SAMSTAG, 20. JANUAR 2024
Um Puppenspieler im Kölner Hänneschen-Theater werden zu können, braucht es drei Dinge: eine kräftige Stimme, Gesangstalent, und man muss Kölsch sprechen können. „Das ist das Allerwichtigste“, sagt JackRolf von Guretzky-Cornitz, Rufname Jacky, der nun seit 44 Jahren die Titelfigur des Theaters, das Hänneschen, spielt. Gerade erst hatten Tünnes und Schäl aus dem Hänneschen-Theater einen großen Auftritt bei der Proklamation des Kölner Dreigestirns durch Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Reker ist auch als Puppe im HänneschenEnsemble vertreten, taucht immer wieder in den Stücken auf. Bei der Proklamation war zunächst ihre Puppe zu sehen – geführt von Jacky von Guretzky-Cornitz und gesprochen von der Oberbürgermeisterin selbst. Ihr Kölsch ist nicht so flüssig wie das des Puppenspielers. „Ich bin ja aber auch ene kölsche Jung“, sagt der 63-Jährige. „In Köln geboren und schon als Kind ständig im Hänneschen-Theater gewesen.“
In diesem Jahr heißt es Abschied nehmen für den Puppenspieler. Zum 222. Geburtstag des Stockpuppentheaters geht er im Sommer in Rente. Das Hänneschen-Ensemble war Anfang Januar zu Besuch im Historischen Rathaus, wo alle sich ins Gästebuch der Stadt eintragen durften. Reker würdigte das Theater als größte ortsgebundene Puppenspielbühne im deutschsprachigen Raum. „Ich habe meinen Kindertraum zum Beruf gemacht“, sagt von Guretzky-Cornitz. Als 20-Jähriger kam er von der Bundeswehr zum Puppentheater, nachdem er vor dem Wehrdienst schon eineinhalb Jahre im öffentlichen Dienst der Stadt Düsseldorf gearbeitet hatte. „Ich war dann nach langer Zeit mal wieder im Hänneschen, um mir ein Stück anzusehen – da war die Liebe sofort neu entfacht“, erzählt er.
Heute bringt er als Dienstältester den Neuen bei, wie man eine Stockpuppe führt. „Die Puppenstange geht ja bis auf die Erde. Wichtig ist, dass man die Puppe leicht anhebt und ständig mit ihr in Bewegung ist, damit sie ‚lebendig‘ wird“, sagt er. „Wibbeln“nennt er das. „Man wird nicht in einer Woche zum guten Puppenspieler – und auch nicht in einem Jahr“, sagt er. Das Spielen geht auf die Schultern und den Nacken, weil der Spieler ständig nach oben schauen muss, während er die Puppe bewegt. Drei bis fünf Kilogramm wiegt eine Stockpuppe aus Lindenholz. Tünnes und der dicke Polizist sind am schwersten.
„Meine Knochen sind aber nicht nur vom Spielen kaputt, wir sind ja auch für den Bühnenumbau zuständig“, sagt von GuretzkyCornitz. Jedes Stück hat vier bis fünf Akte. Wenn der Vorhang sich schließt, heißt es für die Spieler, möglichst schnell die Kulissen umbauen. Puppenspieler ist ein Vollzeitjob: zehn Vorstellungen pro Woche, morgens Probe, mittags und abends Vorstellungen. Es gibt Kinder- und Erwachsenenstücke. In den Kinderstücken sind Hänneschen und Bärbelchen aus Knollendorf Geschwister, abends sind sie Verlobte, und das blonde Bärbelchen ist Hänneschens größte Schwäche. An Karneval gibt es eine Puppensitzung, die binnen kürzester Zeit ausverkauft ist.
Wie ein Schauspieler hat auch Jacky von Guretzky-Cornitz Lampenfieber. „Es ist ja wie ein normales Theater – nur dass man uns nicht sieht“, sagt er. „Lampenfieber ist immer da. Das muss auch so sein.“Er fühlt sich auch nach 44 Jahren immer noch jedes Mal zurückversetzt in seine eigene Kindheit,