erstes ausgedehntes Prosawerk „Der Komet“an eine ganz persönliche Erinnerungsarbeit begeben. Die führt ihn zu seinen Wurzeln: zu seiner Großmutter Dora, das Mädchen vom schlesischen Lande, wie sie die Liebe nach Dresden führt, der prächtigen Elbmetropole, in der sie die Nazizeit erlebt und den schrecklichen Bombenhagel, der Zerstörung und Zeitenwende zugleich war.
Grünbein ist ein geradezu zärtlicher Ton eigentümlich, wie er da hinter seiner Karaffe mit Wasser am schwarzbetuchten Rolltisch sitzt, vor dem sich die Fans der Reihe „Text/ Stationen“in der Zentralbibliothek Mönchengladbach versammelt haben. Diese melodiöse, vom sächsischen Tonfall nur mehr von ferne her kolorierte Stimme, passt ganz wunderbar natürlich zur wie beiläufigen Beschreibung der Lebensumstände in einer Zeit, die Nachgeborene gern in die Schubladen epochal und überwunden ablegen. Im „Komet“spiegeln sich
die Umstände in den Augen ebenjener sehr jungen Frau und sehr jungen Mutter, ohne die der Autor nicht wäre.
Diese Notiz platziert der Mann mit der Hornbrille im grauhaarig gerahmten Gesicht, dem dunklen Rollkragenpullover und den über sich hinausweisenden beredten Händen eher unbetont zwischen zwei Text-Passagen.
Für den veranstaltenden Förderverein der Stadtbibliothek „Lust am Lesen“führt Peter Brollik (Grüne)
das Gespräch mit seinem Gast, indem er Fährten des „Komet“aufnimmt, und in Literatur- und Filmgeschichte weiterspinnt. Grünbein behauptete diesen kenntnisreichen Ausführungen gegenüber so aufmerksam wie gelassen seine Stimme als Autor, als Vorlesender.
Auf diese Weise kommt das Publikum im Carl Brandts Haus in den Genuss einer Prosa, die auf eine wie schwerelose Weise das Banale mit dem Epochalen, die persönliche Glücksuche mit den Abgründen der Zeitläufe verbindet.
Grünbein hat nicht nur kenntnisreich und detailverliebt recherchiert eine Liebeserklärung an seine Heimatstadt Dresden geschrieben, sondern auch die Erinnerung an seine Großmutter, in deren kindlichem Blick die unfassbaren Ereignisse sich umso eindringlicher spiegeln.
So verwundert nicht, dass die Schlange der Interessierten an einem vom Autor mit Buntstift signierten „Komet“-Exemplar sehr lang ist. Der Prolibri-Büchertisch hielt zudem etliche der Lyrik-Bände des Büchner-Preisträgers Grünbein bereit. Aus deren jüngstem, „Äquidistanz“,
leitete er seine Lesung ein: Das Gedicht „1962“schaut auf Welt und Zeit in Durs Grünbeins Geburtsjahr. Erinnerungsarbeit.
Grünbeins melodiöse, vom sächsischen Tonfall kolorierte Stimme passt ganz wunderbar zu den Beschreibungen der Lebensumstände der Zeit
Die Lesung von Durs Grünbein in der Zentralbibliothek Mönchengladbach war der Start in die nächste Serie der Reihe „Text/ Stationen“des Vereins „Lust am Lesen“. Von diesem wurde die Veranstaltung auch in Kooperation mit der Stadtbibliothek, der Volkshochschule und dem Prolibri Buchladen mit Förderung durch das Kulturbüro umgesetzt.